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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 2. September 2008; 15:00
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Brasilien:

> 25 Tote pro Woche durch Polizeigewalt

Gewaltakte der Polizei gehoeren zum Alltag in Rio de Janeiro. Jeden
Tag kommt es in den zahlreichen Armenvierteln der Touristenmetropole
zu Schiessereien zwischen Beamten und Kriminellen, zumeist mit
Todesopfern. Dabei handelt es sich angeblich um "Drogenhaendler", eine
juristische Untersuchung findet nicht statt.

Aufsehen erregte Anfang August die Erschiessung von zehn Menschen im
Vorort Duque de Caxias bei einem Einsatz der Militaerpolizei.
Ausloeser des Massakers soll ein gestohlener Bierlastwagen gewesen
sein, und wieder einmal waren alle Toten laut Polizeiangaben
"Kriminelle". Statistiken zufolge toetete die Polizei im Jahr 2007 im
Bundesstaat Rio de Janeiro jede Woche 25 Menschen, ein Durchschnitt,
der an die schlimmsten Gewaltwellen in den 1990er Jahren erinnert.
Sogar der UN-Sonderberichterstatter Philip Alston sah sich Ende
vergangenen Jahres gezwungen, die Zustaende mit harten Worten zu
kritisieren und prangerte an, dass mutmassliche Hinrichtungen seitens
Uniformierter als Akte der Notwehr gerechtfertigt wuerden.

Verantwortlich fuer die Zunahme der zivilen Opfer ist Gouverneur
Sergio Cabral, der in der Sicherheitspolitik auf eine harte Linie
setzt. Unterstuetzung erfaehrt er dabei nicht nur von seinem
politischen Verbuendeten, Praesident Inácio Lula da Silva, sondern
auch von grossen Teilen der Bevoelkerung aller Schichten, die darauf
hoffen, dass der grassierenden Kriminalitaet in der Stadt Einhalt
geboten wird. Menschenrechtsorganisationen wie Justiça Global hingegen
halten den eingeschlagenen Weg fuer fatal. Die Zahl der Opfer -
zumeist junge Maenner aus armen Stadtvierteln und selten weisser
Hautfarbe - steige stetig an, waehrend die Polizei mangels Ausbildung
und vernuenftiger Bezahlung weder in der Lage und oftmals auch nicht
willens sei, dem Verbrechen etwas entgegen zu setzen.

Das Gewaltproblem in Rio de Janeiro, wie in den meisten Grossstaedten
Brasiliens, geht weit ueber die reine Beschaffungskriminalitaet
hinaus. Die oft unzugaenglichen Favelas sind zu Bastionen von
miteinander rivalisierenden Banden geworden, die sich vor allem mit
Drogenhandel bereichern und bis hin zu einer eigenen Justiz
parallelstaatliche Strukturen aufgebaut haben. Hinzu kommen seit
einigen Jahren sogenannte Milizen, die aus ehemaligen oder aktiven
Polizeibeamten, Feuerwehrleuten und zwielichtigen Politikern bestehen.
Diese Milizen vertreiben die Drogenbanden, um ihr eigenes mafioeses
Regime von Schutzgeldzahlung und Gewaltandrohung zu errichten.

Das Ausmass des Problems wird deutlich, wenn man sich die
Verstrickungen zwischen den Banden und der Polizei vor Augen haelt.
Waehrend sich die verschiedenen Drogenbanden-Fraktionen und die
Milizen regelmaessig wie Buergerkriegsparteien mit schweren Waffen
bekaempfen, steckt die Polizei bzw. deren unterschiedliche Einheiten
mit allen unter einer Decke. Die engen Draehte der Korporationen zu
Milizen und amtierenden korrupten Politikern sind oftmals aktenkundig,
ohne dass die geschwaechte Justiz -von einigen spektakulaeren
Festnahmeaktionen abgesehen - dagegen vorgeht. Zugleich zweifelt kaum
jemand daran, dass insbesondere die Militaerpolizei die Drogenbanden
gewaehren laesst, sofern sie ihren nicht unerheblichen Anteil an den
illegalen Geschaeften puenktlich ausgezahlt bekommen.

Juengstes Beispiel solcher Verstrickungen war Mitte Juni die Festnahme
von drei Jugendlichen in einer Favela im Zentrum von Rio de Janeiro
durch Angehoerige der Armee. Die Uniformierten lieferten die drei
einer rivalisierenden Drogenbande aus, die sie bestialisch ermordete.
(Andreas Behn , npl/poonal)



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