**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 29. Jaenner 2008; 17:21
**********************************************************

Afrika:

> Tschad bombardiert weiter

Gestern, Montag, wurde endlich der Start der EUFOR-Mission in den Tschad
fixiert. Doch die Lage dort kompliziert sich zusehends. Denn die
militaerischen Uebergriffe der tschadischen Armee auf sudanesisches
Territorium werden nun nicht mehr geleugnet. Der Einsatz von Flugzeugen aus
Schweizer Produktion macht die Angriffe aber auch in der Eidgenossenschaft
zum innenpolitischen Thema.
*

Jetzt gab es bei einer erneuten Bombardierung Tote. Die Bombardierungen am
28. Dezember 2008 waren von der oesterreichischen und deutschen Presse
verschwiegen worden, aber ueber die neuerlichen, diesmal toedlichen,
Gewaltakte konnte man in Oesterreich nicht mehr hinwegsehen, da sich die
internationale Presse des Ereignisses bereits bemaechtigt hatte, von der New
York Times bis zur Neuen Zuercher Zeitung waren die Seiten voll. Die
Schweizer Zeitungen hatten einen besonderen Grund, sich des Themas zu
bemaechtigen, stammt doch der toedliche Kampfbomber, der hier zum Einsatz
kam, aus Schweizer Produktion.

Interessanterweise wurde kurz nach dem Bombenmord ein UN-Konvoi vom
sudanesischen Heer beschossen, die Urheber standen, lange bevor noch das
sudanesische Heer, nach einigen Ausfluechten, wie etwa die sudanesische
Guerilla-Opposition waere es gewesen, den Beschuss zugab, fuer die
internationalen Agenturen verblueffend schnell fest, und eine allererste
Zuordnung wurde sofort ueber die ganze Welt verbreitet. Dies zu einem
Zeitpunkt, als die Polizei der Vereinten Nationen gerade erst mitgeteilt
hatte, dass sie noch am Ermitteln war und das Resultat noch keineswegs
feststehe. Ist es nicht auffallend, wie durch das grobe Manoever die
Aufmerksamkeit vom Bombenkrieg abgelenkt wurde? Jetzt wo wieder bombardiert
wird und dies nicht mehr verschwiegen werden kann, wird im Schnellschluss
der Sudan eines Angriffes auf einen UNO-Konvoi beschuldigt. Gott sei Dank
hat er es zugegeben!

Angriffe waren von Déby angekuendigt

Den Auftakt zur erneuten Bombardierung von Stellungen der Rebellen und damit
sudanesischen Territoriums bildeten Drohungen des Staatschefs Idriss Déby
Itno, die in einer ungewoehnlichen Sprache abgefasst waren: "Wir werden uns
im Sudan auf sie draufwerfen! Wir werden sie dazu bringen, dass sie Staub
fressen, und zwar im Sudan!" verkuendete er in einer Rede, die er am Samstag
den 5. 1. 2008 in N´Djamena hielt, der Hauptstadt des Tschad (1).

Nach den letzten Angriffen am 28. Dezember hatte Ahmet Allami, der
Aussenminister des Tschad die Proteste des Sudan noch mit "Entruestung"
zurueckgewiesen. Damals hatte das sudanesische Aussenministerium den Tschad
beschuldigt, er habe mit drei Flugzeugen die Gegend von Rijl al-Harzaya und
Kermoula, 56 km suedlich von Geneina (2) in West-Darfur, bombardiert (4).
Diesmal war der Tschad nicht mehr "entruestet", gab nicht bloss die
Uebergriffe zu, sondern kuendigte sie auch noch an. Bei dieser Gelegenheit
drohte Déby auch mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen (5).

Der erste Angriff erfolgte am fruehen Morgen des Sonntag, den 6. 1. 2008 auf
die Ortschaften Goker und Wadi Radi 35 km suedlich von Geneina (5, 6). Der
zweite Angriff am fruehen Morgen des Montag erfolgteauf einenoder zwei
Stuetzpunkte der Rebellen suedwestlich von Geneina in einer grenznahen
Ortschaft ebenfalls auf sudanesischem Gebiet (1). Der Zeitpunkt der Angriffe
deutet, laut NZZ, darauf hin, dass im speziellen Fall das Fluggeraet, das am
Montag eingesetzt war, mit Nachtsichtgeraeten ausgestattet war (3).

Schweizer Kriegsgeraet

Am Sonntag kamen 3 Antonow- Flugzeuge zum Einsatz (1); am Montag waren zwei
Kampfhubschrauber vom russischen Typ Mi17 und Mi24, sowie eine
Pilatus-Maschine aus schweizerischer Produktion eingesetzt (3). Der Einsatz
der Russischen Kampfhubschrauber und des Schweizer Flugzeuges wurde zuerst
von afp gemeldet, die Agentur berief sich dabei auf militaerische Kreise des
Tschad (1).

