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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 15. Maerz 2005; 20:59
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Parteipolitik/Glosse:

> Regierungs-Metamorphosen

Gemeindesratswahlen haben es in sich. Diese politischen Stimmungsbarometer
koennen jedoch viel mehr. Sie gleichen Chamaeleons, denn sie werden von
Partei zu Partei anders gesehen. Werden die regionalen Wahlen gewonnen oder
wird die Stimmenanzahl behalten, schallt es prompt von der sich freuenden
Partei: "Diese wichtigen Wahlen demonstrieren unsere unermuedliche Arbeit
fuer das Volk - die BuergerInnen wuenschen sich eindeutig eine konsequente
Fortsetzung unserer Bemuehungen." Gehen Gemeindewahlen aber schief, werden
also Stimmen eingebuesst, ertoent es von den Wahlverlierern wie das Amen im
Gebet: "Das sind doch nur oertliche Wahlen - und die haben fuer die
NR-Wahlen ueberhaupt keine Auswirkungen." Einstein haette mit der hoechst
unterschiedlichen, aber jeweils zutreffenden Bewertung derselben Ergebnisse
seine Freude gehabt. Was sich diesen politischen Relativitaetstheorien
entzieht, ist eine kontinuierliche Kette von mehreren verlorenen Wahlen.
Dieser, fuer die betreffende Partei hoechst unerfreuliche Zustand ist
dahingehend fatal, weil sich mit dieser Kontinuitaet das Ausscheiden aus
allfaelligen Koalitionen und Regierungsaemtern verbinden laesst. Die FP
steuert mit ziemlicher Sicherheit einem derartigen Untergangsszenarium
entgegen. Um dies noch schneller zu erreichen, bemueht sich fast die
gesamte, von Wahl zu Wahl schrumpfende Rest-Partei, sich zu spalten. Sollte
mit diesen Vorhaben nicht der Gang in den Untergrund vorbereitet werden,
sind derlei Bemuehungen in der politischen Geschichte als hoechst seltsam zu
bezeichnen.

Also unter der Annahme, dass die FP mit einer ziemlichen Beharrlichkeit auf
das politische Abstellgleis zufaehrt, interessieren natuerlich der Zustand
und die Vorhaben der restlichen Parteien. Die VP kann mit gutem Grund um den
Verlust eines Koalitionspartners jammern, der ihr durch seine unermuedlichen
Eskapaden selbst die schaerfsten Gesetzgebungen verschleierte. So
interessierte die Medien kaum mehr das Aushebeln des Sozialstaates, sondern
die neuesten Streitereien und die letzten Ab- und Umbesetzungen beim kleinen
Koalitionspartner. Wolfgang Schuessel muesste es besonders bedauern, dass es
Joerg Haider als effiziente Ablenkung nicht mehr gibt, denn durch die
Eskapaden des Kaerntner Landeshauptmannes konnte sowohl die VP ziemlich
ruhig vor sich hinwerkeln, als auch die FP mit einiger Daseinsberechtigung
als Regierungspartner am Leben bleiben. Fuer die VP sind diese politisch
erfreulichen Zustaende vorbei. Angesichts der direkten Bedrohung durch die
Sozialdemokraten muss Schuessel die Reservoirs an notwendigen Geschenken
fuer das liebe Wahlvolk wesentlich vergroessern und ausbauen. Das naechste
Jahr kommt bald. Und wenn die Medien sich mehr mit verabschiedeten Gesetzen,
als mit Tohuwabohus der lustigen Koalition beschaeftigen, muss bei manchen
Vorhaben auch einmal Klartext gesprochen werden. Dem lieben Wahlvolk duerfte
es keinesfalls schaden, sich fuer einige Zeit vom Personen- und vor allem
Parteienkult zu verabschieden.

Es wurde schon mehrmals wiedergekaut, aber den Gruenen schadet diese
politische Entwicklung keinesfalls. Sie koennen wie die Maden im Speck
einfach weiter vor sich hinwerkeln und ihren zugegebenermassen ziemlich
differenzierten Interessen nachgehen. Selbst gar nichts tun bringt ihnen
Waehlerstimmen. Und diese werden umso wichtiger, je naeher sich die VP und
die SP stimmenmaessig annaehern. Bequem waere selbstredend die Position als
einzig relevante Oppositionspartei, denn dies wuerde hoechstwahrscheinlich
eine aeusserst knappe grosse Koalition unter Gusenbauer und gleichzeitig den
Ruecktritt Schuessels bedeuten. Nur - dies wird sich nicht so abspielen. Die
baldige Pensionierung von Van der Bellen duerfte den Gruenen ziemliche
Fluegelkaempfe bereiten, woraus aber immerhin eine massive Politisierung der
linken Basis zu erwarten ist. Diese wird spaetestestens bei eventuellen
Koalitionszusagen nach den NR-Wahlen lautstark zu vernehmen sein. Die
Zerreissprobe fuer die Gruenen und die weitere Koalitionsentwicklung werden
die AnhaengerInnen von Eva Glawischnigg und von Karl Oellinger zu
entscheiden haben. Und - etwaige Untergangsszenarien zur Bedeutungslosigkeit
koennten perfekt durch eine gruene Annaeherung an die VP mit Schuessel
erfuellt werden.
*Fritz Pletzl*


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