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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 29. Jaenner 2008; 16:41
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Wien:

> Barrikaden gegen Burschi-Ball

Der WKR-Ball in der Hofburg erzeugte Freitag abend erheblichen Unmut in der
Stadt.


Die Wiener politische Ballsaison gestaltet sich 2008 etwas anders als
erwartet: Waehrend fuer heuer noch kein Aufruf zur Opernballdemo bekannt
geworden ist (der Opernball ist diesen Donnerstag), dafuer aber fuer letzten
Samstag Proteste gegen den "Liederabend" der bekannt rechtsextremen
Burschenschaft Olympia angekuendigt waren, entzuendete sich schon in der
Nacht vorher mehr oder weniger spontan der Protest gegen den 55. Ball des
Wiener Korporationsringes (WKR) in der Wiener Hofburg.

Der WKR meint zwar, dass seine Ballgaeste "allen drei traditionellen
politischen Lagern zuzuordnen" waeren, definiert sich selbst aber als "eine
Arbeitsgemeinschaft der national-freiheitlichen, farbentragenden
Korporationen in Wien" zum Zwecke der "Vertretung gemeinsamer Interessen,
vor allem ... in allen rein hochschulpolitischen Fragen." (Zitat nach
aua.blogsport.de)

So war es ein ganz eigenartiges Setting an diesem Freitagabend: Die auch
beim DOeW gut bekannten Burschenschafter in der Hofburg, der Wiener
Polizeiball im Wiener Rathaus und ein antifaschistisches Fest unter dem
Motto "Rechte Verbindungen wegBASSEN!" im Museumsquartier.

Denn wenn auch die Stimmung auf diesem Fest ganz gut gewesen sein soll, so
wollten doch viele der Anwesenden die Revolution nicht unbedingt im Saale
verbleiben lassen und man machte sich auf Richtung Hofburg. Polizisten waren
aber trotz eigenen Balls noch genug mobilisierbar, um vor der Hofburg
Stellung zu beziehen und so beschraenkte sich der unmittelbare Protest auf
den Austausch von Unfreundlichkeiten. Ein User auf Indymedia: "Die Stimmung
vor der Hofburg war bedrohlich, da immer die Gefahr eines Kessels bestand.
Es flogen Flaschen und Raketen gegen die Hofburg, Scheiben gingen zu Bruch,
die Nazis drinnen antworteten mit dem Hitlergruss. Nach einiger Zeit ging
die Spontandemo zum Ring vor und errichtete Barrikaden. Nach kurzer Zeit
brannten diese auch und blockierten so den Verkehr fuer einige Zeit. Es
wurden Absperrgitter, Baenke und anderes Zeug auf die Fahrbahn getragen.
Dann ging der Weg ueber den Ring weiter und die Mariahilferstrasse rauf. Auf
dem Weg musste noch die Bank Austria dran glauben und es wurden staendig
neue Barrikaden errichtet."

Da der WKR-Ball so nicht wirklich zu stoeren war, zogen mehrere hundert
Menschen Richtung Gumpendorferstrasse 149 zum Heim der Burschenschaft
Olympia. Doch dort hatte die Polizei bereits gewartet. Es wurde versucht,
die Demo einzukesseln, wodurch sich Kleingruppen abspalteten. Ein anderer
User auf Indymedia: "Als wir dann geschlossen in einer sehr kleinen Gruppe
von 20 Leuten weiter zur Olympia gehen wollten, bemerkten wir, dass es
sinnlos waere, weil nur noch Polizei da war und alles abgesperrt hatte! Sie
sind dann noch Patrouille gefahren und wollten jeden, der nach Demonstrant
ausschaute, festnehmen! Ich habe nachher noch ein paar Leute getroffen, eine
Freundin wurde verletzt, weil die Polizei sie niedergetreten,
niedergeknueppelt hatte. Aber das ist nicht alles: Sie wollte dann
weghumpeln, da kamen zwei Polizisten auf sie zu und haben ihr mit
Erschiessen gedroht, wenn sie sich nicht gleich verpissen wuerde! [...] Ich
weiss nur von drei Festnahmen sicher, aber ich habe von anderen Leuten
gehoert,dass es auf jeden Fall mehr waren!"

