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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 14. Februar 2006; 20:57
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Zeit/Geschichte/Burgenland/Glosse:

> Nur der Platz auf dem Friedhof

Bis in die Provinz-Gemeindestuben sind die Gedanken im "Gedankenjahr" nur
selten gelangt

Ja, wie die Zeit vergeht, das Jahr 2005, Bedenk-Gedenkjahr ist
Vergangenheit, junge Geschichte. In diesem Jahr haette es eine letzte Chance
zur Geschichtsaufarbeitung und Vergangenheitsbewaeltigung gegeben. Einiges
wurde getan, das war erfreulich, vieles blieb allerdings liegen wie es war,
daher kann es keinen Stillstand in Sachen Geschichtsaufarbeitung geben.
"Denn nichts ist geregelt, was nicht gerecht geregelt ist" (A. Lincoln).

Konkrete Beispiele dafuer gibt es im Burgenland, wo der Schreiber dieser
Zeilen zu Hause ist. Gewiss, es hat auch hier einige erfreuliche
Aktivitaeten gegeben, Symposien, Vortraege, Gedenkveranstaltungen. Doch wie
traurig und unfassbar ist es, dass in Gemeinden, die Wohnorte von
Widerstandskaempfern sind, sich kein Ohrwaschel ruehrte. Es haette fuer
diese Widerstandskaempfer, die ja im Kampf gegen die Nazibarbarei ihr Leben
verloren haben, wenigstens bescheidene Gedenkstaetten (Gedenktafeln)
errichtet werden sollen. In das Gedenken haetten alle Naziopfer, auch Roma,
unsere juedischen Mitbuerger, die Euthanasieopfer eingebunden werden sollen.
So hat es auch ein einhellig gefasster Landtagsbeschluss eingemahnt
(Beschluss zur Errichtung von Gedenkstaetten fuer hingerichtete
Widerstandskaempfer und Naziopfer vom 13. Juli 2001, die Red.). Doch nichts
ist geschehen.

Im Burgenland wurden ueber neunzig Prozent der Roma von den Nazibonzen
ermordet, vergast in den Gaskammern von Treblinka und Auschwitz. Die
juedischen Mitbuerger mussten um ihr Leben laufen, alles Hab und Gut
zuruecklassen. Das war auch das Ende ihrer vielen bluehenden Heimatgemeinden
im Burgenland. Viele juedische Mitbuerger wurden von den Nazi eingeholt, das
bedeutete ihren Tod. In der Gemeinde Kemeten gab es eine Roma-Gemeinde, 206
Personen, sie wurden -- vom Baby bis zum Grossvater -- in Auschwitz vergast.
Die dominante Mehrheit des Gemeinderates plus Buergermeister weigert sich
nach wie vor, eine bescheidene Gedenkstaette zu errichten. Dafuer gibt es
unweit des Gemeindeamtes aber einen grossen Denkmalplatz fuer die Soldaten,
die, gewollt oder ungewollt auf der Seite der Hitlerwehrmacht standen und
fuer den Endsieg kaempften und starben. So ist alles beim alten geblieben
trotz Bedenkjahr.

Ein trauriges Kapitel auch in Grosspetersdorf, dort gab es den
Gendarmerie-Postenkommandanten Josef Holaunbrenner, juedischer Abkunft, ein
pflichtgetreuer Beamter. Er kannte die Nuernberger Rassegesetze, er wusste,
was auf ihn zukommt, wenn die braunen Gangster an die Macht kommen sollten.
Am 13. Maerz 1938 war es soweit. Die Nazi ergriffen Holaunbrenner, schlugen
ihn halbtot und transportierten ihn ins KZ Buchenwald, vierzehn Tage spaeter
war Holaunbrenner tot. In Grosspetersdorf weigert sich die
Gemeindeverwaltung, fuer das Naziopfer eine Gedenktafel zu schaffen --
posthumer Dank ist unbekannt! Das Gendarmeriekommando Burgenland sieht das
anders, es soll ein Gedenken fuer Holaunbrenner geben, eine Gedenktafel am
Haus der Volksbank, wo auch die Polizei ihr Buero hat. Die Chefin der
Volksbank lehnte allerdings entruestet ab, als ich in dieser Sache bei ihr
vorsprach. Es gibt in Grosspetersdorf zweifelsfrei einflussreiche
faschistoide Elemente, fuer die das Naziopfer ein posthumes Feindbild ist.

Im benachbarten Hartberg, wo noch in den letzten Kriegstagen im Mai 1945
neunzehn Widerstandskaempfer, darunter zwei Frauen, auf dem Hauptplatz von
Nazi- und Feldgendarmerie bestialisch ermordet wurden, erschlagen und
gehenkt, mit den Fuessen nach oben, weigert sich die Stadtgemeinde fuer die
Naziopfer am Ort des Geschehens, am Hauptplatz, eine Gedenktafel zu
errichten. Bei meiner Vorsprache beim Buergermeister sagte mir dieser: "Die
Naziopfer haben ihren Platz -- auf dem Friedhof."

Ja, alles eine traurige bis zynische Realitaet im Bedenk- und Gedenkjahr,
daher kann es kein Pause vom Bedenken und Gedenken geben. Das sind wir der
Geschichte und allen Naziopfern schuldig!
*Hans Anthofer*


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