**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 20. Februar 2007; 15:31
**********************************************************

Medien/"Wirtschaft"/Skandale/Glosse:

> Langsam wird´s auffaellig

Ein Stimmungsbild in Kommentaren

Aufgrund der beiden parlamentarischen Untersuchungsausschuesse sowie der
Vorgaenge bei der Polizei fragt sich jetzt schon massiv selbst die
buergerliche Medienlandschaft, in was fuer einer Art von Republik wir
eigentlich leben. Ohne grosse Recherche stolperten wir binnen weniger Tage
ueber drei einschlaegige Kommentare.

Gerfried Sperl meinte unter "Verluderung ohne Fasching" am 17.2. im
"Standard": "Am Donnerstag wurde bekannt, dass bereits der dritte
hochrangige Beamte innerhalb eines Jahres der moeglicherweise strafrechtlich
verfolgbaren Ueberschreitung seiner Dienstbefugnisse verdaechtigt wird.
Geschenkannahme ist das Stichwort. Dieses international aeusserst beliebte
Delikt wird nun auch dem Luftwaffenchef angelastet, der in Langenlebarn eine
aus den Eurofighter-Toepfen bezahlte Party schmiss. Haette man ihm gar nicht
zugemutet, angesichts der Kompetenz, die der General Wolf in Gespraechen
zeigt. Aber es ist erstaunlich, dass intelligente Menschen (die
Irrtumsvermutung gilt auch hier) immer wieder an banalen Neigungen
scheitern -- der eine an militaerischen Belustigungen, der andere an
sexuellen Attraktionen, der dritte an den Verfuehrungen des provinziellen
Luxus. Wundert es da noch jemand, dass Peter Westenthaler in Sachen Bawag
und Floettl versuchte, woran er aus der Praxis des ORF gewoehnt war: die
Interventionsmaschine anzuwerfen. [...] Verluderung? Natuerlich. Denn
letztlich geht es immer um Qualitaet. In der Politik. In den Medien. [...]
Das fuehrt uns noch nicht schnurgerade in italienische Zustaende. Aber wir
muessen wirklich aufpassen, dass der Grundsatz ´Anything goes` nicht zur
Maxime der politischen und wirtschaftlichen Eliten des Landes wird."

Kurt Horwitz meinte unter "Geheimnisvolle Netzwerke" am 16.2. in den
"Vorarlberger Nachrichten": Helmut Elsner ist eine schillernde
Persoenlichkeit: Im Maerz 2003 war Wolfgang Schuessel bei einer Reise in die
bulgarische Hauptstadt Sofia sein Gast. Mit von der Partie: Ex-OeVP-Obmann
Josef Taus und der langjaehrige Bawag-Geschaeftspartner Martin Schlaff. Taus
hat Elsner dann im September 2006 in Frankreich einen Privatbesuch
abgestattet; Schlaff hat fuer ihn die Kaution in Hoehe von einer Million
Euro erlegt, die der Ex-Bawag-Chef fuer seine Freilassung aus franzoesischer
Haft benoetigt hat. Der ruehrige Unternehmer hat spaeter auch das
Einstandsfest fuer Bundeskanzler Alfred Gusenbauer am Abend von dessen
Angelobung gegeben. Dem suspendierten Wiener Landespolizeikommandanten
Roland Horngacher wird vorgeworfen, von Elsner Reisegutscheine ueber
insgesamt 8000 Euro erhalten zu haben - moeglicherweise als Gegenleistung
fuer die Weitergabe von Polizei-Informationen ueber Geschaeftspartner. [...]
Die Bawag selbst hat zwar ebenso wie der OeGB den Ruf einer
sozialdemokratischen Hochburg. In Wirklichkeit hatte aber auch die OeVP
immer einen Fuss in der Tuer -- ebenso wie im Gewerkschaftsbund selbst. Dass
die Bawag den Eurofighter-Kauf vorfinanziert und daran gut verdient hat,
gilt in politischen Kreisen deshalb nicht als reiner Zufall. Eine Hand
waescht die andere: Umso wichtiger waere eine Antwort auf die Frage, wo die
verschwundenen Bawag-Milliarden tatsaechlich geblieben sind. [...] Der
Staatsanwalt ist dem Verbleib des Geldes bisher nicht nachgegangen. Ihm
wuerde fuer eine Verurteilung Elsners und seiner Mitangeklagten der Nachweis
genuegen, dass Betrug und Bilanzfaelschung im Spiel waren.
Parteienfinanzierung und persoenliche Bereichung ueber das Einstreichen
ungerechtfertigter Erfolgs- und Abfertigungspraemien hinaus konnten bisher
nicht nachgewiesen werden und sind auch nicht angeklagt. Unklar ist bisher
auch, wie gross der Kreis der Mitwisser tatsaechlich gewesen ist. [...]
Abseits von der Frage, wie ein Betrug und Verluste in dieser Groessenordnung
so lange unbemerkt bleiben konnten, ist die Aufdeckung der politischen
Netzwerke rund um Elsner und die Bawag der wirklich entscheidende Punkt.

Und auch der Leitartikel der " Presse" beschaeftigte sich mit Elsners Fall.
Unter "Ein Prosit der Gemuetlichkeit" heisst es am 15.2.: "Jeder
dahergelaufene Bankraeuber wird zurecht beim geringsten Verdacht hinter
Schloss und Riegel gebracht. Der kann sich nicht zwischen Voruntersuchung
und Gerichtsverhandlung spontan nach Suedfrankreich verabschieden.
Geschweige denn, dass er einen Teil seines Vermoegens noch schnell seiner
Frau ueberschreibt. Jetzt muss man natuerlich einwenden, dass Herr Elsner
kein gewoehnlicher Bankraeuber ist. Und fuer ihn gilt natuerlich die
Unschuldsvermutung. Unabhaengig davon entspricht die Schadenssumme, die er
mutmasslich zu verantworten hat, immerhin etwa 100.000 Bankueberfaellen.
Oder anders ausgedrueckt: So viel Geld wie die Bawag unter Elsner
verspekuliert hat, erbeuten Wiens Bankraeuber in den naechsten eineinhalb
Jahrtausenden nicht."

Und wenn das sogar schon das Kampfblatt der Reaktion (zugegebenermassen bei
einem gewerkschaftsnahen Manager, aber immerhin) bemerkt, dann steht die
Republik auch in einer breiten Oeffentlichkeit nicht mehr so toll da. Auch
die Berichterstattung beispielsweise im ORF ueber den Fall jener
Akademikerin, die ihre Kinder jahrelang eingesperrt liess, wobei sehr klar
darueber spekuliert wurde, ob die Behoerden einfach wegen deren
gesellschaftlichen Status viel zu lange weggesehen haben, passt da ins Bild.
Denn dass dem so ist, dass es sich bessere Leute richten koennen, weiss der
Volksmund schon lange. Dass aber die veroeffentlichte Meinung in breiter
Front mittlerweile das auch zu begreifen beginnt, ist doch einigermassen
neu. Ob das irgendwelche Konsequenzen haben wird, ist mehr als fraglich. Die
Thematisierung ist aber doch erfreulich.
-br-



***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellen
Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nicht
wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein. Nachdruck
von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete
Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von
Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als
Abonnement verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann
den akin-pd per formlosen Mail an akin.buero@gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero@gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin