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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 11. Dezember 2007; 19:32
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Das Recht der Fremden:

> Routinemaessige Festnahme

Immer wieder Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See

Diese Behoerde ist ein besonderes Nest. Unsere Leserinnen und Leser erinnern
sich vielleicht an die russische Familie D. aus Kaliningrad, die im Sommer
2007 trotz legaler Einreise einen Monat lang in Schubhaft gesessen ist.
Unserer Haftbeschwerde gab der Unabhaengige Verwaltungssenat (UVS)
Burgenland statt.

Herr T. aus Tschetschenien ist auch ein Opfer dieser Bezirkshauptmannschaft.
Seine Frau und seine Kinder leben seit 2006 als anerkannte Fluechtlinge in
der Steiermark. Herr T., durch die Flucht von ihnen getrennt, kam erst 2007
nach.

Unterwegs wurde er in der Slowakei aufgegriffen, stellte dort einen
Asylantrag, um nicht nach Russland abgeschoben zu werden, und gab an, zu
seiner Familie nach Oesterreich zu wollen. Die Slowaken nahmen mit
Oesterreich Kontakt auf, das Bundesasylamt erklaerte sich fuer zustaendig im
Sinne der Dublin-Verordnung, Herr T. wurde nach Oesterreich ueberstellt. Das
waere beinahe schlecht ausgegangen fuer ihn:

Die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl (in deren Bereich die Uebernahme
erfolgte) verhaengte die Schubhaft! Begruendung: Herr T. habe nichts davon
gesagt, dass er einen Asylantrag stellen wolle. Er habe immer nur von
"Familienzusammenfuehrung" gesprochen. Ohne Asylantrag sei er ein
gewoehnlicher "Illegaler", wie andere auch, und muesse abgeschoben werden.

Herr T. kannte sich mit den hiesigen Rechtsvorschriften nicht aus. Er wusste
nicht, dass er das Wort "Asyl" verwenden musste; das hatte er doch schon in
der Slowakei getan! Er versuchte verzweifelt zu erklaeren, dass er zu seiner
Frau und seinen Kindern wolle und dass er doch eben deshalb von den Slowaken
nach Oesterreich geschickt worden sei.

Nach einer Woche Gefaengnis besuchte ihn eine Betreuerin der Caritas, der er
sein Leid klagte. Sie half ihm einen Asylantrag zu stellen, sodass er
freigelassen wurde und endlich zu seiner Familie kam.

Auf Ersuchen der Caritas brachte ich eine Schubhaftbeschwerde ein und machte
geltend, dass Herr T. ja schon in der Slowakei das Zauberwort "Asyl"
ausgesprochen hatte und dass man nach dem Wortlaut der Dublin-Verordnung nur
einen einzigen Asylantrag in der Europaeischen Union stellen kann, fuer den
sich dann ein bestimmter Staat (in diesem Fall Oesterreich) zustaendig
erklaert.

Daher musste Herr T. nicht noch einmal "Asyl" sagen, als er der BH Neusiedl
in die Haende fiel. Ueberdies sei die Schubhaft unverhaeltnismaessig, da er
ganz offensichtlich nicht untertauchen, sondern zu seiner Familie, an einen
den Behoerden bekannten Ort, wollte. Der Unabhaengige Verwaltungssenat
Burgenland (Mag. Eder) schloss sich beiden Argumenten an.

In der Verhandlung wurden auch die beiden Polizisten befragt, die Herrn T.
festgenommen hatten. Sie gaben an, die Festnahme sei "rein aus Routine"
erfolgt... Einen Auftrag, Herrn T. zu belehren, wie man einen Asylantrag
stellt, habe ihnen niemand erteilt. Von selber haetten sie T. auch nicht
gefragt, ob er einen Antrag stellen wolle; sonst haetten sie ihm ja etwas in
den Mund gelegt...

"So leicht wird man in Oesterreich also ,rein routinemaessig' festgenommen,"
erkannte Mag. Eder und gab meiner Beschwerde statt. Fuer Herrn T. werden wir
Haftentschaedigung verlangen. Aber was sollen wir mit der
Bezirkshauptmannschaft Neusiedl anstellen? Fuer zweckdienliche Hinweise aus
dem Publikum danken wir sehr.
*Michael Genner, Asyl in Not*



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