Die GSoA (Gruppe fuer eine Schweiz ohne Armee) faehrt schon seit Jahren eine
Kampagne gegen den Vertrieb und Einsatz der Pilatus-Flugzeuge, sie hat sich
auch diesmal der Sache angenommen.(21) Dieses kleine, leichte Flugzeug wurde
stets der naiven Oeffentlichkeit als harmloses "Trainingsflugzeug"
angedient. Es wird zwar in der Ausbildung verwendet, der PC-7 Turbo Trainer
kann aber auch, der Typenbeschreibung etwa des oesterreichischen
Bundesheeres folgend, "mit Maschinengewehren und Raketen bewaffnet werden."
(8)

Das oesterreichische Bundesheer verfuegt ueber 28 Pilatus-Flugzeuge, 12 vom
Typ PC-6 und 16 vom Typ PC-7 (10). Pilatus wird auch von Oesterreich im
Tschad-Krieg eingesetzt werden. Angeblich nur die PC-6: "Es sollen drei bis
vier Flaechenflugzeuge des Typs PC-6 "Pilatus Porter" in den Tschad verlegt
werden." berichtete der Standard. (11) Bei den Typen PC-6 und PC-12 handelt
es sich zwar um zivile Produkte, im Gegensatz zu PC-7 und PC-9, die sowohl
zivil als auch militaerisch verwendbar sind (12); es ist jedoch bekannt,
dass eine Lizenzausgabe von PC-6, Fairchild AU-23A Peacemaker, in den USA
ebenfalls militaerisch umgeruestet wurde (13). Daher trifft dual use auch
auf die PC-6 zu.

Der Schweizer Pilatusskandal wird bis jetzt (Zeitpunkt 19.1.) von den
oesterreichischen Zeitungen verschwiegen: Eine PC-7 wurde fuer den
Kriegseinsatz im Tschad bereits umgeruestet, das konnte nachgewiesen werden.
Am 15. 1. praesentierte die Schweizer Fernsehsendung "10 vor 10" eine
Aufnahme einer PC-7 mit zwei schweren, vollautomatischen 20mm-Kanonen (14).

Betroffene und anvisierte Organisationen

Ins Visier gelangten Zentren des militaerischen Widerstandes. "Ich wurde am
28. Dezember und gestern (Sonntag den 6. Januar) von der tschadischen
Luftwaffe auf sudanesischem Territorium bombardiert" berichtet Abdelwahid
Aboud Mackaye von der UFDD-F (15). "Unser Hauptquartier befindet sich auf
sudanesischem Territorium. Einige Leute von uns wurden verwundet". Die
UFDD-F wurde von den Bombardierungen am folgenden Tag, dem Montag, nicht
betroffen (1). Abderraman Koullamallah, Sprecher des militaerischen
Zusammenschlusses von UFDD, UFDD-F und RFC, frueher ein Gefolgsmann Débys,
bestaetigte auf Anfrage der afp: "Wir waren am Montag nicht betroffen, da
wir uns auf tschadischem Territorium befanden" (1)

Verwundete und Tote

Der Angriff Sonntag frueh forderte viele Opfer. Der Sprecher der
sudanesischen Streitkraefte, Othman al-Aghbach, berichtet zunaechst, es
seien bei diesen Angriffen drei Zivilpersonen getoetet und vier verletzt
worden (1). In einer UNO-Dokumentation stehen noch hoehere Zahlen: "Die
Luftwaffe des Tschad hat diese zwei Orte (Goker und Wadi Radi, AuO)
bombardiert und dabei sechs Angehoerige der tschadischen Opposition
getoetet, sowie vier weitere verletzt." (1) Das berichten auch NZZ (3) und
BBC (17). Der ORF beschraenkt sich auf 3 Tote (9).

Noch hoeher sind die Zahlen von Al-Wihda: Es habe 9 Tote gegeben, darunter
waren 2 Leibwaechter von Fizani, sowie 7 Kaempfer des Adouma Hassaballah
(6), der frueher Anfuehrer einer eigenen Organisation war und jetzt
Stellvertretender Vorsitzender der UFDD ist.

