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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 28. Februar 2006; 22:02
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Post:

> Von "Fixen", "Befristeten" und "Geleasten"

Jener Kollege, der durch Streikaufrufe seinen Job verloren hat (s. akin
4/06; akin-pd 31.1.2006), berichtet ueber die feinen Arbeitsbedingungen im
Briefverteilzentrum Linz der Post AG.


Es stimmt. Die Post bringt wirklich jedem was. Zumindest Werbung und
Rechnungen. Mit der frueher fast schon legendaeren Gemuetlichkeit bei der
Post ist es fuer die ArbeiterInnen, die nicht die "alten" Rechte geniessen,
allerdings vorbei. Umstrukturierung und neue Maschinen brachten ihnen nur
Arbeitshetze und unbezahlte Flexibilitaet.

Der Arbeitsalltag besteht aus staendig schnell und monoton arbeiten,
rumlaufen, Maschinenlaerm. Eine halbe Minute "Leerlaufzeit" ist selten.
Regelmaessig extremer Stress, durchgehend rumhetzen und nicht nachkommen ist
die Regel. Wenn wenig Arbeit da ist, wird man auf Minusstunden nachhause
geschickt, bis dahin Vollgas. In den 10 Minuten Pause schnell eineinhalb
Zigaretten rauchen, gegessen wird am Arbeitsplatz neben der Schufterei. Den
meisten ist klar, dass sie das nicht bis zur Pension durchhalten werden,
haben aber keinerlei Aussichten, was sie tun, wenn sie nicht mehr koennen.
Alles in allem sind die dort Beschaeftigten extrem produktiv, ihre
Arbeitskraft wird sozusagen bis aufs Letzte "ausgelutscht".

Fast alle dort haben Angst davor, in Krankenstand zu gehen, wenn sie krank
sind, nicht mehr zu koennen, durch Leasing-Arbeiter ersetzt zu werden, nein
zu sagen, wenn man spontan irgendwann seine Minusstunden abbauen soll, zu
viel Zeit fuers Klo gehen zu verbrauchen usw. Letzteres fuehrt dazu dass
fast alle aufs Klo rennen. Streitereien, gegenseitige Vorwuerfe und
Antreiberei sind die Folge.

Der Post sind ihre Mitarbeiter ziemlich egal. Vor ca. zwei Jahren starb eine
Frau an der Maschine und die Leitung liess nicht mal die Maschine kurz
abschalten. Die anderen mussten daneben weiterarbeiten!

Fuer diese Arbeit mit deutlichem Fabriks-Charakter, totaler Flexibilitaet
und verdichteter Arbeit erhalten die "Fixen" und "Befristeten" etwas mehr
als 7 Euro netto die Stunde, Leasing-Arbeiter (meistens Maenner) lediglich
ca. 5,40. Letztere bekommen, wenn sie frueher nachhause geschickt werden,
nicht mal Minusstunden "gutgeschrieben" sondern einfach weniger Lohn. So
verdienten zwei Kollegen fuer ein Monat 20 Stunden die Woche wegen 15
Minusstunden lediglich ca. 340 Euro netto. Bis sie nach Hause geschickt
wurden liess man ihnen die Hoffnung, vielleicht fix uebernommen zu werden,
wodurch bei einigen von ihnen fuer diese miese Bezahlung trotzdem eine
relativ hohe Arbeitsmotivation vorhanden war. Natuerlich wurde dann keiner
uebernommen.

So gut wie alle dort Arbeitenden sind teilzeitbeschaeftigt, die meisten sind
Frauen ueber 40 mit geringen beruflichen Qualifikationen. Viele haben vorher
in einem Supermarkt oder in einer Fabrik gearbeitet, ein guter Teil ist aber
auch schon lange bei der Post. Alle sagen, dass das, was sie vorher
gearbeitet haben, besser war, aber aus verschiedenen Gruenden sind sie nun
hier, meistens wegen der mit der Familie noch relativ gut zu vereinbarenden
Arbeitszeit.

Die Belegschaft ist fragmentiert: Leasing-Leute, die kommen und gehen,
Befristete, Fixe ohne "alte Rechte", Techniker und "Pragmatisierte".
Letztere sind kaum dazu zu bewegen, die Arbeit zu machen, welche die anderen
erledigen. Besonders gegen den Arbeitseinsatz an den Maschinen straeuben
sich fast alle jene, die ueber das Post-interne Job-Center dorthin
vermittelt worden waren, erfolgreich.

Ohnmacht der ArbeiterInnen?

Einerseits herrscht durch die Angst um den Arbeitsplatz ein Gefuehl der
Ohnmacht und der Resignation. Es ist wohl kein Zufall dass besonders jene in
der Halle an den Maschinen arbeiten, die am Arbeitsmarkt schlechte Karten
haben und so ihren Job weniger leicht riskieren. Andererseits birgt die
Konzentration der gesamten Briefsortierung auf eine Halle mit wohl weniger
als 100 Beschaeftigten jedoch auch eine hoehere "Arbeitermacht". Ein Streik
an einem derartigen Knotenpunkt haette den Stillstand des Briefverkehrs im
ganzen Bundesland zur Folge, unabhaengig davon ob sich Brieftraeger, Fahrer
usw. beteiligen. Nur relativ wenig Leuten, koennen, wenn sie nur gemeinsam
handeln, einen sehr grossen Druck ausueben. Wichtig fuer zukuenftige Kaempfe
ist somit, sich und anderen diese potenziell existierende Macht bewusst zu
machen. Vielleicht hilft dies auch, die vorhandene Angst zu ueberwinden und
neue Perspektiven zu eroeffnen.
(Aus: soziale haengematte nr.4/gek.)


Kontakt: Allgemeines Syndikat Wien, Redaktionskollektiv der
anarchosyndikalistischen Zeitung "die soziale Haengematte",
haengematte(AT)linuxmail.org



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