Noch ein Besuch bei der Olympia

Am Samstagabend fand der als "Katzenmusik" angekuendigte Protest gegen die
Burschenschaft Olympia statt. Diese hatte fuer diesen Tag zu einem
"nationalen Liederabend" mit dem einschlaegig bekannten NPD-Barden Joerg
Haehnel geladen. Die Polizei behauptete, dass nach Angaben der
Burschenschafter der Liederabend abgesagt waere, doch die Demo fand trotzdem
statt und so war ein auch massives Polizeiaufgebot in der
Gumpendorferstrasse, das das Haus abriegelte und den Verkehr absperrte. Nach
Angabe von Indymedia versammelten sich ca. 150 AntifaschistInnen um 19 Uhr
bei der U6-Station. Weit kamen sie wegen des Polizeieinsatzes nicht und
veranstalteten daher an der Absperrung ihre Kundgebung, um nach einer
laengeren musikalischen Einlage die Gumpendorferstrasse entlang
weiterzuziehen. O-Ton des Indymedia-Berichterstatters: "Es duerfte sich um
keinen Zufall handeln, dass der nazionale Liederabend genau einen Tag nach
dem Ball angesetzt wurde, da bekannt ist, dass zum WKR-Ball zahlreiche
DeutschtuemlerInnen aus Oesterreich und Deutschland anreisen. Obwohl bei der
´Katzenmusik statt Jammerbarden!` nicht die gleiche Dynamik entstand wie bei
den Protesten am Vortag, war es insgesamt doch eine gelungene Demonstration,
die am Ende doch noch relativ laut wurde und sich gegen 21.00 Uhr bei der U3
Station Neubaugasse auf der Mariahilferstrasse aufloeste."

Kommentar: Beredtes Schweigen

Offensichtlich wurden die eher wilden Proteste von Freitag Nacht politisch
sehr heruntergespielt. Der ORF berichtete kaum, auf seiner Internetpraesenz
findet sich nur ein kurzer APA-Bericht. Tatsaechlich duerfte ein
rotschwarzer Konsens herrschen, der weder die unangemeldetem Proteste noch
die Praesenz von Deutschnationalen in der Hofburg thematisieren moechte.
Moeglicherweise liegt es daran, dass tatsaechlich, wie vom WKR behauptet,
auch offizielle Mitglieder von SPOe und OeVP am Ball waren, und eine
diesbezuegliche Erwaehnung ihnen vielleicht unangenehm sein koennte. Was
wiederum bedeuten wuerde, dass, wenn auch kein echter Antifaschismus, so
doch ein schlechtes Gewissen mittlerweile in den Parteizentralen Raum
gegriffen haben duerfte -- vor 10 Jahren waere vor allem die OeVP noch ueber
"die linken Chaoten" empoert gewesen und die SPOe haette zumindest die
Legitimitaet des WKR-Balls betont. Dabei duerften auch Proteste der Gruenen
und der OeH im Vorfeld des Balls gegen die WKR-Praesenz in der Hofburg nicht
ganz unerheblich gewesen sein.

Wer kein schlechtes Gewissen hat, ist natuerlich die FPOe. Als einzige
Fraktion bemuehte sie den Originaltextservice der APA. FP-Chef Strache
meinte, er waere "erschuettert" ueber die Proteste gegen diesen
"gesellschaftlich hoch angesehenen Ball". Den Regierungsparteien war die
Veranstaltung, noch dazu in der Hofburg, wohl eher peinlich. Man kann zu
Flaschenwuerfen und Barrikaden stehen, wie man will, das beredte Schweigen
von OeVP und SPOe ist sicher als Erfolg nicht nur der antifaschistischen
Bestrebungen vom Wochenende anzusehen.
*Bernhard Redl*

Quellen:
http://wien.orf.at/stories/251423/
http://www.aua.blogsport.de/
http://at.indymedia.org/node/9259
http://at.indymedia.org/node/9253
http://at.indymedia.org/node/9263


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