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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 10. Oktober 2006; 19:51
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Grundeinkommen/Debatte:

> Wo bleibt Marx?

Unabhaengig vom Wahlergebnis bin ich ueber die
Grundsicherung/Grundeinkommen-Debatte (zuletzt in akin-pd 26.9.2006)
konsterniert. Hat denn niemand der Diskutanten Marx studiert oder sich ueber
die Geschichte der europaeischen Arbeiterbewegung Gedanken gemacht?

Anders gesagt: Sollte Mensch gegen den Achtstundentag sein, weil er den
Kapitalismus ertraeglicher gemacht hat? Oder kann man eine Bewegung fuer
irgendeine Verbesserung der Lage der Bevoelkerung als mobilisierend fuer
eine bessere Gesellschaftsordnung nuetzen?

Fuer mich waere eine Grundsicherung ein erster Schritt, dann koennten wir
sehen, wie es weiter geht. Vielleicht waere der Grundgehalt der naechste
Punkt. Frueher hatten Marxisten allerdings gemeint, dass Naturalleistungen
(Krankenversicherung, billige Kindergaerten, Schulen ...) die
Lebensbedingungen der Bevoelkerung zweckmaessiger verbessern als Geld.

Zur politischen Landschaft allgemein: es stellt sich immer mehr heraus, dass
Organismen mit aehnlichen oder gleichen Strukturen aehnliche Lebenslaeufe
haben - nicht nur biologisch sondern auch in der Gesellschaft. Der OeGB und
die SPOe haben im Grunde eine zentralistische Struktur (stalinistisch) und
damit alles, was die Sowjetunion zum Scheitern brachte.

Bei uns hat es sich auch noch nicht herumgesprochen, dass "Gewerkschaft"
nicht unbedingt "staatstragende Einheitsgewerkschaft" bedeutet. In den
meisten demokratischen Laendern gibt es mehrere autonome Gewerkschaften
(z.B. Frankreich).

Die Struktur der Gruenen hat sich an die buergerliche Realitaet angepasst.
Daher ist es nur logisch, dass Gruene lieber mitregieren als opponieren
moechten. Wer erstens "linke Fransen" abschneidet und zweitens unklar
laesst, mit wem eine Koalition moeglich waere, darf sich eigentlich nicht
wundern, wenn Oppositionelle ihn nicht waehlen.

Und jene, die SPOe oder Gruene gewaehlt haben, um gegen die Regierung zu
stimmen, moechte ich nur fragen, welche Verbesserungen auf parlamentarischer
Ebene geschehen sind, die nicht von der breiten Oeffentlichkeit (=
Zivilgesellschaft) verlangt und getragen wurden (z.B. 40-Stunden Woche,
Lebensmittelkennzeichnung). Letztendlich duerfte "die Strasse" mehr
durchgesetzt haben als jede Partei - auch wenn die eine oder andere Partei
dann auf den Zug einer Bewegung aufgesprungen ist.

Ich meine, dass wir, wenn wir nur Verschlechterungen abwehren, heute auf
hoeherem Niveau den Maschinenstuermern gleichen. Die Zukunft lag damals bei
den Arbeiterbildungsvereinen und beim Achtstundentag. Wo gibt es heute einen
Marx, eine Internationale, die auf das Vorhandene aufbaut und begeisternde
Zukunftsvisionen bietet? Als eine Vorlaeuferin solchen Denkens koennte ich
mir ATTAC vielleicht vorstellen.

Es wuerde mich freuen, auf diese Gedankengaenge Stellungnahmen zu bekommen.
*Dora Schimanko*


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