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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 30. Mai 2006; 19:43
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Pensionen/Glosse:

> Die Reichen brauchen das Sterben der Armen

Am 9. Februar 2006 laesst 'Die Zeit' den Oekonomen und SPD-Abgeordneten Karl
Lauterbach ueber 'Ungerechtigkeiten' beim Rentensystem zu Wort kommen. Kurz
zusammengefasst lautet seine schaurige, aber durchaus bekannte Information:
"Wer wenig verdient, stirbt um Jahre frueher als besser verdienende
Menschen." Daher fordert er massiv eine Aenderung des Rentensystems. Gleich
dem deutschen Rentensystem orientiert sich die oesterreichische
Pensionsversicherung laut Gesetz an der Hoehe des frueheren Einkommens, also
hohe Beitraege bedingen auch entsprechend hohe Pensionen. Dass Menschen mit
hohem Einkommen ihre hohe Rente auch deutlich laenger beziehen, findet kaum
Beachtung. Also wenn jemand 4500 Euro im Monat verdient, geniesst er
statistisch eine sieben Jahre laengere Rentendauer als Bezieher von
Einkommen unter 1500 Euro. Weiters kommt es dazu, dass doppelt so viele
Geringverdiener wie Gutverdiener das Pensionsalter gar nicht erreichen, weil
sie vorher sterben.

Die oeffentliche Diskussion vermittelt oft den Eindruck, es finde ohnehin
schon eine Umverteilung von Reich zu Arm statt, laut Lauterbach ist dies
umgekehrt: Die Reichen brauchen das Sterben der Armen! Denn -- wuerde die
Lebenserwartung der Einkommensschwachen nur auf das Niveau der mittleren
Einkommensgruppen angehoben werden, waeren die Pensionen langfristig nicht
mehr finanzierbar. Einkommensschwache zahlen mit ihren Beitraegen fuer die
langen Bezugszeiten der hohen Renten von Mehr- und Vielbeziehern. Sowohl das
Aequivalenzsystem in der Pension als auch das Solidarsystem in der
Gesundheit seien eine Illusion -- eine Illusion wie die Chancengleichheit im
Bildungssystem. Denn Bildung, Arbeit, Gesundheit und Lebenserwartung haengen
viel staerker von Herkunft und Einkommen ab, als uns die Parteien vorgaukeln
wollen. Das belegt auch eine Studie von Davey Smith, deren Inhalt sich auf
die Aussage zusammenfassen laesst: ''Gesundheit und Sterblichkeit sind stark
abhaengig von der sozialen Schicht, der ein Individuum zugehoert. (zu lesen
in 'DIE ZEIT' vom 09.02.2006 Nr.7). Auch die Wiener Aerzte Zeitung vom
14.03.2005 widmet sich diesem Thema: 'Die Sterberate nach einem Schlaganfall
ist bei Menschen mit niedrigem Einkommen oder mit wenig respektierten
Berufen erhoeht'. Das konnte erneut in einer medizinischen Studie belegt
werden, die fuenf Jahre lang in Oesterreich lief.

Besonders schlimm trifft es Bauarbeiter, die im Sommer ein enormes
Arbeitspensum haben, im Winter dafuer arbeitslos sind und viel Geld
verlieren -- bis zu einer dadurch entstehenden geringeren Pensionsleistung.
Doch die Reichen wollen ganz schnell neue Haeuser bauen, und daher erklaert
Peter Punkenhofer, stv. Landessekretaer der Gewerkschaft Bau Holz (GBH) OOe:
"Bei 50 bis 60 Grad Celsius koerperliche Schwerarbeit zu leisten, ist die
taegliche Realitaet fuer viele Baubeschaeftigte. Spitzentemperaturen von bis
zu 90 Grad Celsius sind auf Baustellen keine Ausnahme." Die Bauarbeiter
wuerden sich so buchstaeblich kaputt arbeiten. Die AK bestaetigt die
GBH-Schwerarbeitsstudie: 'Die durchschnittliche Lebenserwartung der
Bauarbeiter liegt bei lediglich 62,7 Jahren (!). Man muss sich das
vorstellen: 'Nur ca. 0,9 Prozent der Baubeschaeftigten sind aelter als 60
Jahre, der durchschnittliche Pensionsantritt erfolgt mit 57,5 Jahren, die
durchschnittliche Dauer des Pensionsbezuges betraegt nur 3,7 Jahre.'
Saemtliche Plaene zu einer Schwerarbeitsregelung oder Hacklerregelung, die
von der Regierung kommen, sind allein durch diese Faelle als hoechst zynisch
zu bewerten. Aber es kommt noch schaerfer: Wenn jemand 40 Jahre Schwerarbeit
leistet und dann aus gesundheitlichen Gruenden nicht mehr arbeiten kann,
soll er nach den Plaenen der Bundesregierung nicht in die
Schwerarbeitsregelung fallen -- denn dafuer braeuchte er 45
Versicherungsjahre! Es ist einfach unglaublich und eine Schande fuer
Oesterreich:

Denn wenn sich jemand mit 20 Jahren fuer das Arbeiten auf dem Bau
entscheidet, stirbt er mit (durchschnittlich) 62,7 Jahren. Dann braucht er
diesen verlogenen Parlaments-Rummel um seine Pensionsjahre nicht mehr, hat
aber z.b. 40 Jahre fuer die Politiker-Pensionen einbezahlt. Wie gesagt: Die
Reichen brauchen das Sterben der Armen!
*Fritz Pletzl*


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