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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 22. Maerz 2005; 17:44
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UNO/Kapitalismus/Glosse:

> Ende des Tauwetters

Bei Weltbank und IWF draeut ein Kurswechsel


Bis vor etwa einem Jahr waren die beiden Bretton-Woods-Institutionen
Weltbank und Internationaler Waehrungsfonds noch unter der Obhut zweier
zumindest verbal gemaessigter Wirtschaftspolitiker, naemlich des Amerikaners
James Wolfensohn und des Deutschen Horst Koehler. Beide waren sicher keine
Weltverbesserer, aber zumindest taten sie so, als wollten sie mit den NGOs
zumindest reden. Mag es auch Umarmungspolitik gewesen sein, so war doch von
diesen beiden UN-Finanzkontrollaemtern damit zumindest angedeutet worden,
dass die Kritik an ihnen nicht vollkommen irrelevant sei.

Horst Koehler trat etwas unerwartet im Maerz 2004 zurueck, um sich um das
Amt des deutschen Bundespraesidenten zu bewerben -- manche Beobachter meinen
jedoch, dass er mit den US-Vertretern im IWF nicht zurande kam, weil diese
ihn fuer "zu weich" gehalten haetten. Der Ruecktritt kam so ploetzlich, dass
seine Stellvertreterin das Amt interimistisch uebernehmen musste. Dann
verloren die Konservativen in Spanien die Wahlen und so konnte der dortige
frischgebackene Ex-Wirtschaftsminister Rodrigo Rato das vakante Amt am
IWF-Hauptsitz in Washington D.C. antreten -- ein harter Sanierer und auch
ein enger Vertrauter und Stellvertreter Aznars in Regierung und Partido
Popular, der lange Zeit als wahrscheinlicher Nachfolger seines Chefs
gegolten hatte.

Nun verlaesst der den US-Demokraten nahestehende Wolfensohn das
Praesidentenamt in der Weltbank und als Nachfolger ist jemand designiert,
vor dem man sich fuerchten kann: Paul Wolfowitz, den der Standard treffend
als den "Anfuehrer der Neokonservativen im Pentagon" nannte. Wolfowitz ist
im Gegensatz zu manchen anderen Leuten in US-Regierungskreisen intelligent
und hochgebildet, nur leider halt ein Reaktionaer und ein Mann mit einer
Mission. Und interessanterweise kein Oekonom.

Nun waere es vielleicht einmal gar keine schlechte Idee, jemand ohne
oekonomische Universitaetsausbildung oder Bankerkarriere in dieses Amt zu
hieven, da Oekonomen ja oft genug eine etwas einseitige Sicht auf die Dinge
haben -- aber ausgerechnet einen Militaerpolitiker, einen "Falken" wie
Wolfowitz, den Architekten des zweiten US-Irak-Kriegs?

Noch haben die Europaeischen Vertreter in der Weltbank nicht offiziell
seiner Ernennung zugestimmt. Immerhin koennten sie mit ihrem 30%-Stimmanteil
eine Koalition gegen Wolfowitz basteln. Schliesslich hatten auch die
US-Amerikaner 2000 den erstgereihten Kandidaten der EU-Vertreter fuer den
IWF-Chefposten Caio Koch-Weser nicht akzeptiert und erst beim zweiten
Versuch eben Horst Koehler hingenommen. Aber dazu muessten sich die
Europaeischen Vertreter ersteinmal gegen Bushs Kandidaten einig sein -- was
unwahrscheinlich ist. Da selbst der deklarierte Irakkriegsgegner Gerhard
Schroeder -- der ja wegen der seinerzeitigen Ablehnung seines Kandidaten
Koch-Weser noch einen zusaetzlichen Grund zum Groll haben koennte -- aber
bereits oeffentlich erklaert hatte, dass seine rot-gruene Regierung nichts
gegen Wolfowitz einzuwenden haette, ist die Sache wohl gelaufen. Und wenn
Ulrike Lunacek gestern in einem Standard-Kommentar ausgerechnet unseren
herzigen KHG aufforderte, doch eine solche Anti-Wolfowitz-Koalition ins
Leben zu rufen, muss sie wohl selber gegrinst haben, als sie das in den
Computer getippt hat.

So wird der Weltbank wohl ein Praesident Wolfowitz bluehen. Auch wenn dieser
natuerlich nicht nach Belieben schalten und walten wird koennen, so wird er
hoechstwahrscheinlich doch dieser Institution seinen Stempel aufdruecken.

Das Gespann Rato-Wolfowitz bedeutet nichts Gutes. Wobei Rato wahrscheinlich
noch eher bei seinen Leisten bleiben wird und eine neuerliche Verschaerfung
der Strukturanpassungsprogramme des IWF wohl zu befuerchten ist -- noch ist
Rato nicht schon so lange im Amt, das sich ein klares Bild ergeben haette.

Bei Wolfowitz ist allerdings etwas ganz anderes zu erwarten: naemlich die
Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln, sprich: eine
Wirtschaftspolitik, die sich stark auch am politischen Wohlverhalten von
Schuldnerlaendern gegenueber den USA orientieren wird -- was die
Frontstellung zwischen dem Hegemon und den aermeren Laendern (resp der
antiamerikanischen Opposition in diesen Laendern) sicher nicht verbessern
wird.

Wir gehen interessanten Zeiten entgegen.
*Bernhard Redl*



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