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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 19. September 2006; 16:42
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Grundeinkommen/Gruene/Debatte:

2)

> Ein Achterl Utopie. bitte!

Ueber die "feige" Grundsicherung

Ich will niemandem seine Utopien nehmen, auch dem Bernhard Redl nicht. Das
Nachdenken ueber eine Gesellschaft, die das Leben und die Existenzmittel vom
Zwang zu irgendeiner Erwerbsarbeit entkoppelt, halte ich fuer sinnvoll -
gerade, wenn die Gesellschaften immer reicher werden, und die menschlichen
und technologischen Produktivkraefte eigentlich die notwendige Arbeit immer
mehr reduzieren. Vor 20 Jahren hat Andre Gorz darueber nachgedacht und in
Buechern wie "Wege ins Paradies" oder "Und jetzt wohin?" seine Utopien
zusammengefasst. Heute ist es Bernhard Redl -- oder Goetz Werner, der Chef
der "dm"-Maerkte. Goetz Werner und Bernhard Redl haben wenig gemeinsam --
ausgenommen die Forderung nach einem garantierten Grundeinkommen. Wuerden
die beiden miteinander diskutieren, wuerde vermutlich auch diese
Gemeinsamkeit wegfallen. Bernhard Redl wuerde sich entsetzt ueber die Werner'schen
Vorstellungen von einem Grundeinkommen zeigen. Aber auch ein "dm"-Chef hat
eben Utopien! Und die heissen: sparen wir uns den ganzen ueppigen,
ausufernden Sozialstaat, schaffen wir die ganze Sozialbuerokratie ab. die
kostet nur Geld und entmuendigt (da wuerde der Bernhard vielleicht
verschaemt nicken!) und schaffen wir ein Grundeinkommen fuer alle. Goetz
Werner hat sogar viel Geld ausgegeben und seine Utopien in grossen deutschen
Medien inseriert, also genau das getan, was Bernhard auch von gruenen
PolitikerInnen einfordert. 1.500 Euro fuer alle, bar auf die Hand! Auch das
Steuersystem will Goetz Werner radikal vereinfachen und auf eine
Verbrauchssteuer in der Hoehe von 50 Prozent reduzieren. Und jetzt kommt das
Kleingedruckte: Weil das alles ja irgendwie finanziert werden will und auch
schon im Vorspann angekuendigt wurde, werden alle Sozialsysteme gestrichen:
Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Pensionen sowieso,
Familientransfers usw... Das muss dann eben aus den 1500 Euro finanziert
werden, wenn nach der radikalen (und unsozialen) Erhoehung der
Verbrauchssteuer noch was uebrigbleibt. Bernhard Redl wird mit Goetz Werners
Utopien nicht klar kommen, doch was sollen seine (Vor)Schlaege fuer die
Gruenen? Jetzt das Grundeinkommen propagieren, damit es nach fruehestens 20
Jahren umgesetzt werden kann? Entschuldigung, aber 1). kandidieren wir
jetzt, 2006, um Vorschlaege fuer die naechsten Jahre umzusetzen und 2). was
ist an einer Utopie radikal, die die ungleiche Verteilung von Einkommen und
Vermoegen vollkommen ausser Acht laesst? Der Satz, den ich ganz oben
geschrieben habe: "die Gesellschaften werden immer reicher" ist naemlich nur
die halbe Miete. Innerhalb der Gesellschaft tut sich einiges.1 Prozent haelt
in Oesterreich ueber 30 Prozent des Gesamtvermoegens, 10 Prozent halten 68
Prozent. Bei den Einkommen ist die ungleiche Verteilung nicht so dramatisch,
aber auch ganz beachtlich. Und jetzt frage ich den Bernhard Redl, warum
ich -- oder meinetwegen der Staat -- den Menschen mit hohen Vermoegen und
Einkommen auch das Grundeinkommen garantieren soll? Damit der Arbeitszwang
faellt? Ich wuerde vermuten, fuer einige in der Gesellschaft gibt es ihn
nicht, selbst wenn sie arbeiten moegen. Zugegeben, meine bzw. die gruenen
Visionen reichen nicht so weit: wir wollen mit dem Gruenen
Grundsicherungsmodell folgendes erreichen:

a) das sogenannte Lohnabstandsgebot entschaerfen: das "Gebot" besagt, die
Sozialleistung muss so niedrig gemacht werden, dass die Menschen ohne
Einkommen zum Arbeiten "angereizt" werden. Die Gruene Grundsicherung geht im
Gegensatz dazu vom Recht auf Existenzischerung aus;

b) das soziale Sicherungssystem offener machen: das bestehende System baut
auf Vollbeschaeftigung und Normalarbeitsverhaeltnissen auf - die Gruene
Grundsicherung nicht;

c) die steigende Armut beseitigen, zumindest verringern: mit der Gruenen
Grundsicherung koennen wir das schaffen. Bernhard Redl dazu: "Besser als ein
Stein am Schaedel..., aber im Prinzip ist es die gleiche Idee wie vorher".

Naja, ein etwas schraeges Bild : denn in den meisten Faellen gibt es nach
dem Stein am Schaedel ueberhaupt keine Ideen mehr. Ich bin fuer Ideen, auch
fuer Utopien, will auch nicht ausschliessen, dass ich daneben liege -
vielleicht sollten wir die Verteilungsfrage ignorieren?.Aber da moechte ich
von Bernhard Redl oder sonstwem schon Genaueres wissen und nicht nur ein
Achterl Utopie, abgeschmeckt mit etwas billiger Polemik gegen die
"staatstragenden" Gruenen!
*Karl Oellinger*



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