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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 16. November 2004; 20:50
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Religion/Glosse:

> Es nervt!

Die Fundamentalismus-Debatte hat etwas bewirkt, was vielleicht nicht
beabsichtigt war, was uns aber jetzt auf den Kopf faellt: Die angeblich
aufgeklaerte laizistische Gesellschaft Europas misst wieder mit den
Massstaeben der Religion. Nicht einer bestimmten Religion, nein, so tolerant
sind wir schon, aber ploetzlich ist es wieder von Bedeutung, ueberhaupt
einer Religionsgemeinschaft anzugehoeren. Es wird sozusagen stillschweigend
vorausgesetzt, dass alle gutwilligen Menschen sowieso glaeubig, dabei aber
doch tolerant sind. Da reden also in Diskussionen dann die VertreterInnen
der Weltreligionen miteinander und versichern einander, dass in ihren
jeweiligen Religionen das Toeten ja ohnehin verboten sei und kein glaeubiger
Christ, Jude oder Moslem sowas Grausliches tun duerfe. Wieso es in den
letzten paar tausend Jahren doch ziemlich haeufig passiert ist, kann nur
dadurch erklaert werden, dass sich die irregeleiteten Menschen halt leider
nicht an die Anweisungen des hoechsten Wesens gehalten haben -- sie haben
also nicht genug geglaubt, oder nicht das Richtige.

Wer nicht vorkommt, sind wir, die AtheistInnen. Sind fuer religioese
Menschen nur religioese Menschen als Gespraechspartner genehm oder passend?
Manchmal kommt es mir so vor, als wuerden wir AtheistInnen als Menschen ohne
"hoehere Werte", ohne "Moral", ohne "sittliche Normen" betrachtet, denn die
kann einem angeblich nur eine Religion vermitteln. Wir sind es nicht wert,
in der Fundamentalismus-Debatte befragt zu werden, weil wir da nicht
reinpassen. Zwar wurden aus Gruenden des Nicht-an-Gott-glaubens noch keine
Menschen getoetet -- aber vielleicht liegts grad daran. AtheistInnen sind
einfach nicht zu fuerchten.

Diese neuen Massstaebe in der gesellschaftlichen Diskussion -- die
Einteilung von Menschen nach ihrer Religion -- sind eine Falle wie die
Einteilung nach Rassen, was biologisch ein Unsinn ist, und nach Sprachen,
was irrtuemlich mit Kultur gleichgesetzt wird. Auch die Zugehoerigkeit zu
einer Religion wird mit Zugehoerigkeit zu einer Kultur gleichgesetzt. Aber
die Nicht-Zugehoerigkeit zu irgendeiner Art von Religionsgemeinschaft heisst
doch nun wirklich nicht, keinem Kulturkreis anzugehoeren.

Vielleicht ist es sogar sinnvoller und oekologischer, nicht an ein Leben
nach dem Tod zu glauben: Es motiviert doch mehr, sich dem Leben vor dem Tod
zu widmen und damit sorgsam umzugehen. Und wer nicht an ein Weiterleben im
Paradies glaubt, taugt auch nicht zum Selbstmordattentaeter. Das Problem der
Religionen ist also offensichtlich nicht, welche besser ist als die andere,
sondern die Religionen selbst sind das Problem. Wir wollen nicht andere
Herren -- sondern keine!
*Ilse Grusch*


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