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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 24. Juli 2008; 01:00
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2.EXTRABLATT zum Linksprojekt
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Linksprojekt:

> Unterschied zur KPOe?

Erklaerung der Gruppe "Klassenkampf" zum Antreten der "Linke" bei der
Nationalratswahl 2008


Ueberrumpelt vom fruehzeitigen Neuwahltermin beschloss das "Linksprojekt" am
19. Juli 08 voellig ueberstuerzt und ohne eine gemeinsame politische
Grundlage als Wahl werbendes Buendnis mit dem Namen "Linke" zu kandidieren.

Bedauerlicher Weise haben auch zwei Gruppen, die sich auf den Trotzkismus
berufen, die LSR und die SLP, dieses Vorgehen nicht nur begruesst, sondern
vehement vertreten. Es gibt bis jetzt weder ein an ein Wahlprogramm
erinnerndes Papier, geschweige denn ein Parteiprogramm. Letzteres sei auch
nicht noetig, da sich dieses Projekt nicht als neue Partei, sondern vorerst
als ein Wahlbuendnis verstehe - hoert man. Andere wiederum meinen, dass die
Linke eine ganz neue, ganz andere Partei sein werde. Nicht einmal ueber
diesen Punkt einig, bittet die SLP trotzdem schon seit Montag um
Unterstuetzungserklaerungen fuer ein Projekt, von dem niemand sagen kann,
fuer was genau es eigentlich stehen wird!

Die SLP beharrt nicht auf einem sozialistischen Programm, wuenscht sich aber
eines. Manche wollen den Neoliberalismus bekaempfen. Die LSR will die
Ueberwindung des Kapitalismus und die Enteignung der "oberen 10.000". Wieder
andere wollen von Woertern wie Revolution nichts hoeren, denn dieses wuerde
den Leuten Angst machen. Waehrend eine VertreterIn der Liste "Linke" meint,
dass es nicht stimmen wuerde, dass es kein Programm gaebe und dabei auf das
Programm der Europaeischen Linkspartei (?) verweist, sagt ein anderer
Anhaenger dieses Projekts, dass es sich eben um ein offenes Projekt, um
einen offenen Prozess, ohne fertiges Programm handele. Es sei ein Versuch,
wenn dieser misslinge, gaebe es ohnehin kaum negative Konsequenzen (sic!).
Prinzipiell existiere eine "Linke" und gleichzeitig dazu soziale
Ungerechtigkeit. Allein aus dieser Tatsache heraus haette die "Linke" ein
Programm.

Die Frage, ob die "Linke" Oesterreich weit zur Wahl antreten wird oder nur
in Wien, ist auch noch nicht geklaert. Ebenso unklar ist die Finanzierung
des Wahlkampfes. Auch gibt es noch keine SpitzenkandidatIn. Eigentlich gibt
es bis jetzt nur einen Namen, den Wunsch zu kandidieren und das "Wissen"
darueber, dass "Linke" sowieso ein Programm haetten. Ausserdem koenne man
das Programm einer anderen "linken" Partei abschreiben und etwas
akzentuieren. Am Besten das einer Partei bei der man schon am Namen erkennen
kann, dass sie "links" ist, nicht wahr? Fuer die, die das immer noch nicht
ueberzeugt, wird ein "ganz konkretes Themenwahlprogramm" in den Raum
gestellt. Dieses liegt bislang zwar noch nicht so konkret vor, aber mit ein
bisschen Vertrauen und einer Prise Zuversicht duerfen wir seit gestern
Unterstuetzungerklaerungen unterschreiben...!?

Fuer Diskussionsbedarf und Zuendstoff bei internen Auseinandersetzungen ist
also gesorgt und es ist ein offenes Geheimnis, dass hier Leute zusammen
arbeiten "wollen", die sich bereits jahrelang befehden. Unter anderen hat
auch die Kommunistische Initiative massgeblich fuer die Konferenz am 19.
Juli mobilisiert und wird sicher versuchen, ihr traditionalistisch-
stalinistisches Programm in die "Linke" einfliessen zu lassen. Zusaetzlich
muss festgehalten werden, dass wenn sich auch am 19. Juli ein Vertreter von
ATIGF Tirol und ein Sprecher der SJ Schwechat positiv zum Wahlbuendnis
aeusserten, bei beiden bundesweiten Konferenzen des "Linksprojekts" ein
breiteres Interesse seitens organisierter KollegInnen aus den
Gewerkschaften, der Sozialdemokratie und dem Bereich der MigrantInnen nicht
erkennbar wurde. Eine Situation wie in Deutschland, wo es vor der Gruendung
der WASG sichtbare Tendenzen zur Abspaltung von der Sozialdemokratie gab,
ist nicht in Sicht.

Wir halten eine Kandidatur unter solchen Bedingungen fuer aberwitzig,
verantwortungslos und auch fuer gefaehrlich. Anstatt sich Zeit zu nehmen ein
Konzept fuer ein gemeinsames Auftreten in Kampagnen (z. B. gegen die
Teuerungen) zu entwickeln, fantasieren manche von einem Fenster, das sich
jetzt oeffne, aber bald wieder schliessen wuerde und treiben dieses Projekt
in eine Wahl ohne dafuer vorbereitet zu sein. Gerade die erfahrenen Kader
verschiedener Organisationen haetten ihrer Pflicht nachkommen und vor diesem
unsinnigen Voluntarismus warnen muessen. Korrekter Weise sei hier angemerkt,
dass es solch verantwortungsbewusste KollegInnen durchaus gab. Diese
unterlagen aber einer euphorischen Stimmung, welche bewusst von Kadern der
SLP und LSR gefoerdert wurde. Allerdings waere es auch falsch zu behaupten,
dass die beiden genannten Gruppen das Ergebnis durch numerische Uebermacht
erzwungen haetten. Die Bereitschaft fuer eine kopflose Kandidatur war im
ueberwiegenden Ausmass vorhanden.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich dieses Buendnis noch vor der Wahl
zerstreiten wird, ist bei der Fuelle an offenen Fragen nicht gering! Jetzt
eine Kandidatur hinaus zu posaunen und noch vor der Wahl zu scheitern,
wuerde Spott und Haeme der rechtsextremen FPOe, der politisch durch und
durch verkommenen sozialdemokratischen Spitzen in Partei und Gewerkschaft
provozieren und - schlimmer noch - die "Linke" in den Augen vieler
Lohnabhaengigen, MigrantInnen und Jugendlichen laecherlich machen. Eine
weitere Zusammenarbeit in Kampagnen nach der Wahl wuerde somit erschwert
oder vielleicht ganz und gar verunmoeglicht werden. Wir sehen die Gefahr,
dass viele Menschen, die eine Alternative zum kapitalistischen System und
seiner Politik suchen, in eine neue reformistische Sackgasse gefuehrt
werden. Vor allem stellt sich eine Frage: Wodurch unterscheidet sich die
"Linke" eigentlich von der Kandidatur der KPOe? Etwa nur dadurch, dass
letztere wenigstens ueber ein (falsches) reformistisches Programm verfuegt?

Wir lehnen die Kandidatur der Liste "Linke" unter diesen Voraussetzungen ab
und warnen davor Illusionen in ein solches Projekt zu foerdern. ###

Homepage: http://klassenkampf.net.tf

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