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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 31. Jaenner 2006; 17:24
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Buecher:

> Der Kampf um die Koepfe

Ulrich Mueller, Sven Giegold, Malte Arhelger (Hrsg.):
«Gesteuerte Demokratie? Wie neoliberale Eliten Politik und Oeffentlichkeit
Beeinflussen».
VSA-Verlag 2004, 182 Seiten. EUR 12,80


Wer bewegt welche Ideen? Woher kommt es, dass der Geist rechts steht? Und
wie gehen die LobbyistInnen heute mit den Medien um?

Der Dialog hatte es in sich. Eine Frau sucht einen Job und bewirbt sich am
Telefon. Der Mann am anderen Ende der Leitung gibt den Tarif durch: «Wir
sind im Moment ganz besonders auf das Engagement unserer Mitarbeiter
angewiesen, Flexibilitaet steht bei uns an oberster Stelle.» Sie: «Ja,
vielleicht koennte ich erst mal auf Zwanzig-Stunden-Basis ...» Er: «Oh, das
tut mir Leid. Wie gesagt, wir sind ein junges Unternehmen, von einer
Fuenfzig-Stunden-Woche muessen Sie erst mal schon ausgehen, zumindest am
Anfang.»

Dieses Gespraech war Teil der Folge Nummer 1936 der ARD-Fernsehserie
«Marienhof». Bezahlt hat den Dialog die Initiative Neue Soziale
Marktwirtschaft (INSM). Sie liess sich den Eingriff in das Drehbuch dieser
und sechs weiterer Folgen 58.000 Euro kosten, ein vergleichsweise guenstiger
Preis fuer die Themensetzung (mehr Flexibilitaet, laengere Arbeitszeiten) in
einer populaeren TV-Reihe. Dass sie dadurch unzulaessigerweise das Programm
eines oeffentlich-rechtlichen Senders manipuliert und mit Werbung vermischt
hatte, kuemmerte die Initiative wenig -- schliesslich hat die Organisation
mit dem harmlos klingenden Namen und dem buergernahen Anstrich noch ganz
andere Tricks auf Lager.

Die Initiative -- sie wurde im Oktober 2000 gegruendet -- ist ein Kind des
Arbeitgeberverbands Gesamtmetall der deutschen Metall- und Elektroindustrie,
der sie mit 8,8 Millionen Euro im Jahr auch finanziert. Ziel der INSM ist
nach eigenem Bekunden, «die Menschen in Deutschland fuer
marktwirtschaftliche Reformen» zu gewinnen. Und das tut sie auf allen
Ebenen. Sie beschaeftigt eine Reihe von PR-Agenturen, lanciert
Medienspektakel wie den jaehrlich vergebenen Preis «Reformer des Jahres»,
kooperiert mit Zeitungen und Zeitschriften wie dem «Handelsblatt», der
«Financial Times Deutschland», der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung»
und der «HoerZu», platziert auch in Regionalblaettern Texte, schickt fertig
produzierte Beitraege an TV-Anstalten, vermittelt InterviewpartnerInnen und
Talkshow-Gaeste. Im wohl wichtigsten TV-Polit-Talk «Sabine Christiansen»
argumentieren oft gleichzeitig mehrere INSM-Mitglieder fuer diesselbe Sache.

Die Initiative bietet LehrerInnen Unterrichtsmaterial an, organisiert
Veranstaltungen an Kinder-Unis und verfuegt ueber eine Garde von prominenten
«Kuratoren» und «Botschaftern». Die Bandbreite reicht vom gruenen
Finanzexperten Oswald Metzger bis zum ehemaligen SPD-Minister Klaus von
Dohnanyi, von Lord Ralf Dahrendorf bis zum Historiker Arnuld Baring. Und
alle sagen stets dasselbe: Der Staat muss zusammengestutzt werden und die
Steuern senken. Der Arbeitsmarkt gehoert dereguliert, der Kuendigungsschutz
gelockert. Die Loehne und die Lohnnebenkosten sind viel zu hoch. Wer soziale
Sicherung will, muss selber vorsorgen. Mehr Wettbewerb, mehr Effizienz, mehr
Tempo im Bildungsbereich. Und sie praegt Slogans. Das INSM-Schlagwort
«Sozial ist, was Arbeit schafft» haben im Wahlkampf 2005 Angela Merkel
(CDU), Edmund Stoiber (CSU) und Guido Westerwelle (FDP) nachgeplappert.

