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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 14. Februar 2006; 20:41
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Welt/Wirtschaft:

> Konsumpatriotismus alleine schuetzt das Klima nicht!

Nur BIO-Lebensmitteln, die regional hergestellt werden, sollten als
klimafreundlich eingestuft werden duerfen! Warum, soll an einigen Beispielen
wie Fleisch, Paradeiser und Orangensaft reflektiert werden.

"Halte unser Klima rein, kauf Produkte unserer Bauern ein"...dieser
permanent wiederholte Slogan bezieht sich leider nur auf die Transportwege,
die zwischen Bauernhof und "Supermarkt" zurueckgelegt werden. Aehnlich wie
bei der plakativen Bauernhofgarantie* von Billa, die nur garantiert, dass
ein Produkt von einem Bauernhof kommt, wird die Art der Produktion
ausgeblendet. Dabei liegt hier der Schluessel fuer effizienten Klimaschutz.

Soja oder Fleisch aus Brasilien?

Ein Gedankenexperiment soll dies veranschaulichen. Oesterreichisches
Fleisch, insbesondere Schweine- und Huehnerfleisch, wird pro Jahr mit Hilfe
von etwa 750.000 Tonnen Sojaschrot gemaestet. Das Sojaschrot, inzwischen zu
90% gentechnisch verunreinigt, importieren wir mit Schiffen aus Argentinien
und Brasilien. Dann wird es ueber die Lagerhaeuser ueber ganz Europa
verteilt. Stellen wir uns nun vor, anstatt Soja wuerden wir gleich Fleisch
importieren? Aus der banalen Perspektive des Transportes wuerde der
Direktimport des Fleisches besser fuer das Weltklima sein. Das Etikett
´Klimaschutz´ duerfte in diesem Sinne bei uns nur der Biolandbau tragen, da
er auf die importierten Uebersee-Futtermittel weitestgehend verzichtet!

Aufgrund der tragenden Rolle, die Futtermittel fuer die Agroindustrie
spielen, wird die Problematik der Futtermittelproduktion durch Gentechnik
und Regenwaldzerstoerung tunlichst verschwiegen. Vielen Konsumenten wuerde
wohl der Appetit vergehen, wenn sie wuessten, dass Hermine Wech`s "Kaerntner
Bauerngefluegel", deren Slogan "Der Natur verpflichtet" lautet, einen
Grossteil der Gentech-Soja-Importe Kaernten`s zu verantworten hat!

Anstatt voll auf Biolandwirtschaft zu setzen, deren kreislauforientierte
Produktionsart automatisch gesunde Lebensmittel, Energieeinsparung,
artgerechtere Tierhaltung, Wasserschutz, die Erhaltung einer vielfaeltigen
Kulturlandschaft sowie Artenvielfalt und natuerlich Arbeitsplaetze
garantiert, versucht man lieber mit halbwahren Slogans von den wirklichen
Problemen abzulenken.

"Apfelsaft statt Orangensaft"

Erst recht irrefuehrend ist es, wenn in unseren Volksschulen zum Thema
Klimaschutz ein "Kilometer-Fruehstueck" zusammengestellt wird. Auf Basis von
Kilometerdaten wird dann zum Beispiel "Apfelsaft statt Orangensaft" gelehrt.
Orangensaft hat 12.000 km auf dem Buckel und der Apfelsaft dagegen nur ein
paar hundert Kilometer. Was auf den ersten Blick (oeko)logisch erscheint,
stellt sich bei genauerer Betrachtung als voellig uebertrieben dar.

Die meist in der Gegend um Sao Paulo in Brasilien angebauten Orangen werden
nach der Ernte gepresst und der Saft unter Dampf auf 8% seiner Masse
konzentriert. Tiefgekuehlt wird das Orangenkonzentrat anschliessend ueber
12.000 km mit zwei Schiffen pro Jahr nach Europa transportiert. Hierzulande
wird das Orangenkonzentrat wieder mit Wasser verduennt. Aus 80 Gramm
Orangenkonzentrat wird wieder 1 Liter Orangensaft! Energetisch verursacht
die Verteilung der 1-Liter-Orangensaft-Tetrapack mit dem LKW in Oesterreich
sicher aehnlich viel Energie wie der gesamte restliche Transport von
Brasilien. Voellig absurd wird es, wenn dann als Oekotipp unter dem Motto
"Einfach die Welt veraendern - 55 Tipps fuer eine bessere Welt!"**
aufgerufen wird, den Orangensaft erst zu Hause auszupressen. Stellt sich
niemand die Frage, wie die Orangen bis in die Kueche kommen?

