**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 10. Juni 2008; 16:54
**********************************************************

Das Vorletzte:

> Toleranz von Dollfuss lernen

Ueber den schlampigen Umgang der OeVP mit dem Faschismus.

Es hat mich, wie man so schoen sagt, gerissen, als ich die
Presseaussendung des niederoesterreichischen Bauernbunds gelesen habe.
"Dollfuss-Museum in Texing feiert zehnjaehriges Bestehen" kuendigten
die politischen Nachfolger des faschistischen Bundeskanzlers in der
Ueberschrift hoerbar stolz an. Im ersten Absatz heisst es woertlich:
"In der niederoesterreichischen Gemeinde Texingtal wurde am Sonntag
das zehnjaehrige Bestehen des "Bundeskanzler Dr. Engelbert
Dollfuss-Museums" gefeiert. Im Museum ist in fuenf Raeumen der
Lebenslauf von Dollfuss als Student, Soldat und seine Rolle als
Staendestaatkanzler von 1932 bis zu seiner Ermordung durch die
Nationalsozialisten 1934 dokumentiert. Ebenso wird sein historisches
Wirken als anerkannter Agrarfachmann und Landwirtschaftsminister
neutral beleuchtet." Einer Kollegin, der ich den Text gezeigt habe,
hat es "die Sprache verschlagen". Der niederoesterreichische
Landtagspraesident Hans Penz, seines Zeichens auch Bauernbunddirektor,
setzt in der wuerdevollen Aussendung noch eins drauf: "Das
Dollfuss-Museum ist zu einer Staette der Begegnung, des Dialogs und
der Lehre geworden", betont NOe Landtagspraesident und
Bauernbunddirektor Hans Penz. Das Museum mache Geschichte erlebbar und
sei "ein Symbol dafuer, dass Probleme der Gegenwart und der Zukunft
nur im Sinne des Miteinanders und der Toleranz loesbar sind."

Von Dollfuss Miteinander und Toleranz lernen? Nach dem Motto: "Willst
du nicht mein Bruder sein, schlag ich dir den Schaedel ein", scheint
das ein zukunftsweisendes Konzept zu sein. Passt eigentlich zur von
der OeVP propagierten "Familie Niederoesterreich" und ihren
Konfliktloesungsmethoden. Irgendwie muss ich in diesem Zusammenhang
immer an den Fall Josef F. denken, auch wenn das jetzt eher ein
Nebenaspekt ist.

Es ist eine Eigentuemlichkeit vor allem der niederoesterreichischen
Schwarzen, ihr Vorbild in Engelbert Dollfuss zu sehen. Vor wenigen
Monaten etwa hat der Dritte Nationalratspraesident Michael
Spindelegger in einem Gastkommentar im "Falter" eine Dollfuss-Apologie
in einer Dreistigkeit geschrieben, die sich der dieses Herrn Penz als
wuerdig erweist. Dollfuss sei ja gar kein Faschist gewesen, fand
Spindelegger damals und machte im selben Atemzug Karl Renner zum
Krypto-Nazi. Ein paar kleine Fehler habe schliesslich jeder, schrieb
der niederoesterreichische Spitzenpolitiker sinngemaess. Der Sturm der
Entruestung blieb weitgehend aus. Verharmlosung des Austrofaschismus
gilt hierzulande als salonfaehig. Das ist nicht auf die
niederoesterreichische OeVP beschraenkt: Man denke an die Worte des
ehemaligen Nationalratspraesidenten Andreas Khol, wonach Dollfuss ein
Patriot gewesen sei, aber zu wenig Demokrat. Letzteres sogleich mit
den Worten entschuldigend, damals sei eben nicht die Zeit der
Demokratie gewesen. Also im Grunde genommen eh ein leiwander Kerl, der
Dollfuss, der den oesterreichischen Nationalrat illegal aufloeste,
Parlamentarier verhaften liess, aus ideologischen Gruenden einen
Buergerkrieg vom Zaun brach, die Todesstrafe wieder einfuehrte und
schwer verwundete Arbeiterfuehrer hinrichten liess. Und fuer die
katholisch gesinnten Oesterreicher wird er zum Maertyrer
hochstilisiert, gar zum ersten Opfer des Nationalsozialsmus. Das macht
ihn in den Augen der Kerzlschlicker unangreifbar. Ich frage mich, wann
die OeVP plant, einen Seligsprechungsprozess fuer den Faschisten
Dollfuss einzuleiten. Das Dollfuss-Museum wird von der noe.
Volkskultur mehr oder weniger offen als Wallfahrtsort beworben (die
naechst gelegenen Ausflugsziele sind laut Homepage alle Kirchen oder
Kapellen). Tausende pilgern jedes Jahr nach Texing, um die Totenmaske
des verehrten Maertyrers zu sehen. Es wird sich sicher ein Eifriger
finden, dessen Huehneraugen nach Gebeten an den "deutschen"
(Staendestaat-Propaganda) Kanzler geheilt wurden. Es ist kaum
vorstellbar, dass die Kirche Einwaende haette. Sie hat den
grenzdebilen Dilettanten Karl Habsburg selig gesprochen. Dass das
Dollfuss-Portraet im OeVP-Parlamentsklub links neben dem Kreuz haengt,
kann als gutes Omen gewertet werden. Oder als Zeichen mangelnder
Distanzierung. Die OeVP weigert sich vehement, es abzuhaengen.

Selbst wenn Penz oder Spindelegger Dollfuss nicht seligsprechen lassen
wollen: Inwieweit sehen sie ihn als Vorbild fuer tagespolitisches
Handeln? Staendig schwadronieren die Schwarzen in Niederoesterreich
von "Landesinteressen", "Schulterschluessen" etc. , vorzugsweise wenn
es darum geht, politisch Andersdenkende einschuechtern zu wollen. Und
wenn die Roten einmal nicht so brav sind, droht der Landeshauptmann
selbst, ihnen Kompetenzen zu entziehen. Wennst net lieb bist, darfst
halt nix mehr machen. Eine sehr demokratische Einstellung. Da wirkt
die Bauernbund-Presseaussendung nicht wie eine unertraeglich
schlampige Entgleisung sondern fast wie eine gefaehrliche Drohung.
*Viktor Englisch*


***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin