**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 20. Mai 2008; 19:01
**********************************************************

Debatten:

> Die KPOe und der Patriotismus

Die Kommunistische Partei Oesterreichs hat wieder einmal ein Problem
mit dem letzten Teil ihres Namens.

Die KPOe und der Patriotismus -- ein ewiges Thema. Zum einen stellt
der Oesterreich-Patriotismus einen klaren Widerspruch zum
Deutschnationalismus dar, ist damit also speziell in der
Nachkriegszeit eine populaere Chiffre fuer Antifaschismus gewesen. Zum
zweiten verstehen Deutschnationale bis heute die "oesterreichische
Nation" als "stalinistische Erfindung". Tatsaechlich duerfte bei der
Genese dieses Begriffs der KPOe-Ideologe Alfred Klahr Pate gestanden
sein, der schon zu Zeiten des Austrofaschismus so ziemlich als Erster
diese Vorstellung postulierte -- eine Vorstellung, die bei den
Staatsvertragsverhandlungen sehr nuetzlich war. Zum dritten berief
sich die KPOe immer wieder auf diesen Umstand, um zu betonen, dass sie
die erste oesterreich-patriotische Partei gewesen sei -- zu Recht,
denn Klahrs Thesen entstanden zu einer Zeit, wo die Klerikalfaschisten
unter ihrem Willen zu "Oesterreich" immer noch eine Restauration des
alten Kaiserreichs verstanden, waehrend alle anderen Parteien
Deutsch-Oesterreich als Teil eines gemeinsamen Staates des gesamten
deutschsprachigen Raumes sehen wollten.

Allerdings vertraegt sich das alles nur schwer mit
Internationalismus -- wenn man die Grenzen zwischen oben und unten
sucht und nicht zwischen den Voelkern, tut man sich schwer mit dem
Hochlebenlassen einer buergerlichen, ausgrenzenden Staatsnation.

Die EU verkompliziert das Ganze noch ein wenig, denn zu den Optionen
Oesterreich-Patriotismus und Internationalismus kommt auch noch
Pan-Europaeismus. Wer "Europa" ablehnt, kommt schnell in den Geruch
des Oesterreich-Patriotismus; wer "Oesterreich" ablehnt, dem wird
schnell EU-Opportunismus vorgeworfen -- in der KPOe ist bis heute
keine einheitliche Linie zu verorten. Damit ergibt sich aber ein
willkommenes Debattenfeld fuer die schwelenden Streitigkeiten
innerhalb der KPOe, wo die Grenze bekanntermassen am Semmering
verlaeuft. Hier zwei aktuelle Beitraege dazu, einer von der Homepage
der Bundes-KPOe (1) und eine Replik darauf von der steirischen
Landespartei.
-br-

***

> Die Stunde der Patrioten

Das Ueble am Patriotismus, sagte Karl Kraus, sei nicht der Hass auf
die anderen Nationen, sonder die uebertriebene Liebe zur Eigenen. Was
sich derzeit an degoutanten Patriotismus hierzulande abspielt, das
haette selbst Kraus' Marstheater "Die letzten Tage der Menschheit" alt
aussehen lassen. Und die Alice Schalek als harmloses Lehrmaedchen
gegenueber einem Dichand, Fellner oder Fleischhacker.

Es ist erbaermlich, wenn der Verkehrsminister Feymann anlaesslich der
Fussball-EM einen ministeriellen Erlass verabschiedet, der das
rotweissrote Beflaggen von Fahrzeugen straffrei stellte. Er tat es im
Wissen, dass es, haette er es nicht getan, auch nichts genuetzt
haette. Also schwamm er mit, auf der patriotischen Jauchewelle. Und
den Subalternen, die mit der Beflaggung ihrer Opel Astras und VW
Golfs, in welchen sie gewoehnlich Pizzas ausfahren, zeigen, dass sich
mit der Macht identifizieren, die sie taeglich pruegelt. Sie duerfen
Staatskarosse spielen, und feiern die Freiheit, nicht aufzubegehren,
wenn sie die Kulturindustrie wieder einmal um das betruegt, was sie
ihnen eigentlich versprochen haette. Die Hicke-Hacke Songs, die sie
eigentlich zur Raserei bringen muessten, macht sie Schunkeln.
Schunkeln auf eine aggressive Weise, die alle in Gefahr bringt, die
nicht mitschunkeln; die jene, die sich dem Spektakel verweigern, zum
Angriffsziel eines aufgebrachten Mobs nationaler Glueckseeligkeit
macht. Gleichzeitig ruestet der Polizeiapparat auf, der die Losung
ausgegeben hat, zu deeskalieren. Jene, die vielleicht den
patriotischen Aufmarsch als das kenntlich machen, was er ist, naemlich
ein ueberheblicher arroganter Furor, der ausschliesslich der
Herrschaft dient, duerften ohnehin bereits in Praeventivhaft sein -
das neue Sicherheitspolizeigesetz, das anlaesslich der EM beschlossen
worden ist, macht es moeglich.