UNAMID von zwei Seiten bedroht

"Zutiefst besorgt" aeusserte sich nach den Angriffen Rodolphe Adada, der
Leiter der UNAMID, der aus Afrikanischer Union und Vereinten Nationen
zusammengesetzten Friedenstruppe im Darfur (17). Zur zunehmenden Eskalation
meint er: "Zahlreiche Binnenvertriebene und Fluechtlinge werden die ersten
Opfer sein." (5) Wie erwaehnt, war ein Verpflegungskonvoi der UNAMID (18) am
7. Jaenner vom Sudan angegriffen worden. Ein Kommandeur der sudanesischen
Streitkraefte gab schliesslich zu: "Bewaffnete Kraefte des sudanesischen
Militaers haben einen Konvoi beschossen." (19)


Die UNAMID ist das derzeit groesste "friedenserhaltende" Projekt. Es ist der
Einsatz von 20.000 Soldaten geplant. Dazu kommen noch weitere 6000 Posten,
die auf Polizei und Zivilpersonal aufgeteilt werden. Derzeit befinden sich
bereits 9000 Soldaten und Polizisten im Einsatz (19).

Luftabwehr

Nach den Angriffen vom 6. und 7. Januar gab es noch zusaetzliche Angriffe,
den letzten am Mittwoch den 9. 1., wie Al Wihda berichtet. An dem Tag trat
das erste Mal die Abwehr in Kraft, und es wurde beobachtet, dass nicht weit
von Abéché ein Hubschrauber der tschadischen Armee getroffen wurde und
abstuerzte. Seitdem finden keine Bombardements statt, die Gegend wird jedoch
in grosser Hoehe ueberflogen.

Am Mittwoch begannen die einzelnen Rebellenformationen, ihre Kraefte
zusammenzulegen, die unter dem Kommando von Oberstleutnant Fizani Mouhadjir
stehen (20).
*Aug und Ohr, 21.1.2008/gek.*


(1)Le Tchad a bombardé des rebelles tchadiens au Soudan, afp, 7. 1. 2008;
(2)Unterschiedliche Schreibweisen: auch el-Geneina in (1); oder Junaina in
(3); (3)Tschads Luftwaffe fliegt Angriffe im Sudan, Neue Zuercher Zeitung,
8. 1. 2008; (4)Attaque du Tchad au Soudan: N'Djamena "indigné" des
accusations de Khartoum, afp/Le Monde, 30. 12. 2007; (5)Andrew Heavens: Des
avions tchadiens bombardent des rebelles au Soudan, Reuters, 7. 1. 2008;
(6)Tchad Soudan: Ndjamena pilonne les positions du colonel Fizani, Al Wihda
International, 7. 1. 2008; (7) Le Tchad reconnaît implicitement avoir
bombardé les rebelles au Soudan, afp/Le Monde, 8. 1. 2008;
(8)Bundesministerium fuer Landesverteidigung: Pilatus PC-7 "Turbo Trainer",
http://www.bmlv.gv.at/waffen/waf_pilatus.shtml; (9) Tschad bombardiert
Rebellenlager in Darfur, ORF, 7. 1. 2008; (10) "Oesterreichisches Bundesheer
(2. Republik)", Wikipedia; (11) Conrad Seidl: Bundesheer-Helikopter fuer den
Tschad-Einsatz, Standard, 28. 12. 2007; (12) Nico Lutz: Hoffnungslos traege,
GSoA-Zeitung, o. D.; (13) Vgl. dazu u. a.: "Pilatus PC-6", Wikipedia,
besonders: "Fairchild AU-23" Wikipedia; (14) 20 Minuten, 15. 1. 2008; (15)
Eine kurze Zusammenfassung der bewaffneten Oppositions-Kraefte findet sich
in: Aug und Ohr: Krieg in Afrika, indymedia Deutschland, 2. 1. 2008;
http://de.indymedia.org/2008/01/ 204091.shtml; Die Kraefte, die kuerzlich
ein gemeinsames Militaerkommando gebildet haben werden zusammengefasst in:
Aug und Ohr, Der Tschad bombardiert den Sudan, indymedia Deutschland, 7. 1.
2008, http:// de.indymedia.org/2008/01/204476.shtml; (16) Chad declares
right to pursue rebels in Sudan after bombings, afp, 8. 1. 2008; (17) Chad
´launches Darfur air raids´, BBC, 7. 1. 2008; (18) Die volle Bezeichnung:
African Union/United Nations Hybrid Operation in Darfur; (19) Gerard
Aziakou: Sudan admits responsibility for Dafur attack, afp, 9. 1. 2008; (20)
Tchad: Un hélico de l´armée tchadienne abattu par les rebelles. Al Wihda, 9.
1. 2008; (21) http://www.gsoa.ch/gsoa/medien/medien2008.htm?d=0#18.1.2008 ;
Zur aktuellen GSoA-Kampagne gegen Ruestungsexporte siehe auch
http://akin.mediaweb.at/2007/11/11ch.htm und http://www.kriegsmaterial.ch



***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellen
Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nicht
wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein. Nachdruck
von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete
Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von
Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als
Abonnement verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann
den akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin