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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 26. September 2006; 19:21
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Grundeinkommen/Debatte:

> Haettest Du geschwiegen...

Sie sassen auf den Baeumen und
saegten an den Aesten,
auf welchen sie sassen
und sie freuten sich ueber die
Arbeitsplaetze auf den Aesten ....

Si tacuisses... habe ich zuerst beim Lesen von Markus Kozas Kritik (akin
22/08, akin-pd 19.9.2006)
am bedingungslosen Grundeinkommen (GEK) und seinem
Lob auf die Gruene Grundsicherung (GGS) gedacht. Er kann aber nix dafuer,
weil er erstens ein Gewerkschafter - und daher dem Primat der Erwerbsarbeit
verpflichtet - ist und darin zweitens in den Spuren von Karl Oellinger
stapfen muss.

In dem von mir in den 1990er Jahren erarbeiteten Modell der GRUeBI NOe sind
Vorschlaege enthalten, wie mit der Einfuehrung eines GEK schrittweise
begonnen werden koennte. Eine Moeglichkeit waere es, das Modell der GGS als
guten Schritt in die Richtung eines GEK zu verstehen, dazu muesste aber die
Erkenntnis reifen, dass sich die beiden Modelle und ihre Verfechter nicht
feindlich gegenueber stehen. In "meinem" Modell wird selbstverstaendlich
weder der Erwerbsarbeitsmarkt noch das darauf aufgebaute Sozialsystem
abgeschafft. Aber natuerlich wuerden einige Formen der bisherigen
Transferleistungen wie zB. Kinderbetreuungsgeld, Mindestpension oder
Familienbeihilfe obsolet und koennten den Kosten eines GEK gegengerechnet
werden.

In all den Jahren haette Markus Koza auch die diversen Konzepte von
Grundeinkommen studieren und dabei lernen koennen, dass es deren mehrere -
sogar widerspruechliche - gibt, aber auch einige Kriterien, an denen man die
Redlichkeit der Absichten oder Behauptungen messen kann.

Die Kriterien sind neben der existenzsichernden Hoehe des Betrages die
Zugangsbestimmungen:

1) Das oben genannte Modell geht vom Ausgleichszulagenrichtsatz fuer
alleinstehende ASVG PensionistInnen aus, weil dem Gesetzgeber die (damals
etwa 7.800,- oeS) derzeit netto 656,- Euro fuer ein Leben in Wuerde zu
reichen scheint; Mir persoenlich waere das zu niedrig.

Fuer Haushalte mit mehreren Personen schaut es natuerlich anders aus. Fuer 2
Erwachsene mit zwei Kindern kommen da schon 1.968,- bis 2.296,- Euro netto
heraus, je nach Alter der Kinder. Und das ohne Erwerbsarbeit, ohne
Verpflichtung in einen AMS-Kurs zu gehen oder sonst wie zu beweisen, dass
man /frau "nuetzlich" ist.

Die Hoehe eines GEK aber auch einer GGS oder eines Mindestlohnes haette
ueber die Marktmechanismen (Angebot, Nachfrage, Kaufkraft) eine nicht
wirklich berechenbare Auswirkung auf Preise und auch Loehne.

Der Hoffnung auf steigende Loehne fuer unangenehme Arbeiten steht die --
auch von Markus Koza geaeusserte -- Befuerchtung gegenueber, dass
Dienstgeber den Arbeitslohn als Zubrot zum GEK betrachten und
dementsprechend weniger zahlen (wollen). Markus uebersieht dabei aber, dass
diese Problematik erstens auch fuer die GGS gilt und zweitens etwas mit
Gewerkschaftsmacht (wos isn des??) zu tun haette.

2) Die Zugangsbedingungen sind "allgemein und bedingungslos" gemeint, die
Abgrenzung zu AuslaenderInnen der verschiedenen Kategorien (ZuwanderInnen,
GastarbeiterInnen, EU-BuergerInnen, AsylwerberInnen, Fluechtlinge etc.)
wurde noch nirgends wirklich ausdiskutiert.

Ein GEK ist ebenso wie die GGS trotz Gegenrechnung von obsoleten
Sozialtransfers nicht ohne Aenderungen des Steuersystems finanzierbar. Die
erste waere der Wegfall der Freibetraege der unteren Erwerbseinkommen weil
sie durch GEK ersetzt wuerden. Wenn aber die Einkommen aus Erwerbsarbeit,
die Kapitalertraege und Spekulationsgewinne gerecht besteuert werden, dann
frisst die Progression den Reichen die Summe des GEK wieder weg und die
erwaehnten Millionaere haetten von einem GEK keinen Zugewinn. Gleichzeitig
erspart man sich damit die Bedarfspruefung, weil's eh nur den "Armen"
wirklich im Boersel bleibt.

Wenn wir nix aendern wollen, wird sich nix aendern.

Natuerlich muessen die Auswirkungen auf das sozialpolitische Umfeld sowie
die bestehenden Sozialsysteme und deren Aufgaben bedacht und kompensiert
werden.

Das Modell des Liberalen Forums, das in aehnlicher Form schon von Milton
Friedman und Friedrich von Hajek, den Apologeten der freien Marktwirtschaft,
vorgeschlagen wurde und vom "dm"-Chef Goetz Werner jetzt aufgewaermt wurde,
erfuellt diese Kriterien nicht. Die werden ebenso wenig vom derzeitigen
Grundeinkommen in Brasilien, Luxemburg und Portugal erreicht, weil sie nur
die Wurst vor der Nase sind, die eher als Leistungsanreiz anstatt als
Existenzsicherung funktioniert. Besonders fies ist daher der Vergleich mit
diesen Modellen, die nicht einmal den Anspruch erheben, Armut zu bekaempfen,
Existenz zu sichern oder gar Freiheit zu schaffen.
*Robert Reischer*


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