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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 30. Jaenner 2007; 09:29
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OeGB/Glosse:

> Das Siechtum wird fortgesetzt

Der Bundeskongress des OeGB hat einige positive Neuerungen gebracht:
verstaerkte Einbeziehung der Frauen in den Gremien, Ausbau der
Finanzkontrolle, Erprobung von Elementen der direkten Demokratie. In der
Hauptsache aber war der Kongress ein Misserfolg und deshalb wird sich das
Siechtum des OeGB in den naechsten Jahren fortsetzen. Der OeGB hat schon
seit einiger Zeit seine ideologische Geschaeftsgrundlage verloren und es
gibt keine Anzeichen, dass er in absehbarer Zeit eine neue erfolgreiche
ideologische Ausrichtung findet. In der Vertretung der Interessen der
Arbeitnehmer (Ausbildung, Beruf, Pension, Gesundheitswesen) haben die
Gewerkschaften weder eine klare Strategie (was sie in welcher Zeit mit
welchen Mitteln erreichen wollen) noch eine geeignete Taktik (wie sie zum
jeweiligen Zeitpunkt die Einzelschritte setzen). Ausserdem ist die
personelle Erneuerung nicht gelungen. Die alten Verwalter, sofern sie nicht
in Pension sind oder vor Gericht stehen werden, sitzen wieder in den
fuehrenden Gremien (trotz der beiden spektakulaer fehlgeschlagenen
Kandidaturen bekleiden die Betroffenen noch immer hohe Positionen).

In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg war die ideologische Grundlage
des OeGB die Sozialpartnerschaft. Der Wiederaufbau von Wirtschaft und Staat
unter den Schutzgesetzen einer ernuechterten Gesellschaft hat auch den
ArbeitnehmerInnen einiges gebracht. Das war die Strategie der
Sozialpartnerschaft.

Mit dem Eintritt in die EU und dem Aufkommen des Neoliberalismus hat sich
die Lage grundlegend veraendert. Der Kern der heutigen Sozialpartnerschaft
ist strategisch eine Umverteilung von unten nach oben und taktisch das
Ruhighalten der ArbeitnehmerInnen durch kleine Verbesserungen, frei nach dem
Motto: Es koennte ja noch schlechter kommen.

Den ideologischen Schutzschild der Neoliberalen (auch in der
Sozialpartnerschaft) gibt das Totschlagargument der "Globalisierung" ab. In
dieser Szenerie schwankt der OeGB halt- und hilflos! Die Gewerkschaften
haben seit ihrer Gruendung einen weiten Weg zurueckgelegt: von einer
kaempfenden Organisation der Arbeitnehmer zur "menschlichen Kraft". Unter
diesem Titel schreibt der alte und neue Praesident Hundstorfer einen
Gastkommentar im Kleinformat (23.01.07). Darin gibt er auch gleich eine
Kostprobe seiner wirtschaftspolitischen Flexibilitaet. Er will unter anderem
"kuerzere Arbeitszeiten fuer mehr Arbeitsplaetze" (und meint damit wohl die
OeGB-Forderung nach der 35-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich, Anmerkung
der Verfasser). In seiner treuherzigen Art hat er vergessen, dass er im
Rahmen eines Sozialpartnerabkommens bereits einer grundsaetzlich moeglichen
Ausweitung des Arbeitstages auf zwoelf Stunden zugestimmt hat. Und das
bedeutet neben dem gesundheitlichen Raubbau auch die Moeglichkeit einer
geringeren Bezahlung mit Hilfe einer entsprechende Durchrechnung.

Natuerlich ist klar, dass unter den Bedingungen der Globalisierung die
Gewerkschaften nicht einfach einen Streik nach dem anderen durchfuehren
koennen. Die heutige Lage erfordert Aufklaerung ueber Grundsaetzliches:
stark wachsender Reichtum der Gesellschaft, Moeglichkeiten der Veraenderung
wie Umverteilung durch andere Steuerpolitik, Gesetze zum Schutz der Menschen
und zur Zaehmung des grossen Kapitals und Wege der Durchsetzung (lang
andauernde, gruendliche Aktionen in Einheit mit anderen Organisationen und
gegebenenfalls die Abhaltung von Volksabstimmungen).

Die Gewerkschaften muessten aufzeigen und vormachen, wie der wachsende
Reichtum der Gesellschaft durch politisch demokratisches Handeln der
Mehrheit der Menschen eben dieser Mehrheit zu Gute kommen kann. Dazu ist der
OeGB seit Jahren nicht mehr imstande. Ein wesentlicher Grund liegt in dem
Umstand, dass Weggefaehrten des Neoliberalismus auch im OeGB an den
Schalthebeln der Macht sitzen. Der BAWAG-Skandal ist geradezu ein
Musterstueck neoliberaler Umverteilung. Und er ist keineswegs nur das Werk
von Dreien, die vom Weg der Solidaritaet abgekommen sind. Jedermann, der in
einer grossen Firma arbeitet, weiss, um einen Konzern zu ruinieren (und die
BAWAG und der OeGB sind ein Konzern), bedarf es eines Netzwerkes an den
Schalthebeln der Macht.

