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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 4. November 2008; 19:09
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Glosse:

> Weniger Staat, mehr Privat, oder doch nicht?

Zur Logik von Privatversicherern

VertreterInnen des Versicherungsunternehmens Wuestenrot werben mit
privater Pensionsvorsorge. Der Deal geht so: alle Menschen, die
Lohnsteuer bezahlen, bekommen vom Staat ein Lohnsteuergeschenk, wenn
sie diese Versicherung abschliessen. Das heisst, Geld wird nicht
versteuert, sondern kommt auf ihr "Pensionskonto" statt in die
Staatskasse, zusaetzlich zahlt die oeffentliche Hand noch mal Geld
drauf, mit einem Eigenbeitrag von 25 Euro ist Frau oder Mann dabei.
Schliesslich kann sich der Staat ja die Pensionen in Zukunft nicht
mehr leisten. Ah ja. Kann er nicht. Und mensch kann sich nicht immer
auf "Vater Staat" verlassen, argumentieren die
VersicherungsvertreterInnen. Ausserdem werden mit den Einnahmen der
Versicherung ausschliesslich Staatsanleihen gekauft, also kann das
gesparte Geld aller SparerInnen nur verloren gehen, wenn der Staat
pleite geht. Der Staat ist quasi zusaetzlich die Rueckversicherung des
Versicherungsunternehmens. Die Gleichung scheint einfach: Staat =
Staatsanleihen. Dass Staatsanleihen ihren Wert verlieren koennen, ohne
dass ein Staat pleite geht befindet sich ausserhalb der Denkweise der
Versicherung.

Ich gestehe ein, trotz mehrfacher Denkversuche ist es mir nicht
gelungen zu verstehen, warum die Steuergelder nicht mehr ausreichen,
eine Pensionssicherung zu gewaehren, wenn zeitgleich Steuergelder
nicht mehr eingehoben werden, sondern Geld zusaetzlich ausgegeben
wird, um private Pensionsvorsorgemodelle ueber grosse
Versicherungsgesellschaften abzuwickeln. Es ist mir auch nicht
gelungen nachzuvollziehen, dass "Vater Staat" zwar in Zukunft die
Pensionsversorgung nicht mehr sicherstellen koennen wird, man/frau
sich auf die oeffentliche Hand diesbezueglich nicht mehr verlassen
koennen wird, aber gleichzeitig das Versicherungsunternehmen eine
einzige Garantieerklaerung fuer das ausgegebene Geld praesentiert:
naemlich "Vater Staat": der Staat ist sehr verlaesslich, sagen die
privaten Unternehmen, aber auf den Staat kann ich mich nicht
verlassen, also sollte ich doch besser ein Unternehmen
zwischenschalten und dafuer weniger Steuern zahlen, die dann wieder
fehlen ...

Die VersicherungsvertreterInnen erzaehlen uns, wir sollten doch nicht
"dem Finanzminister Geld schenken", wenn wir es doch besser bei ihnen
veranlagen koennen, ich kann mich aber nicht erinnern, dem
Finanzminister jemals Geld geschenkt zu haben, ich weiss nur, dass
sich meine Existenzsicherung so wie seine, wenn auch in anderen
Ausmassen, aus der oeffentlichen Hand speist. Ein
Versicherungsvertreter hatte zu berichten, dass sogar ein Hofrat der
Landesregierung, der ohnehin schon uralt sei, sich fuer dieses Modell
entschieden haette, nur aus dem Blickwinkel heraus, deshalb weniger
Steuern zahlen zu muessen. Das ist schon ein interessanter Blickwinkel
fuer einen Menschen, der sein Gehalt ausschliesslich deshalb bezieht,
weil es Steuereinnahmen gibt.

Mehr Privat als Staat, aber der Staat garantiert: den herrschenden
Regierungen beliebt es, fuer jene Garantien abzugeben, die ohnehin
mehr Geld haben, als sie je ausgeben koennten. Waehrend erzaehlt wird,
dass fuer den Sozialbereich, fuer Bildung, Kultur, Zukunft,
Entwicklung schon seit langem keine Ressourcen mehr vorhanden sich,
werden gleichzeitig quasi ueber Nacht Milliarden von Euro sichtbar,
die in die Garantie der Vermoegen der Reichen gesteckt werden, um eine
"Bankenkrise" zu beruhigen.

Wer soll sich da jetzt beruhigen? Jene Menschen, die hierzulande an
und unter der Armutsgrenze leben? Diese werden nicht mit privaten
Pensionsvorsorgemodellen umworben. Die Entsolidarisierung der
Gesellschaft wird weiter vorangetrieben. Werden dann all jene selber
schuld sein, die nie genuegend Geld hatten, um ein Unternehmen zu
bemuehen, ihre Altersversorgung in Profite umzuwandeln, all jene
selber schuld sein, die sich grundsaetzlich gegen solche Modelle
entschieden haben und all jene selber schuld sein, die auf ein
Unternehmen gesetzt haben, dass es nicht mehr gibt (siehe
Versicherungsgesellschaften etwa in den USA)? Die Gesellschaft laeuft
Gefahr, sich einen weiteren Schritt vom Grundgedanken der sozial
gerechten Verteilung und Umverteilung der vorhandenen Mittel und
Ressourcen zu entfernen.
*rosalia krenn*


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