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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 26. Juni 2007; 16:21
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Italien:

"Nessuna firma ci ferma!"

In Vicenza wollen die US-Streitkraefte einen neuen Stuetzpunkt bauen. Der
Protest laesst nicht auf sich warten.


Ronald Spogli, US-Botschafter in Italien, ein Investmentbanker aus Los
Angeles, gab am Donnerstag den 14. Juni der italienischen Oeffentlichkeit
bekannt, die USA habe von der italienischen Regierung endgueltig die
schriftliche Genehmigung fuer den Bau des fuer Vicenza geplanten neuen
Militaerflughafens erhalten . Die Mitteilung fiel am Rand des sogenannten
Pressetages, den die US-Streitkraefte zusammen mit den italienischen,
regelmaessig fuer die italienische Presse abhalten.

Die Nachricht schlug in Italien wie eine Bombe ein, besonders aber die
Tatsache, dass sich bis dato niemand von der Regierung bemuessigt hatte, die
Oeffentlichkeit zu informieren. Die organisierten GegnerInnen des Vorhabens,
die seit Monaten einen Bereich in der Naehe des Eingangs des bereits
bestehenden zivilen Flughafens besetzt halten und dort ein sogenanntes
presidio permanente (eine Dauer-Mahnwache) eingerichtet haben, reagierten
blitzschnell. Um 22 Uhr desselben Tages fand im presidio ein Plenum statt,
an dem laut der Wochenzeitung Carta Hunderte Leute teilnahmen, kurz darauf,
noch vor 23 Uhr, besetzten, der Tageszeitung manifesto zufolge, etwa 700
AktivistInnen einen Teil des kuenftigen geplanten Kriegs-Flughafens, der
Zaun wurde aufgerissen, eine Landebahn in Beschlag genommen und auf einem
riesigen Spruchband war zu lesen: "Nessuna firma ci ferma!" ("Uns haelt
keine Unterschrift auf!").

Man sei von der Regierung belogen worden, teilte Cinzia Bottene, die
bekannteste Sprecherin der Bewegung mit. Noch vor kurzem sei ihr mitgeteilt
worden, es gebe keine Genehmigung fuer den Beginn der Erweiterungsarbeiten.

Auch Elettra Deiana, stellvertretende Vorsitzende des
Verteidigungsausschusses im Abgeordnetenhaus, geht mit der Regierung ins
Gericht: "Einige Monate lang schon ging das Geruecht, es gebe da ein
Regierungsdekret. Aber sowohl [Verteidigungsminister, Anm.] Parisi als auch
[Staatssekretaer] Letta haben das in Abrede gestellt. Das ist die neueste
Luege in einer langen Reihe von Luegen, wenn es jetzt zutage tritt, dass
Prodi [Botschafter] Spogli eine schriftliche Zusage erteilt hat."

Mit welcher Arroganz sich die Regierung Prodi zu den Forderungen der
Bevoelkerung verhalte, stellten die Basis-GegnerInnen im Detail dar: Aus
einer Stellungnahme von Prodis Pressesprecher, Silvio Sircana, gehe hervor,
dass die Regierung die Proteste als voellig nutzlos ansehe, Italien habe
sich derzeit mit weitaus wichtigeren Problemen zu befassen als mit der
Erweiterung einer Kaserne. Die Autorisierung des Projektes, das
urspruenglich mit der Berlusconi-Regierung vereinbart wurde, wurde daraufhin
von Prodi zu zwei verschiedenen Zeitpunkten bestaetigt: im Januar und im Mai
dieses Jahres. Bereits am 16. Januar hatte Prodi bekraeftigt, er werde der
Realisierung des Projekts nichts "in die Wege legen". Beim Besuch Bushs in
Rom am 9. Juni - gegen Bush demonstrierten 150.000 Menschen - wurde das
Ganze schliesslich offiziell besiegelt.

Bis zum 14. Juni, bis zur Erklaerung Spoglis, zwei Wochen lang, schwieg also
die italienische Regierung. Allerdings hat Prodi einen Sonderbeauftragten
angeboten, fuer den "Dialog" mit den lokalen Gruppen.

Carta zitiert Stellungnahmen aus dem presidio: "Diese Regierung ist wirklich
das letzte, sie hat nicht einmal den Mut zu sagen, dass der Vertrag schon
vor einem Monat abgeschlossen wurde. Sogar gegenueber den BasisgegnerInnen
unter den Abgeordneten hatte Minister Parisi vor 10 Tagen behauptet, es sei
von der Regierung keine schriftliche Genehmigung erteilt worden. Der neue
Regierungssprecher ist nicht mehr Sircana, sondern der amerikanische
Botschafter."