Die Fussball-EM wird also weder eine neue U-Bahn, noch Voelker
verbindenden Sport bringen, sondern ausschliesslich Ausschluesse
erzeugen, die gegen jene gerichtet sind, die sich nicht mit dem
Spektakel, also mit den Herrschenden identifizieren. Der Nationalismus
und der Patriotismus sind die geeigneten Werkzeuge dafuer und die sind
in Oesterreich stets besonders blutig eingesetzt worden.
*Alois Franz*

***

> Ein Schmock, der auf radikal macht

Im Leitartikel auf der Startseite der Bundes-KPOe wettert ein Alois
Franz (Meines Wissens handelt es sich dabei um Franz Fend aus Linz)
gegen den "degoutanten Patriotismus" und gegen die Fahne und das
Wappen Oesterreichs (die einzige weltweit, auf der noch Hammer und
Sichel, sowie die gesprengten Ketten als Zeichen des Sieges ueber den
Faschismus zu sehen sind).

Als steirischer KPOe-Vorsitzender distanziere ich mich auf das
Schaerfste von diesem pseudolinken Feuilletonismus eines Schmock, der
auf radikal macht.

Wenn man das Gegenteil von etwas Falschem propagiert, dann ist das
nicht immer das Richtige. Eine Grundlage unserer marxistischen
politischen Haltung ist die Dialektik. Die Dialektik von Nationalem
und Internationalem, von Patriotismus und Internationalismus muss
unter den heutigen Bedingungen sicherlich auf eine neue Weise
begriffen und analysiert werden. Wir muessen aber lernen, sie zu
handhaben.

Wenn uns dies nicht gelingt, koennen wir keine stabilen Kontakte mit
den Ausgebeuteten und Unterdrueckten, mit der Mehrheit der
oesterreichischen Bevoelkerung herstellen.

Die steirische KPOe hat an der wuerdigen Kundgebung der KPOe Wien zum
70. Jahrestag der Annexion Oesterreichs teilgenommen. Wir schaetzen im
Nachhinein ein, dass dies richtig war, weil es Leistungen in der
Geschichte unserer Bewegung gibt, die wichtiger sind als unsere
aktuellen Differenzen und die Auseinanderentwicklung der letzten
Jahre. Alois Franz stellt auch das in Frage.

Deshalb fuehre ich noch einmal an, was Ernest Kaltenegger in seiner
Rede am 15. Maerz in Wien gesagt hat:

"Lassen wir nicht zu, dass rechte Pharisaeer und Scharlatane die
Gefuehle und Sehnsuechte vieler Menschen missbrauchen koennen.
Begriffe wie Heimat, Nation oder Sicherheit sind bei einigen von uns
verpoent, weil sie damit braunen Sumpf und Verzopftheit verbinden. Ich
halte dies fuer ueberheblich und kurzsichtig. Wir duerfen diese Werte
nicht einfach den Ewiggestrigen ueberlassen.

Internationalismus und Patriotismus sind nicht unversoehnliche
Gegensaetze, wie man es manchmal darstellen moechte. Sind im Kampf
gegen den Nationalsozialismus nicht gerade gluehende
Internationalistinnen und Internationalisten fuer Oesterreich
gestorben? War es nicht die KPOe, die 1938 als einzige Partei das
oesterreichische Volk aufrief, fuer ein freies und unabhaengiges
Oesterreich zu kaempfen? Selbst in den Stellungen der Internationalen
Brigaden vor Madrid oder in Katalonien wurden gelegentlich auch alte
oesterreichische Volkslieder gesungen.

Heute, 70 Jahre nach der Okkupation soll an die Verbrechen erinnert
werden, die der Machtergreifung der Nazis folgten. Dies ist auch
Anlass daran zu erinnern, dass die Ultrarechten nie fuer Heimat,
Nation oder Sicherheit standen - im Gegenteil: Sie waren stets deren
Totengraeber!"

Wer nur mehr Europa sieht und vergisst, dass unser Kampfboden noch
immer Betrieb, Gemeinde und Oesterreich sind, der geht politisch ins
Nichts.
*Franz Stephan Parteder*

***

(1)
http://www.kpoe.at/index.php?id=23&tx_ttnews[tt_news]=874&tx_ttnews[backPid]=2&cHash=d4441dff5d


***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin