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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 15. April 2008; 18:24
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International Squatter Days:

> Oesterreich war besetzt

Es gibt sie noch, die Hausbesetzungsszene in Oesterreich. Oder besser:
Es gibt sie wieder. Nachdem letztes Jahr die Gruppe Pankahyttn in Wien
solange den Haeuserleerstand mittels Besetzung dokumentiert hatte,
dass von seiten der Stadt irgendwann einmal ein Einlenken
unausweichlich geworden war und sich in Graz eine aehnlich laestige
Gruppe formiert hat, ist klar, dass da eine neue Bewegung im Entstehen
ist. Der Grund dafuer ist eher ein trauriger: Die Kommerzialisierung
und der "Sauberkeits"wahn vertragen einfach keine Menschen, die am
oeffentlichen Leben teilnehmen wollen ohne konsumieren und sich
anpassen zu muessen. Da kommt dann sehr rasch irgendein Wachdienst
oder die Polizei -- denn unsere Staedte muessen alle wie Villach
werden: sauber, adrett und nett, so als haetten die Strassenkehrer die
Stadt nicht mit dem Besen gereinigt, sondern mit der Zunge
saubergeleckt. Selbstbestimmtes Leben ohne grosse finanzielle Mittel,
Freiraeume ohne Ueberwachung sowie Bier um 4 Euro, autonome Zentren
also sind da in unserer vergartenzwergten Gesellschaft sowieso nicht
drinnen. Zumindest freiwillig laesst das Establishment das nicht zu.

Irgendwann einmal dann reicht das vielen unangepassten Menschen,
speziell jungen, aber eben nicht nur jungen, die auch einen Platz fuer
ihre kulturellen Beduerfnisse brauchen.

Dennoch war es alles andere als selbstverstaendlich, auf welche
Resonanz der Aufruf zu den International Sqatter Days in der
Alpenrepublik fuehrte. Zumindest in Wien, Linz, Graz, Innsbruck wurden
Haeuser besetzt und Demos organisiert und in Salzburg wurde ein
spezielles Haus besetzt -- naemlich das Rathaus (siehe Extrabericht im
heutigen akin-pd). Der Erfolg dieser kulturellen Bemuehungen trat zwar
kaum unmittelbar ein, doch der Druck waechst.

Wien

Konkret von Delogierung bedroht ist in Wien wieder einmal die
Wagenburg (s.a. akin 10/08). Die Gruppe besetzte am Freitag mit ihren
Waegen einen Platz auf dem Arsenalgelaende beim Suedbahnhof und
begruesste dort gleich als Gaeste 200 Leute einer Freiraumdemo, die
den langen Weg vom Stephansplatz gekommen war. Die Nacht ueber
wurde -- unter den skeptischen Blicken der Polizei, die sich aber bis
auf ein paar kleinere Stoeraktionen zurueckhielt -- gefeiert. Denn
nach laengeren Verhandlungen mit Polizei und Grundstueckseignerin (der
Telekom) gewaehrten diese einen Aufenthalt bis 13 Uhr des naechsten
Tags -- dann wuerde geraeumt. Die Wagenplatz-Leute hielten sich daran,
luden fuer 12 Uhr mittags noch zu einer Pressekonferenz und fuhren
dann zurueck zu ihrem bisherigen Platz, den sie allerdings
amtlicherseits auch bis zum 18.April geraeumt haben muessen. Auf der
Fahrt dorthin kam es aber zum ueblichen Apres-Demo, denn die Polizei
stoppte den Konvoi und begann mit Fahrzeugkontrollen. Einem
Alkoholisierten wurde der Fuehrerschein abgenommen -- kleiner
Schoenheitsfehler dabei: Laut Augenzeugen war er nur Beifahrer
gewesen.

