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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 27. Mai 2008; 15:21
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Debatten:

> Billiger durch Privatisierung

Leserbrief zu "Bahnfahren 2008" in akin 14/08 (akin-pd 20.5.2008)

Na klar, es musste sein, irgendwann musste es kommen: Bahnfahren war
frueher besser und was ist dafuer der Grund? Weil es kein Rauchverbot
gab. Die Absurditaet, dass die grosse (linke) Frage heutzutage sich an
der Frage "Rauchverbot ja oder nein" erschoepft, ist kaum noch zu
ueberbieten. Gegen ein Rauchverbot in geschlossenen Raeumen zu sein,
hat meiner Ansicht nach mit "links" gar nichts zu tun. Es ist einfach
nur die persoenliche Meinung eines Rauchers, der nicht verstehen kann,
dass er Gift in die Gegend blaest und damit seine Mitmenschen
belaestigt.

So und jetzt ein wenig zum Bahnfahren: Warum ist Fliegen billiger als
Bahnfahren? Richtig, es gibt nur einen Grund dafuer: Weil Fliegen
privatisiert ist! Die Bahn ist hoch defizitaer, fuerchterlich
buerokratisch und laengst muesste die OeBB (die OeBBler gehoerten
IMMER zu den Bestverdienern in Oesterreich!!!) reformiert werden. Ich
moechte nicht wissen, wieviel Kohle die Bahn-Manager einstecken
(wofuer eigentlich???)!

Jetzt denken wir folgendes durch: Man kann in rund 70 Minuten nach
Venedig fliegen, wenn wir die Zufahrtszeiten mitrechnen, kommen wir
auf rund 3,5 Stunden Reisezeit. Man zahlt dafuer rund 100 Euro im
Durchschnitt. In Frankreich, Deutschland und Spanien fahren die Zuege
mit 250 km/h. Theoretisch koennte man von Wien nach Venedig mit der
Bahn in 3 Stunden sein. Theoretisch! Es sollte bekannt sein, dass
allein ueber den Semmering-Basistunnel seit MINDESTENS 20 Jahren
gestritten wird. Das ist absurd! Ein Linker, noch dazu einer, dem die
Umwelt ein Anliegen ist, sollte daraueber den Kopf schuetteln, nicht
ueber die Frage, ob Rauchverbot herrscht.

In den USA, wo die Bahn teilprivatisiert ist, passiert 60% des
Gueterverkehrs auf der Schiene. Hier, in Oesterreich, sind es nicht
einmal 10%. Und das trotz der Diskussionen ueber den Schwerverkehr
schon vor mehr als 15 Jahren im Zuge der EU-Beitrittsverhandlungen.
Die USA sind beim Guetertransport wesentlich umweltfreundlicher als
Oesterreich!

PS: Es gibt jede Menge Nostalgie-Angebote! Ich empfehle den Kauf einer
Nostalgie-Zugsfahrt (es gibt sogar den Orientexpress). Ich wuerde aber
selbst sehr gerne die Moeglichkeit haben, fuer rund 40 Euro in 3
Stunden nach Venedig und fuer 140 Euro in 11 Stunden nach Griechenland
reisen zu koennen. Thomas Herzel

***

Reaktionen aus der Redaktion:

In den USA fahren vielleicht mehr Gueter auf der privaten Bahn, aber
prozentuell wesentlich weniger Menschen als in Europa. Es ist einfach
zu teuer und es gibt viel zu wenig Linien. Und ueber den Zustand der
privaten Bahn in England wollen wir nicht weiter reden... Siehe "The
Navigators", ein Film, der in Deinem Lieblingssender arte (nicht
privat, sonst gaeb es ihn nicht mehr) bereits gelaufen ist.
*Ilse Grusch*

*

Ja, lieber Thomas, ich gebe zu, das mit dem Rauchen aergert mich am
meisten. Ich will die Nichtraucher ja auch gar nicht einnebeln. Wenn
die OeBB aber anstatt bis zu drei grossteils leerstehenden Erste
Klasse-Waggons pro Zug zumindest einen Raucherwaggon fuehrte, waere
das alles kein Problem - Mitreisende wuerden von uns gar nichts
bemerken.

Aber ich betrachte das Rauchverbot eben nur als einen Teil eines
gesellschaftlichen Trends, der uns erklaert, dass alles "sauber" sein
muss, keimfrei und ohne jede Gemuetlichkeit. Ich haette auch noch den
Trend zum Einbau von Ueberwachungskameras in die Zuege erwaehnen
koennen, die uns allen das Gefuehl der Ueberwachtheit geben sollen -
es geht mir um die Verdraengung alles Menschlichen, Sinnlichen und
Lebendigen aus unserem Alltag.

Und was "links" angeht: Die Propaganda fuer Privatisierungen ist
sicher nicht links, wenn Du das glaubst, haengst Du wirklich der
falschen politischen Richtung an.

Abgesehen davon: Billiger und schneller wird die Bahn nicht mit der
Privatisierung. Frueher waren die OeBB immer puenktlich und sollte
wirklich mal ein technisches Gebrechen passiert sein, wurde alles
gemacht, damit der Weitertransport so komfortabel wie nur irgend
moeglich passiert - das ist laengst nicht mehr der Fall wie auch schon
diverse buergerlichen Medien monierten. So ein Zufall aber auch, dass
diese Verschlechterung mit der Herausloesung der OeBB aus der
staatlichen Verwaltung, der Filetierung in Teilbetriebe, der
Einstellung von unrentablen Strecken sowie massenhaftem Personalabbau
einherging - Massnahmen also, die die OeBB fuer die Privatisierung
vorbereiten sollen.

Die britische Eisenbahn ist da ja schon viel weiter, weil wirklich
grandios privatisiert. Frueher war deren Puenktlichkeit beinahe
sprichwoertlich, heute ist es deren Unpuenktlichkeit. Aber selbst wenn
sie einmal puenktlich sein sollte, ist sie nicht besser. Die
schnellste Verbindung beispielsweise zwischen London und Edinburgh,
also zwei wichtigen Staedten, wird auch nur mit einer
Durchschnittsgeschwindigkeit von 150 km/h realisiert, dafuer zahlt man
aber fuer die 650 km umgerechnet 127 Euro - und dieses Billigstticket
ist nur auf den wenigsten Zuegen verfuegbar.

Technisch ist es sicher moeglich, die Strecken so auszubauen, dass man
von Wien nach Venedig nur 3 Stunden braucht. Das haette ich auch
gerne. Damit das dann aber nur 40 Euro kostet, ja, dafuer brauchst Du
dann in Oesterreich und Italien staatliche Preiskommissionen, deren
Aufgabe es ist, die Bahn zu foerdern - auf private Betreiber brauchst
Du da nicht zu hoffen.

So und jetzt warte ich noch darauf, dass Du mir nachweist, dass die
Gehaelter in den Vorstandsetagen bei den britischen privatisierten
Eisenbahngesellschaften deutlich geringer sind als bei den OeBB.
*Bernhard Redl*


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