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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 13. Maerz 2007; 16:37
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Fremd/Recht:

> Kein Asyl fuer vergewaltigte Frauen

Dass die derzeitige Asylrechtssprechung kein menschenwuerdiges und
rechtsstaatliches Verfahren gewaehrleistet, ist schon laenger bekannt. Aber:
Mit welchen Begruendungen die Asylbehoerden ueber das Schicksal zweier
weiblicher Fluechtlinge wird, muss auch der Oeffentlichkeit bekannt gemacht
werden:

Beide Frauen stammen aus einem Land, in dem seit mehr als 15 Jahren
Buergerkrieg herrscht. Es gibt keine anerkannte Zentralregierung, keine
Polizei, keine Behoerden, wie wir sie kennen. Beide Frauen sind Angehoerige
einer Minderheit und werden im Sinne der Genfer Fluechtlingskonvention
verfolgt.

Eine der beiden Frauen wird ueber einen Zeitraum von mehr als 15 Jahren
immer wieder von bewaffneten Milizen vergewaltigt, sie wird auch fuer einige
Monate verschleppt. Ihre Schwestern werden erschossen, weil sie sich gegen
eine Vergewaltigung wehren. Sie schafft es, ueber die Mauer des Lagers der
Milizen zu springen, verbrennt sich dabei ihr Bein an brennendem Muell --
und dann gelingt ihr die Flucht nach Oesterreich, alleine, ohne ihre Kinder.

Die Referentin am Bundesasylamt Eisenstadt, ADir. Doris Klikovics, gewaehrt
ihr aber kein Asyl, weil sie ihr nicht glaubt. Weil unsere Klientin die
ungefaehre Anzahl der Vergewaltigungen nicht angeben kann. Sie glaubt ihr
nicht, dass sie ueber einen Zeitraum von mehr als 15 Jahren nicht mehr
mitzaehlen konnte. Klicovics meint naemlich: Eine Vergewaltigung ist doch
ein "einschneidendes Erlebnis fuer eine Frau", an die ungefaehre Anzahl
muesste sie sich doch erinnern koennen. Und Klikovics glaubt auch nicht,
dass die Brandwunde bei ihrer Flucht aus dem Lager der Milizen entstanden
ist. Weil sie zuerst ein anderes Jahr des Entstehens der Wunde angegeben
hat. Dass sie erklaert, durcheinander gewesen zu sein, zaehlt nicht. Ihr
wird vorgehalten, dass sie ja alle anderen Zeitangaben immer gleich
angegeben haette, weshalb dieser Fehler verdaechtig sei. Weil alle anderen
Zeitangaben immer gleich blieben. Klikovics glaubt, sie hat sich einfach so
bei einer Muellverbrennung verbrannt.

Die andere Frau ist Angehoerige einer anderen Minderheit. Sie hat Angst vor
Vergewaltigungen, ein bewaffneter Mann kommt mit zwei Frauen. Sie wollen
ihre kleinen Toechter genital verstuemmeln. Ihr Schwiegervater wird
erschossen. Ihr Mann wird von Milizen verschleppt und kann freigekauft
werden. Ihm gelingt die Flucht nach Oesterreich, er bekommt einen
befristeten Aufenthaltstitel und darf seine Familie schliesslich nachholen.
Und weil die Frau eigene Fluchtgruende hat, erzaehlt sie davon.

Ihre Referentin am Bundesasylamt Eisenstadt ist Doris Klikovics. Klikovics
gewaehrt ihr kein Asyl, weil sie ihr nicht glaubt. Weil sie die Angst vor
der Genitalverstuemmelung ihrer Toechter bei der ersten Befragung durch die
Polizei nicht angegeben hat. Sie glaubt, dass andere Menschen, vielleicht
Fluechtlinge, ihr den Tipp gegeben haben, sie soll von der Angst um ihre
Toechter erzaehlen, weil sie damit ihrem "Asylvorbringen mehr Nachdruck"
verleihen kann. Und weil sie nur vermuten kann, zu welchem Stamm die
Personen gehoeren, die die Toechter genital verstuemmeln wollten, glaubt ihr
Klikovics auch nicht. Auch weil sie nicht weiss, wie der Mann, der ihren
Ehemann freikaufte, mit Nachnamen heisst und wieviel er bezahlt hat, glaubt
sie ihr nicht.

ADir. Doris Klikovics glaubt also einer Frau nicht, weil sie unzaehlbare
Vergewaltigungen nicht auf eine Zahl bringen kann. Obwohl Klikovics selbst
feststellt, dass Gewalt gegen Frauen in diesem Land weit verbreitet ist. Sie
glaubt einer weiteren Frau die Angst vor der Genitalverstuemmelung ihrer
Toechter nicht. Obwohl Klikovics selbst feststellt, dass in diesem Land mehr
als 95% der Frauen genital verstuemmelt sind.

Und noch dazu: Auch wenn die beiden Frauen die Wahrheit sagen wuerden, waere
das kein Asylgrund. Weil sie nicht von staatlicher Seite verfolgt wurden.
Dass es keinen Staat gibt, der sie schuetzen koennte, stellt Frau Klikovics
aber selbst fest. Und das ist ein Asylgrund.

Die Verfolgungshandlungen gegenueber diesen beiden Frauen haben
stattgefunden, wie sie es den Asylbehoerden erzaehlten. Berichte
internationaler Menschenrechtsorganisationen und auch die Rechtssprechung in
vergleichbaren Asylverfahren untermauern dies. Entschieden hat aber hier
eine Referentin, die einfach nichts glaubt, was sie nicht glauben will --
besonders keine frauenspezifischen Fluchtgruende.
*Deserteurs- und Fluechtlingsberatung (gek.)*

Kontakt: Schottengasse 3a/1/59, 1010 Wien; Tel.: +43/1/533 72 71, Fax.:
+43/1/532 74 16, E-Mail: info@deserteursberatung.at ,
http://www.deserteursberatung.at

Kontakte fuer Beschwerden an die Verantwortlichen:
sekr.bae@bmi.gv.at (Bundesasylamt Aussenstelle Eisenstadt),
ministerbuero@bmi.gv.at (Innenministerium)



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