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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 17. April 2007; 16:35
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Diskussionsveranstaltung:

> Ins Netz gegangen?

Linke Zeitschriften zwischen Papier und Internet.

Es diskutieren: Eva GEBER (AUF - Eine Frauenzeitschrift), Peter FLEISSNER
(emer. Prof. TU Wien, Informatiker), Fritz HAUSJELL (a.o. Prof.,
Universitaet Wien, Institut fuer Publizistik) (angefragt), Bernhard REDL
(akin, DAZ), ueber seine Erfahrungen mit Open Posting-Systemen spricht Herby
LOITSCH (Radio Orange), Moderation: Ralf LEONHARD (DAZ); Eine Veranstaltung
der DAZ (Die Andere Zeitung, linkes Online-Medienportal:
http://www.dieanderezeitung.at).

Donnerstag, 26. April, 19 Uhr (puenktlich), im Republikanischen Club,
Eingang Cafe Hebenstreit, Rockhgasse 1, 1010 Wien.


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Impulskommentar:

> Die Linke im Netz

Allerorten toent es, dass das Internet endgueltig das Papier als zentrales
Kommunikationsmedium abloest. Web und eMail sind billiger, leichter
verfuegbar und schneller. Das gilt fuer die persoenliche Kommunikation
genauso wie fuer die Medien. Aber stimmt das auch so?

Wir wollen dieses Thema diskutieren, ganz im allgemeinen, speziell aber fuer
die linken Klein- und Kleinstmedien. Vor 20 Jahren gab es zur schnellen
Kommunikation unter den Linken gerade mal die Telefonkette und eventuell
auch noch eine Telefonzeitung -- man erinnere sich an "Schwarzhoerer" und
"ANNA". Ansonsten gab es nur papierene Zeitungen, dafuer aber eine ganze
Menge.

Was ist heute? Heute gibt es nur mehr eine Handvoll linker Blaetter, die
auch immer seltener erscheinen. Sie sind nicht nur Opfer des viel
flexibleren und billigeren Internets geworden, sondern sie sind auch unter
dem Druck der massiven Verschlechterungen der Zustellbedingungen
untergegangen. Die akin beispielsweise hat mit ach und krach ueberlebt, aber
anstatt des zur Foerderung der Publizistik angebotenen Billigsttarifs von 20
Groschen vor 20 Jahren sind heute etwa 45 cent pro Stueck zu berappen, also
rund das 30fache - trotz deutlich verringerter Seitenzahl.

Nun koennte man sagen: Wozu brauchen wir heute noch Papier? Internet ist
doch viel besser! Ja und Nein. Also einmal abgesehen davon, dass man nur in
ausgesprochenen HiTech-Haushalten das Internet auf dem Klo konsumieren kann,
ist das Lesen auf dem Bildschirm nach wie vor kein wirklicher Genuss.

Vor allem aber hat die elektronische Form ganz enorme Auswirkungen auch auf
den Inhalt. Je schneller ein Medium sein kann, desto schneller nuetzt man es
auch -- ja, muss es sogar schneller nuetzen. Was darunter leidet, ist auf
alle Faelle die Redaktion der Texte und Bilder.

Dazu kommt, dass man eine papierene Zeitung tatsaechlich verkaufen konnte
und die Differenz aus Verkaufspreis und reinen materiellen Kosten zur
Finanzierung einer Infrastruktur nutzen konnte. Vom Internet aber wird
erwartet, dass alles gratis ist -- die Produktionskosten sind hier zwar
geringer, aber es gibt sie doch, wodurch Internetprojekte mehr noch als die
klassischen Zeitungsprojekte nur mittels reiner Selbstausbeutung zu machen
sind; es sei denn, man moechte sich von der Werbeindustrie oder
oeffentlichen Subventionsgebern abhaengig machen, was aber gerade bei linker
Kleinpublizistik eine besonders heikle Angelegenheit ist.

Auch die Sache mit der Vielfalt ist ein zweischneidiges Schwert. Denn wenn
man sich schon selbst ausbeutet, dann will man, dass die Welt genau das
erfaehrt, was man selber denkt und sich nicht dem Willen einer Redaktion
beugen muessen. Es ist halt viel einfacher, eine eigene Internetsite
aufzumachen als eine papierene Zeitung herauszugeben. Nur zersplittert dann
die Information in unendlich viele Sites, sodass kaum jemand mehr in der
Lage ist, all diese Informationen und Meinungen vernuenftig zu rezipieren --
es findet kaum mehr Austausch zwischen den linken Meinungsmachern statt,
sondern ein jeder schreibt seinen eigenen Senf auf seine eigene Homepage und
muss sich nicht mehr mit den Meinungen der anderen auseinandersetzen.

In Fragen der Archivrecherche gibt es ebenfalls eine spannende
Abwaegungsfrage zu klaeren -- denn eine Volltextsuche ist in einem
papierenen Medium nicht moeglich. Nur: Werden wir in 30 Jahren
beispielsweise diesen Text hier noch im Netz finden? Werden Datentraeger,
auf denen er gespeichert wurde, noch lesbar sein? Auf Papier jedenfalls wird
er dann immer noch gedruckt sein und zumindest in so mancher Bibliothek
nachzulesen.

Ist das Internet also wirklich der grosse Fortschritt in der Kommunikation?
Oder ist einfach die technologische Entwicklung so rasch vor sich gegangen,
dass wir noch nicht in der Lage waren, damit auch politisch-kulturell
vernuenftig umzugehen? Wird das Papier vielleicht tatsaechlich bald aus der
linken Kleinpublizistik vollends verschwunden sein und es wird kein Problem
darstellen? Werden wir Moeglichkeiten finden, diese neue Medium so
qualitaetsvoll zu gestalten und zu rezipieren wie das alte?
*Bernhard Redl*


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