Am Samstag nachmittag sahen sich die Wiener Linien mit einer
ausgelassenen "Bim-Party" konfrontiert und von dieser ein wenig
ueberfordert, waehrend am Abend das Haus in der Spitalgasse 11 besetzt
wurde. Vis-a-vis vom alten AKH gelegen ist dies ein ehemaliges
Buerogebaeude, in dem frueher unter anderem das
Kriseninterventionszentrum untergebracht war. Die Besetzer konnten
dort einigermassen friedlich uebernachten resp. feiern.

Auch am naechsten Tag hielt sich die Polizei einstweilen zurueck --
rund 200 Menschen in und um das Haus beduerfen doch einer wohl geplant
sein wollenden Betreuung. Doch am Nachmittag schlaegt der Farbton der
Szenerie immer mehr in Polizeiblau um. Als der erste Ambulanzwagen
auftaucht und in Warteposition geht, wird klar, dass es nicht mehr
lange dauern kann und dass eine eher ruppige Raeumung ins Haus steht.

Um 18.30 sind 23 Polizeiwaegen vor Ort, die Strasse wird fuer den
Verkehr gesperrt. Um 19 Uhr setzen die WEGA-Beamten ihre Helme auf und
der Raeumungsbefehl wird verkuendet. Es folgt das uebliche Gepruegel
und ein paar Polizeihunde duerfen da natuerlich auch nicht fehlen und
selbst ein Polizeihubschrauber ist im Einsatz, um etwaige Besetzer auf
dem Dach zu orten. Auf der Strasse, wo mittlerweile auch wieder mehr
Unterstuetzer eingetroffen sind, geraten diese gleich einmal in einen
Polizeikessel. Es kommt zu mehreren kurzfristigen Festnahmen, ein Mann
wird gefesselt und auf die Wachstube gebracht. Doch gegen 21 Uhr sind
immer noch 70 Leute im Haus. Erst um 23 Uhr ist das Haus geraeumt, die
Rechtshilfe verzeichnete 125 Identitaetsfeststellungen.

Dennoch bewegt sich alsbald eine Solidemo zur Wachstube in der
Fuhrmanngasse. 30 Leute harren davor aus, bis kurz vor 2 Uhr morgens
der Festgenommene freigelassen wird.

Graz

Dass in Wien Sozial- und Kulturpolitik abseits der Rathauslinie immer
noch hauptsaechlich in das Ressort der WEGA fallen ist ja bekannt --
in der Bundeshauptstadt gilt immer noch das Prinzip: "im Keim
ersticken". In Graz musste man in letzter Zeit zwar auch haeufiger
Raeumungen hinnehmen, doch die jetzige Besetzung hat gute Chancen,
erfolgreich zu bleiben. Dort wurde am Freitag das recht zentral
gelegene Haus in der Annenstrasse 3 besetzt und auf den Namen "Projekt
A-Z" getauft. Obwohl die Polizei in einer Vorahnung alle ihr bekannten
potentiellen Besetzungsziele bewachte, gelangte doch eine erste
30-koepfige Gruppe in das Haus. Sie beruft sich auf das schwarz-gruene
Koalitionsabkommen, wo die "Schaffung eines offenen, selbstverwalteten
Kulturzentrums" sowie "Offensive Stadtteilentwicklungspolitik"
festgeschrieben sind -- wenn auch die Rathausoebersten darunter wohl
etwas anderes verstehen duerften.

