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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 6. Dezember 2005; 19:23
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ORF/Demokratie/Protest:

Nachfolgendes Protestschreiben verfasste Dieter Berdel:

> Ein "Kamerad" als Publikumsrat?

Bei der zur Zeit stattfindenden Wahl zum Publikumsrat des ORF wirbt ein
Kandidat des Oesterreichischen Kameradschaftsbundes (OeKB) im Bereich
"Bildung" um die direkten Stimmen der Rundfunkteilnehmer/innen. Laut
Sonderausgabe der "ORF-Nachlese" hat der Publikumsrat die Interessen der
Hoerer/innen und Seher/innen im ORF zu wahren. Dabei stuenden Personen zur
direkten Wahl, die von repraesentativen Einrichtungen bzw. Organisationen
vorgeschlagen wurden. Der Wahlinformation des ORF ist jedoch weder zu
entnehmen, welche Interessen dieser Kandidat tatsaechlich vertritt, noch was
den OeKB auszeichnet, als repraesentative Einrichtung zu gelten, um eine
Kontrollfunktion in einer oeffentlich-rechtlichen Institution wie dem ORF
auszuueben.

Der eigenen Bildung und Weiterbildung in dieser Frage jedoch durchaus
dienlich ist ein Blick in die offizielle Homepage des OeKB. Unter dem Titel
"Ueber uns" ist dort u.a. zu lesen:

"... 1953 erfolgte die Wiedergruendung der ersten Kameradschaftsverbaende
durch ehemalige Soldaten des I. und II. Weltkrieges mit einer klaren
Zielsetzung. Eine Schicksalsgemeinschaft, entstanden durch gemeinsame
Erlebnisse in einem grauenvollen Krieg, hatte sich zusammengefunden, diese
Kameradschaft weiter zu pflegen und das Andenken an die Toten zu erhalten."

Weiters ist zu lesen:

"Ist der Gedanke einer ,Schicksalsgemeinschaft` traditionell besonders zu
achten, so ist er in der Zwischenzeit dem Begriff einer
,Gesinnungsgemeinschaft` weitgehend gewichen. Tradition stellt somit
Weitergabe von Erfahrungen, Faehigkeiten, Kenntnissen und Einsichten an die
Nachfahren dar."

Nun bin ich der Auffassung, dass eine Organisation, deren Gruendungsanlass
der Krieg ist, 100 Jahre nachdem Bertha von Suttner den Friedensnobelpreis
erhalten hat und 60 Jahre nach Ende des II. Weltkrieges, ganz andere Worte
finden muss.

Naemlich, dass jeder Krieg organisiertes Verbrechen ist, dessen Mittel
Repression, Vertreibung, Raub, Brandschatzung, Folter, Vergewaltigung und
Mord sind. Dies mit "gemeinsame Erlebnisse" zu umschreiben, ist nicht nur
verharmlosend, sondern verhoehnt Millionen Menschen.

Aehnlich wird der Begriff "Schicksalsgemeinschaft" verwendet. Hier wird so
getan, als ob Kriege Fuegungen durch eine nicht naeher beschreibbare Macht
sind. Was den angefuehrten "grauenvollen Krieg" anbetrifft, so hat der
Betreiber einen Namen: das diktatorische Regime der Nationalsozialisten.
Auch wenn viele Soldaten der "Deutschen Wehrmacht" unfreiwillig dabei waren,
so haben sie doch terroristischen Machthabern gedient. Diejenigen
allerdings, die sich dieser Art von Pflichterfuellung entzogen haben,
zaehlen offenbar nicht zu den "Kameraden", sondern duerfen bis jetzt als
sogenannte Deserteure ihr eigenes Schicksal tragen.

Und da laut OeKB der Gedanke einer "Schicksalsgemeinschaft traditionell
besonders zu achten" ist, zwischenzeitlich (zu Friedenszeiten in
Oesterreich) dem Begriff einer "Gesinnungsgemeinschaft weitgehend gewichen"
ist, aber in der Tradition "Weitergabe von Erfahrungen, Faehigkeiten,
Kenntnissen und Einsichten an die Nachfahren" betreibt, ist diese Kandidatur
umso skandaloeser.

Wenn politische Parteien nichts dabei finden, dass Politiker ihres Coleurs
im Bedenkjahr 2005 beim OeKB sind, so ist dies bedenklich. Wenn die
katholische Kirche nichts dabei findet, dass Leute in OeKB-Uniformen und
nicht nur christlichen Kreuzen an der Brust bei Fronleichnamsprozessionen
mitmarschieren, so ist dies scheinheilig. Wenn die ORF-Spitze nichts dabei
findet, dass der OeKB im Bereich "Bildung" eine Kontrollfunktion ausuebt, so
ist dies eine Pervertierung des gesetzlichen Bildungsauftrages. ###



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