Die Herstellung von einem Liter Orangensaft von den Plantagen Brasiliens
verbraucht bis zur Ernte mindestens 5x mal so viel Energie wie der
Transport. Bio-Orangensaft, der im Gegensatz zu den konventionellen Orangen
ohne Gifte und Duengemittel angebaut wird, verbraucht fuer die dieselbe
Menge bis zur Ernte nur halb soviel Energie. Anstatt unsere Kinder mit
irrefuehrenden Berechnungsmethoden zu belasten, sollten Basisinformationen
zu Bio & Fair Trade an der Tagesordnung stehen. Orangenkonzentrat, welches
in Brasilien biologisch und unter Fair-Trade-Bedingungen hergestellt wird,
hat pro Liter also kaum eine schlechtere Energiebilanz als heimischer
Bio-Apfelsaft.

Wir ernten was wir saehen: Oesterreichische Paradeiser mitten im Winter

Ein weiterer Hoehepunkt verfehlter Klimapolitik wurde in den letzten Jahren
marktreif. Angesichts der steigenden Nachfrage nach Sommergemuese im
Winterhalbjahr nehmen die beheizten Gewaechshausflaechen auch in Oesterreich
massiv zu. Die in Verruf geratenen hollaendischen und spanischen Paradeiser
werden vermehrt durch heimische Paradeiser ersetzt. Mitten im Winter werden
regionale Paradeiser geerntet. Ein Kilo Tomaten aus einem beheizten
Treibhaus benoetigt eine Energiezufuhr, die fast 10 kg CO2 entspricht.
Selbst Paradeiser, die per Flugzeug z. B. von den Kanarischen Inseln
geliefert werden, haben pro Kilo mit 7 kg CO2 einen geringeren
Energieverbrauch.1 kg Freiland-Tomaten aus der Region benoetigt nur etwa 100
g CO2-Aequivalente, werden sie auch noch biologisch aufgezogen, halbieren
sich die Emissionen nochmals.

Betrachtet man nur den Energieverbrauch, waere der Anbau von Bio-Paradeiser,
die in klimatisch beguenstigten Regionen Suedeuropas geerntet und mit LKW
transportiert werden, aus energetischer Sicht immer noch vernuenftiger als
Paradeiser aus beheizten Glashaeusern. Es gilt die Faustregel: Die
Gemueseproduktion im beheizten Glashaus ist im Schnitt zehnmal
umweltschaedlicher ist als der Anbau eines entsprechenden Freilandproduktes!

Fuer unser Weltklima gelten die Naturgesetze, nicht die der Wirtschaft

Das Erkennen globaler Zusammenhaenge ist Voraussetzung fuer effizienten
Klimaschutz. Werden sie ausgeblendet, wird Klimaschutz leicht zur
Durchsetzung von Interessen maechtiger Wirtschaftszweige miss-braucht.
Politik und Wirtschaft werden in Zukunft gefordert sein serioese und
nachhaltige Informationen zu Klimaschutz zu unterstuetzen. Denn unser
Weltklima unterliegt den Naturgesetzen. Halbwahrheiten koennen auch nicht
mit noch soviel Werbung wahr gemacht werden. Wenn weiterhin mit
Steuergeldern diese Art von Infokampagnen finanziert werden, duerfen wir uns
nicht wundern, dass uns die Probleme mit Gentechnik, Massentierhaltung, Fast
Food, weiterhin den Weg weisen.
(Aussendung Klimabuendnis Kaernten/gek.)

* bei Merkur wurde schon einmal ein Haifisch-Steak mit Bauerngarantie
angeboten
** Titelstory im Stern, Nr.6/2006

Kontakt: Klimabündnis Koordinationsstelle Kärnten, Christian Salmhofer,
Christian Finger, Andreas Strasser, Rathausgasse 2 / A-9500 Villach, Tel:
04242 / 24617-2 oder 0699-10976125, Fax: 04242 / 24617-4,
mail: kaernten/AT/klimabuendnis.at, http://www.klimabuendnis.at

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