Vorbild dieser Initiative und aehnlich gestrickter Vereinigungen wie des
Buergerkonvents und des Konvents fuer Deutschland ist die 1947 von Friedrich
August von Hayek, Karl Popper, Milton Friedman und anderen gegruendete
Mont-Pelerin-Gesellschaft, ein Netz von neoliberalen Intellektuellen,
Thinktanks, Stiftungen und Verbaenden, dem auch Gerhard Schwarz, Leiter der
NZZ-Wirtschaftsredaktion, angehoert.

«Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik hatten Lobbyisten so viele
Einflussmoeglichkeiten wie heute, nie zuvor sind sie so offensiv in der
politischen und oeffentlichen Arena aufgetreten», schreibt Thomas Leif von
der JournalistInnen-Organisation Netzwerk Recherche in seinem Beitrag des
Buches «Gesteuerte Demokratie?». Und das, so fuehrt er fort, hat auch mit
«der inneren Verfassung der Medien», der Verleger-Struktur und dem
«veraenderten Selbstbild der Journalisten» zu tun, die sich «als Textmanager
statt als selbstaendig recherchierende Reporter» verstehen. Anstelle des
Hinterfragens, Nachhakens und der Debattenkultur sei das Tina-Prinzip
getreten: «There is no alternative», lautete der Lieblingsspruch der
frueheren britischen Premierministerin Margaret Thatcher, den inzwischen
viele verinnerlicht haben: Es gibt keine Alternative. Dieses Prinzip, so
Leif, «ist einer der Hauptgruende fuer den durchschlagenden Erfolg
neoliberaler Ideologie in Wissenschaft und Medien.»

Diesen Fehler macht der lesenswerte Sammelband des VSA-Verlags nicht. Neben
Beitraegen ueber die Geschichte neoliberaler Einflussnahme auf das Denken
der Menschen, konkreten Fallschilderungen ueber das Vorgehen von
Unternehmerlobbys etwa im Bildungs-, Umwelt- und Gesundheitsbereich und
detaillierten Untersuchungen ueber die Umdeutung von Begriffen
(«Reform-Speech») enthaelt das Buch auch eine Reihe von Texten, die sich mit
Strategien gegen die neoliberale Hegemonie beschaeftigen. (Pit Wuhrer, WOZ
26.1.06)

Das Buch beruht auf den Beitraegen des Kongresses »Gesteuerte Demokratie?«
vom 25. bis 27. Juni 2004 in Frankfurt a.M.

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> Das andere Europa

Unmittelbar zu Beginn der oesterreichischen und ein Jahr vor der deutschen
Praesidentschaft befindet sich die EU-Skepsis in der Bevoelkerung auf
Rekordniveau. Die Debatte ueber den Verfassungsvertrag ist nach der
Ablehnung durch Frankreich und die Niederlande verstummt, das Projekt der
europaeischen Integration steckt in der Krise.

In "Das kritische EU-Buch - Warum wir ein anderes Europa brauchen" (Deuticke
2006), herausgegeben von Attac, analysieren mehr als 20 Autorinnen und
Autoren aus Frankreich, Holland, Deutschland und Oesterrreich die bisherige
EU-Politik, die verschiedenen Politikfelder und ihre Institutionen. Das Buch
zeigt, wer die Politik in Bruessel macht - und fuer wen. Es will nicht nur
verstaendliche Informationen ueber die EU liefern, sondern genauso die
Ursachen der aktuellen Krise aufzeigen und Alternativen zum neoliberalen
Kurs anbieten. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf den Teilbereichen
der Wirtschaftspolitik, wie die Geld-, Arbeitsmarkt-, Steuer- und
Aussenhandelspolitik. Die AutorInnen reflektieren in ihren Aufsaetzen, was
schief laeuft und zeichnen als Loesung die Vision einer echten Umwelt-,
Sozial- und Friedensunion. (Attac-Waschzettel/bearb.)

Mi., 8.2., 14.05. Radio Oe1, Von Tag zu Tag: "Das kritische EU-Buch"
Buchpraesentation mit Podiumsdiskussion: Donnerstag, 9.2., 19.30,
Hauptbibliothek Wien, 7, Urban Loritz Platz 2a, mit Robert Menasse, Alfred
Payrleitner und Christian Felber
Bestellungen unter verwaltung@attac.at oder 01/544 00 10

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