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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 28. August 2007; 15:20
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Debatten/Bildung:

In akin 18/07 (akin-pd 26.6.2007) kritisierte Bernhard Redl das Konzept der
Gruenen fuer einen Pflichtkindergarten ab 3 Jahren. Dieser Artikel erschien
auch in der DAZ, ebenso wie ein gleichfalls kritischer Kommentar von Rosalia
Krenn
. Eine Woche spaeter antwortete der Gruene Klub:


> Verbesserung der Chancen durch verpflichtende kostenlose
> Kindergartenkernzeit

Wer Eure Beitraege liest, muss wohl zum Schluss kommen, dass die Gruenen
voellig durchgeknallt sind. Man koennte glauben, ich haette vorgeschlagen,
dass Dreijaehrige schoen geschlichtet - am besten gleich in
Kindergartenuniform - zum Zwangsunterricht antreten muessen. Vorne steht
dann ein Lehrer, der ihnen mit Frontalunterricht zeigt, wo der
Wirtschaftsbartl den Most im Kapitalismus holt. Leistungsorientierung und
Arbeitsmarkt, dass wollen demnach die Gruenen fuer Dreijaehrige. Mit
Verlaub, ich bin ja nirgends angrennt.

Bemerkenswert finde ich an beiden Beitraegen, dass das Wort
Chancengleichheit oder zumindest Chancenangleichung nicht einmal im Ansatz
vorkommt. Das ist naemlich der Kern meines Vorschlags. Ich stehe dazu, dass
ich mich mit bildungswissenschaftlichen Erkenntnissen gruendlich
auseinandersetze. Die PISA-Studie -- die Auseinandersetzungen mit den
konkreten Fragestellungen kann ich nur empfehlen, da wird naemlich nicht
simpels Faktenwissen geprueft -- war ein Meilenstein. Johann Bacher von der
Uni Linz hat die unterschiedlichen Leseergebnisse beim PISA-Test mit der
Dauer des Kindergartenbesuchs in Beziehung gesetzt und Erstaunliches
herausgefunden. Kinder, die einen Kindergarten laenger als ein Jahr besucht
haben, weisen gegenueber den anderen selbst im Alter von 15 einen
durchschnittlichen Vorteil von etwa einem Schuljahr auf. Ich finde, dass
sinnverstehendes Lesen, auch das kritische Hinterfragen von Texten wichtig
und notwendig ist.

Mehr als 90% der Fuenf- bis Sechsjaehrigen besuchen einen Kindergarten. Bei
den restlichen 10 % sind Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder aus
bildungsfernen Schichten stark ueberrepraesentiert. Meine Forderung nach
einer verpflichtenden und kostenlosen Kindergartenkernzeit von 12
Wochenstunden -- also 3 Halbtagen -- fuer die 3 bis 6jaehrigen zielt genau
darauf ab, die Bildungschancen dieser Kinder zu verbessern.

Das Konzept bedroht die Reformpaedagogik selbstverstaendlich nicht, weil nur
eine paedagogische Betreuung nachgewiesen werden muss.

Da ich weiss, dass die Laenge der Beitraege die Lesefreudigkeit eher
reduziert, moechte ich nicht im Detail auf die einzelnen Punkte eingehen.
Ich bin aber ueberrascht, wie negativ der Begriff "Lernen" in den Beitraegen
besetzt wird. Bernhard Redl moechte, dass im Kindergarten gespielt und nicht
gelernt wird. Das geht an den Realitaeten doch weit vorbei. Wenn Kinder in
den Kindergarten kommen, haben sie ihre Muttersprache und viele andere Dinge
erlernt. Kinder lernen in diesem Alter wohl am intensivsten, in
reformpaedagogischen Kindergaerten noch intensiver. Niemand bei den Gruenen
will eine Verschulung des Kindergartens. Bei aller Schwaeche des
oesterreichischen Schulsystems, in dem selbsttaetiges Lernen viel zu kurz
kommt, soziales Lernen eine untergeordnete Rolle spielt, sollte auch Platz
fuer eine Mindestmass an Allgemeinbildung sein. Sinnverstehendes Lesen,
mathematische und naturwissenschaftliche Grundkenntnisse und
Problemloesungsfaehigkeiten sind ein wichtiger Teil schulischer Bildung.
Woher soll Kritikfaehigkeit kommen, wenn die Basis dafuer nicht gelegt wird?

*Dieter Brosz*
Gruener Bildungssprecher im Nationalrat



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