Am Tag darauf war ein Besuch Prodis in Padua angesagt. Aber die ebenso
angekuendigte Praesenz einer Protestdelegation aus Vicenza - mit ihren
laermenden Toepfen nach suedamerikanischem Vorbild - duerfte den
Regierungschef bewogen haben fernzubleiben. Die Aktion war eine von bisher
vielen. Drei Tage vor der Besetzung hatte ein Brandanschlag an eben
derselben Stelle stattgefunden, an der dann der Zaun aufgerissen wurde. Er
galt dem Materiallager einer Firma, die im Auftrag der Gemeinde Vicenza dort
Arbeiten durchfuehrt. Es entstand ein Sachschaden von 10.000 Euro.

Beinahe 500 Millionen Euro wird das ganze Projekt kosten. Darin sind
enthalten 325 Millionen Euro, die unter anderem fuer die Unterkuenfte der
Soldaten desjenigen Stuetzpunktes bestimmt sind, der, neben Aviano, einer
der zentralen Kriegsbasen Europas sein wird. Die bereits jetzt 2.750 Mann
umfassende US-Soldateska in Vicenza wird auf insgesamt 4.500 aufgestockt
werden, berichtet die Tageszeitung Corriere della Sera.

Im presidio heisst es, zitiert nach Carta: "Hier handelt es sich um unsere
Zukunft. Das oeffentliche Eigentum, die nicht erneuerbaren Ressourcen, die
Kriegsgegnerschaft, eine reelle Demokratie, in der die BuergerInnen nicht
als Untertanen behandelt werden! Deswegen sind wir, ein Jahr, nachdem wir
das infame Spiel aufgedeckt haben, das von Rechts wie von Links ueber unsere
Koepfe hinweg gespielt wird, nicht im allermindesten bereit, je wieder einen
Schritt zurueckzugehen, und wir werden weiter mobilisieren,, um diese
Schande zu verhindern, auch wenn wir uns mit unseren Koerpern vor die Bagger
werfen muessen."

ABC-Waffen

Einige Tage vor dem Spogli-Bericht kam an die Oeffentlichkeit, dass der
kuenftige Stuetzpunkt auch eine Rolle im europaeischen
Nuklearkriegspotential haben wird. Zusaetzlich zu den 90 bereits in Italien
lagernden Atombomben - sie sind auf die Basen Aviano und Ghedi Torre bei
Brescia verteilt - sollen im kuenftigen Militaerstuetzpunkt Dal Molin (der
nach einem beruehmten Piloten der Mussolini-Aera benannt ist)
bakteriologische, chemische und nukleare Waffen gelagert werden. Das fand
ein Technikerteam im Auftrag des presidio permanente heraus, wie das
manifesto am 8.6. berichtete. Insgesamt sei die Errichtung von vier
Gebaeuden im Sueden der Basis vorgesehen, in denen sich jeweils fuenf
Grossdepots fuer die "NBC storage" befinden werden. Im Inneren der Gebaeude
sollen regelrechte Dekontaminierungsanlagen entstehen. In den italienischen
Plaenen war bisher immer nur von "biochemischen Depots" die Rede. Die
Amerikaner hatten bisher immer in Abrede gestellt, dass im kuenftigen
Stuetzpunkt gefaehrliche Substanzen gelagert wuerden.

Die Bewegung gegen Dal Molin ist eine Massenbewegung, die sich mit der
Bewegung im Val di Susa gegen den Hochgeschwindigkeitszug, der Bewegung No
Mose in Venedig gegen die superteure Einschliessung der Lagune durch
ineffiziente Hochwasserbarrieren und anderen Bewegungen in anderen
Landesteilen vor kurzem zu einem gegenseitigen Mobilisierungspakt
zusammengeschlossen haben (1). Als gegen die NATO- und US-Praesenz
gerichtete Bewegung ist sie wiederum einer der Brennpunkte
antiimperialistischer Mobilisierung in Europa neben den Antikriegskraeften
in Polen und Tschechien.

Ueber die "linke" Regierung machen sich die Basis-AktivistInnen keine
Illusionen mehr. "Es laeuft wohl darauf hinaus, dass zwischen Prodi und
Berlusconi ueberhaupt kein Unterschied mehr besteht", meinte kuerzlich
Cinzia Bottene.
(Aug und Ohr/DAZ/bearb.)

(1) http://www.pattomutuosoccorso.org/

Quelle:
http://www.dieanderezeitung.at/index.php?option=com_content&task=view&id=958&Itemid=80


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