Dieses Netzwerk muss nicht nur das Schurkenstueck organisieren helfen -
zumindest in dem Sinn, dass es leider nichts bemerkt - sondern vor allem ein
Betriebsklima schaffen, das die Mitwisser so entmutigt, dass sie den
Ungereimtheiten nicht nachgehen und die Sache auffliegen lassen. Dazu ist
ein Klima diffuser Angst notwendig und das wirkt, indem die ersten Kritiker
"niedergebuegelt" und "kaltgestellt" werden und solcherart weitere
Nachfragen verhindert werden.

Heute geben alle fuehrenden GewerkschafterInnen (inklusive derer, die seit
Jahren in der Fuehrung sitzen) zu, dass im OeGB jahrelang vieles falsch
gelaufen ist und sie sprechen von derNotwendigkeit eines lang andauerndem
Reformprozesses. Die Basis hat sie nie gehindert, rechtzeitig die
notwendigen Reformen in Gang zu setzen. Leider haben sie nichts gewusst,
nichts bemerkt! Wenn das stimmt - was befaehigt sie dann heute wieder
obenauf zu sitzen?

Wie kann das "Nichtwissen" und "Nichtmerken" zu einer entscheidenden
Qualitaet ihres Fuehrungsanspruches werden? Die Antwort ist einfach:
Waehrend die Basis mit offenem Mund den oekonomischen Zusammenbruch des OeGB
erlebt, haben sie flink in aller Stille ein neues Netzwerk aufgebaut. Weil
sie in der Fuehrung sitzen, haben sie einen erheblichen Machtvorsprung bei
der Neuverteilung der nun noch knapper gewordenen Mittel. So funktioniert
ein Netzwerk: Wer dabei ist, gehoert zu den Gewinnern! Also versucht man
selber dabei zu sein und andere fern zu halten.

Bei OeGB Kongressen ist traditionellerweise die Haelfte der Delegierten
waehrend der Debatten nicht im Saal. Wozu auch? Die Mehrheiten sind
organisiert, die Minderheit der KritikerInnen soll sich aussprechen - das
ergibt ein schoenes Bild der demokratischen Tradition! Es ist hoechste Zeit,
dass die Umstaende und die Methoden, mittels derer auf allen Ebenen der
Gewerkschaft Delegierte ausgewaehlt werden, einer genauen Pruefung
unterzogen werden.

Ein weiterer wichtiger Grund fuer die Laehmung der potentiellen Kraft des
OeGB ist die jahrelange Desinformation in allen Gewerkschaftsmedien und
Gremien. Die Erfolge wurden aufgeblasen, die Misserfolge klein geredet oder
verschwiegen. Grundlegende Analysen der Lage und daraus folgende notwendige
Strategiedebatten wurden nach Moeglichkeit verhindert.

Das ist auch der Grund, warum sich so wenige Mitglieder bei der Aufarbeitung
des BAWAG-Skandales zu Wort gemeldet haben. Die meisten waren empoert, aber
auch verwirrt und die besser Informierten merkten bald, dass der Wind wieder
aus der alten Richtung weht und resignierten.

Was soll man nun tun? Auf keinen Fall soll man warten, ob und bis die
Fuehrung von oben einen Aufschwung der Gewerkschaften zustande bringt! Wir,
die Basis, wir muessen es schaffen. Wenn uns zuwenig geholfen wird, dann
muessen wir uns selber helfen. Die Betriebsraete koennen ihre eigenen Medien
aufbauen (Betriebszeitungen, Flugblaetter, Internet) sowie geeignete Medien
in Anspruch nehmen. Sie und andere Mitglieder sollen zu den Veranstaltungen
der Gewerkschaften gehen, dort mitreden, Vorschlaege machen und gleich auch
selbst die Umsetzung in die Hand nehmen.

Eine gruendliche Analyse der Situation und eine erfolgreiche Strategie der
Verwirklichung von gefassten Beschluessen erfordert qualifizierte
Information, Beratung und Partnerschaft in der Aktion. Deshalb sollten wir
uns auch an andere NGOs (Nichtregierungsoranisationen) wenden.

Auf allen Feldern der Gesellschaft gibt es Organisationen, die fuer das
Wohlergehen der Menschen arbeiten und die wertvolle Faehigkeiten angehaeuft
haben. Von ihnen wird so manches vorangetrieben, wofuer sich frueher
Gewerkschaft und Sozialdemokratie verantwortlich gefuehlt haben. Ein breites
Netzwerk der Zivilgesellschaft kann eine Einheit und Kraft der Aktion
erreichen, die das neoliberale Netzwerk von oben ueberwinden kann!

Der OeGB muss reformiert werden. Am ehesten kann er von unten her reformiert
werden.
*Gerhard und Hans Kohlmaier, Steuerinitiative im OeGB*


Quelle: http://www.steuerini.at/aktuellerkommentar.htm



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