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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 30. November 2004; 19:59
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Asyl/Recht/Glosse:

> Verfassungsbruch muss strafbar sein!

Der Innenminister hat aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs nichts
gelernt. Die Hauptpunkte seines Asylgesetzes (Neuerungsverbot, Abschiebung
trotz Berufung) wurden als verfassungswidrig aufgehoben. Aber Strasser
kuendigt -- als waere nichts geschehen -- neue Verfassungsbrueche an:

Er will Doppelbestrafungen einfuehren, wie sie sonst nur Laender wie Nigeria
kennen. Er versucht -- ohne Ruecksicht auf die Unschuldsvermutung --
"Verdaechtige" zu kriminalisieren. Vor allem aber moechte er die
unabhaengige Gerichtsbarkeit liquidieren: Nicht nur der UBAS soll weg, der
ihm schon lange ein Dorn im Auge ist, auch der Verwaltungsgerichtshof soll
aus dem Asylverfahren verschwinden. Am liebsten waere ihm: alle Macht fuer
die Polizei.

Ich habe den bekannten Wiener Rechtsanwalt und Menschenrechtsexperten Dr.
Herbert Pochieser um seine Meinung gefragt, wie man diesen Polizeiminister
mit rechtsstaatlichen Mitteln in die Schranken weisen kann.

Dr. Pochieser schlaegt vor, einen Straftatbestand "Verfassungsbruch" zu
schaffen. Der neue Paragraph im Strafgesetzbuch sollte lauten:

"Verfassungsbruch. Wer wissentlich oesterreichisches Verfassungsrecht
missachtet, insbesondere dem Gesetzgeber ein verfassungswidriges Gesetz zur
Beschlussfassung zufuehrt, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu fuenf
Jahren zu bestrafen."

In Anlehnung an die verschaerfte Strafbarkeit von Delikten, die
gewerbsmaessig begangen werden, schlaegt Dr. Pochieser einen weiteren
Paragraphen vor:

"Systematischer Verfassungsbruch. Wer wiederholt einen Verfassungsbruch
begeht, ist mit Freiheitsstrafe von fuenf bis zu zehn Jahren zu bestrafen."

Ueberdies waere -- da Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes immer wieder
in skandaloeser Weise missachtet wurden (Beispiel unter mehreren:
Ortstafelerkenntnis) -- ein weiterer Straftatbestand herzustellen:

"Wer es verweigert, mit den ihm zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln
unverzueglich den der Rechtsanschauung des Verfassungs- oder
Verwaltungsgerichtshofes oder des Obersten Gerichtshofes entsprechenden
Rechtszustand herzustellen, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn
Jahren zu bestrafen."

Die Aufhebung von Gesetzen durch den Verfassungsgerichtshof ist
"unverzueglich kundzumachen". In der Praxis wird die Kundmachung oft
wochenlang verzoegert. Also waere die Verpflichtung zur Kundmachung an eine
Frist von einer Woche zu binden und ueberdies auch hier ein Straftatbestand
einzufuehren:

"Wer die unverzuegliche Kundmachung eines Erkenntnisses der
Verfassungsgerichtshofes verzoegert, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis
zu fuenf Jahren zu bestrafen."

Alle diese Vorschlaege finden wir durchaus -- wie heisst das ? --
verfolgenswert. Wir machen sie hiermit der Oeffentlichkeit bekannt und
leiten sie zugleich den Parlamentsklubs der demokratischen Parteien weiter,
in der Hoffnung auf rasche Erledigung.

Oesterreich muss naemlich wieder ein Rechtsstaat werden. Die Menschenrechte
(die ein Teil der Verfassung sind) muessen endlich wieder gelten in diesem
Land.
*Michael Genner, Asyl in Not*


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