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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 13. Maerz 2007; 17:16
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Kommentar der Anderen:

> RAF: Die Toten, die Lebenden und der Standard

Zum Grusswort von Christian Klar, einer Kunsthallen-Ausstellung und der
Grenzen einer "liberalen" Zeitung

Der Maerz-April-Schwerpunkt in der Kunsthalle Wien (im Museumsquartier) wird
wohl wieder einige Zeitgenossen auf den Plan rufen, die sich fuer eine
Verteufelung der "RAF-Verharmlosung" oder der "RAF-Verherrlichung "
(Zutreffendes bitte unterstreichen) stark machen. Auch der Duesseldorfer
Kuenstler Hans-Peter Feldmann hat sich daran gewoehnen muessen, dass sein
Fotozyklus "Die Toten", der vom 16. Maerz bis 29. April in der Kunsthalle
ausgestellt ist, missinterpretiert wird: als Verhoehnung der Opfer des
linksradikalen Terrorismus der 70er- und 80er Jahre in Deutschland.

Feldmann sympathisierte nie mit der Ideologie der Baader-Meinhof-Gruppe; er
zeigt auf 90 Tafeln grobkoernige Reproduktionen von Zeitungsbildern: Opfer
und Taeter und Menschen, die nur zufaellig in die Schusslinie gerieten. Eine
beklemmende Serie ungerahmter Andachtsbilder - so koennte man laut Kurator
Gerald Matt die Ausstellung auf sich einwirken lassen.

Am 16. Maerz, 17 Uhr, wird Hans-Peter Feldmann im "Kuenstlergespraech"
seinen Background zur Fotoserie hoechst persoenlich erklaeren koennen,
waehrend die Gespraechsreihe, ein Teil des Begleitprogramms von "Die Toten",
mit dem Auftritt von Bettina Roehl (20. Maerz) eroeffnet wird, die in
Deutschland zur meistzitierten Repraesentantin der
"Keine-Gnade-fuer-die-Ex-RAF"-Stimmung geworden ist. Die Tochter Ulrike
Meinhofs hat alle im Visier, die sich um ein differenziertes Meinhof-Bild
bemuehen, und versuchte vor einigen Jahren vergeblich, die Berliner
RAF-Ausstellung zu verhindern. Vielleicht reiht sie auch Matt in die
"Sympathisantenszene" ein.

Die aktuelle, aufgeregte Debatte ueber das Gnadengesuch des Ex-Terroristen
Christian Klar fuegt sich wie ein unvorhergesehenes Begleitrauschen ins
Veranstaltungskonzept. Selbst die liberalste unter den oesterreichischen
Tageszeitungen empfahl dem deutschen Staat , keine Gnade gegen den bereits
ein Vierteljahrhundert hinter Gittern lebenden Klar walten zu lassen. Mit
seiner "bizarren Grussbotschaft aus dem Gefaengnis" an die
Rosa-Luxemburg-Konferenz habe der 54-Jaehrige dem deutschen Staatsoberhaupt
"kaum eine Wahl gelassen, als dieses Gnadengesuch abzulehnen", schrieb Eric
Frei. Und weiter: "Offenbar denkt Klar heute noch genauso wie bei seiner
Verhaftung vor 25 Jahren."

Revolverjournalismus nimmt gelegentlich die Farbe des Lachses an. Hatte Klar
erklaert, dass er weiterhin unverrueckt zur terroristischen RAF-Politik
stehe? Nichts dergleichen. Eine kurze Erklaerung, die er fuer die von der
Tageszeitung »junge Welt« organisierten Rosa-Luxemburg-Konferenz verfasst
hatte (diese fand uebrigens schon am 13. Januar statt) , sorgte fuer den
Medienrummel. Es ist mitnichten ein Aufruf zur Fortsetzung des bewaffneten
Kampfes. Der ehemalige Philosophiestudent Klar sieht vielmehr unter
Rueckgriff auf Theorieelemente der Frankfurter Schule den Kapitalismus als
vergaenglich an und ruft die Linke auf, den Kampfesmut nicht zu verlieren.

Da muesste man viele einsperren, wenn Kapitalismuskritik kriminell waere, so
lautete der Tenor der Publikums-Diskussion im online-Standard. "Die Wahrheit
ist doch - Christian Klar waere laengst frei, wenn er Nazi gewesen waere und
ein paar hundert Menschen auf dem Gewissen haette!", auch diese Lesermeinung
ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Immerhin informierte der "Standard",
dass der Intendant des Berliner Ensembles, Claus Peymann, die
kapitalismuskritischen Aeusserungen des deutschen Ex-Terroristen
verteidigte. "Das sind auch meine Ansichten", sagte Peymann.

(Augustin)

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"Die Toten" in der Kunsthalle Wien, Museumsquartier
16.3. bis 29. 4. 2007, 10 bis 19 Uhr (Do bis 22)
Infos ueber die Filmmatinees (8 Filme, jeder Sonntag im
Ausstellungszeitraum, 11 Uhr) und ueber die sechsteilige Gespraechsreihe:
http://www.kunsthallewien.at

Haftanschrift:
Christian Klar c/o JVA Bruchsal Schoenbornstr. 32
D-76646 Bruchsal


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