Das Haus gehoert einer Immobilienfirma, die Stadt hat daraufhin der
Firma und den Besetzern Gespraeche angeboten. Waehrend in Wien die
Polizei schon pruegelte, beruhigte sich die Situation in Graz
zunehmend und so konnte man sich dort bereits um Workshops zu den
Themen Straf- und Verwaltungsrecht, Erste Hilfe und Klimawandel
kuemmern und fuer die naechsten Tage an einem Programm feilen. Am
Montag wurden dann erste offizielle Gespraeche im Haus gefuehrt.
Waehrend die Stadtregierungsmitglieder von KPOe und SPOe kein Problem
mit dem Projekt hatten, tat sich die frischgebackene gruene
Vizebuergermeisterin Lisa Ruecker schon etwas schwerer damit. Auch sie
verkuendet, das Projekt unterstuetzen zu wollen und ueberlegt den
Ankauf des Hauses durch die Stadt. Doch muss sie das wohl erst ihrem
Koalitionspartner erklaeren. Laut "Kleiner Zeitung" -- in der
Steiermark fast so etwas wie ein Amtsblatt -- will die Stadt gegen
Bezahlung der Betriebskosten das Projekt akzeptieren. Nur
OeVP-Buergermeister Siegfried Nagl weiss das noch nicht, denn er
verkuendete: "Wir verhandeln mit keinen Besetzern". Auch wenn das
jetzt ein bisschen kalauert: Das wird wohl eine Nagl-Probe fuer die
Gruenen werden, wieweit sie sich gegen die OeVP behaupten wollen.

Innsbruck

In Innsbruck endete am Freitag eine Demo bei der Talstation der alten
Hungerburgbahn, die zum Abriss ansteht, da die Bahn selbst bereits
2005 demoliert worden war. Die Besetzung der Station war daher
dringend erforderlich und wurde von der Gruppe wie folgt erlaeutert:
"Die Gruende fuer die Besetzung liegen zum Einen in der
Unzufriedenheit darueber, wie Innsbrucks Stadtregierung ueber die
Koepfe der BewohnerINNen hinweg entscheidet und sich mehr den
TouristINNen als den BewohnerINNen dieser Stadt gegenueber
verantwortlich fuehlt. Konkret sind hier die Vertreibung
(hauptsaechlich Jugendlicher) unter anderem aus dem Hofgarten, vor dem
Landesmuseum und aus der Maria-Theresien-Strasse (und die Entfernung
der Sitzmoebel) gemeint, die Vertreibung aus der pittoresken
Innenstadt, in der nicht Konsumierende einfach nicht sein sollen,
nicht in das schoene Bild der "Weltstadt" passen. Dass die Mieten in
dieser Stadt immer abenteuerlichere Hoehen erreichen, die Menschen
immer mehr arbeiten muessen, um sich allein das Wohnen (geschweige
denn Anderes) leisten zu koennen, waehrend die Stadt Innsbruck mit
teuren Prunkbauten protzt und viele Gebaeude aus Spekulationsgruenden
leerstehen."

Die Stadt zeigte sich wenig beeindruckt und schickte die Polizei,
welche gleich nicht nur die Personalien der Anwesenden wollte, sondern
von ihnen auch noch eidesstaatliche Erklaerungen abverlangte, dass
nichts kaputt gemacht worden sei -- bei einem Abrisshaus einer
wahrlich folgerichtige Aufforderung. Angesichts der mangelnden
Gespraechsbereitschaft der Stadt verliess die Gruppe am Samstag um 2
Uhr frueh "freiwillig" das Gebaeude.

Ansonsten

Auch in Linz kam es zu einer Besetzung. Das Haus in der Kaisergasse 17
wurde zum Kulturzentrum "Luise" erklaert. Nur leider: Ein umfassendes
Kulturprogramm war zwar schon in Arbeit, doch bereits am Sonntag
vormittag musste die Besetzung der "Luise" aufgeloest werden.

International erreichten uns weiters Berichte ueber Besetzungen, Demos
und sonstigen Aktionen anlaesslich der Squatter Days aus Deutschland,
der Schweiz, Spanien, Neuseeland, den Niederlanden, Schweden,
Frankreich, Italien, Finnland, Israel und Norwegen. Die
Vollstaendigkeit dieser Liste ist aber eher unwahrscheinlich.
*Bernhard Redl*

Weitere Infos: http://at.indymedia.org
und (speziell zu Graz): http://www.freiraum.at.tt



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