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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 2. November 2004; 18:55
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Wien/KPOe/Wickel:

> EKH wieder besetzt

Die KPOe hat die Wielandschule verkauft - EKHler wollen bleiben.


Es duerfte alles sehr schnell gegangen sein. Kurz vor Parteitag und
Gegenparteitag entledigte sich die finanziell schwer angeschlagene KPOe der
Wielandschule, besser bekannt als Ernst Kirchweger-Haus. Am 20.Oktober
wurden die Bewohnenden genauso wie auch der Grossteil der Parteibasis via
"Standard" vom Verkauf informiert. Ueber den Verkaufspreis wurde
Stillschweigen vereinbart. Laut "Standard" haetten die Bewohnenden ein
halbes Jahr Zeit, "um eine neue Bleibe zu finden". Auch verlautbarte
KPOe-Chef Walter Baier, die KPOe habe die angefallenen rund 17.000 Euro
Kosten pro Jahr bezahlt. Schuld an der Misere habe die Gemeinde Wien, so
Baier, weil sie fuer das KPOe keine Subventionen herausruecken wollte.

Die Stellungnahmen aus dem EKH liess nicht lange auf sich warten: Man werde
sicher nicht ausziehen, hiess es dort. Ausserdem existierten im Haus auch
unbefristete Mietvertraege, auf die man pochen werde. "Das heisst, dass auch
wir mit allen uns zur Verfuegung stehenden Mitteln um unsere Raeume, die wir
im uebrigen schon seit 14 Jahren beleben, kaempfen werden. Baier versucht
die soziale und kulturelle Verantwortung fuer das Projekt auf die Gemeinde
Wien abzuwaelzen, obwohl das EKH ein autonomes und soziales Zentrum ist, das
sich seit Beginn gegen Subventionen und Vereinnahmung jeglicher Art gewehrt
hat!" Ausserdem haette nicht die KPOe, sondern die Gruppen im EKH die
Betriebskosten bezahlt: "Folgende Summen an Betriebskosten werden
regelmaessig eingezahlt: Theater/Veranstaltungsbereich: 560 Euro/Monat, Top
10/Wohnbereich 3. Stock: 412 Euro/Monat. Aber auch das Fluechtlingsprojekt
des Flughafen Sozialdienstes und das Integrationsprojekt 4. Stock zahlen
regelmaessig ihre Betriebskosten, die sich zu einem Grossteil aus Spenden
zusammensetzen. Das heisst, alleine durch diese Bereiche sind die 17 000
Euro Betriebskosten abgedeckt!"

Die KPOe konterte daraufhin mit Faksimiles auf ihrer Website, aus denen die
von ihnen bezahlten Rueckstaende an Betriebskosten zumindest teilweise
hervorgehen. Laut Kostenaufstellung der KPOe haette die Partei seit der
Besetzung des EKHs 1990 fuer insgesamt 173.421Euro geradestehen muessen. Die
KPOe habe 14 Jahre lang praktische Solidaritaet bewiesen, so Waltraud
Stiefsohn, Sprecherin der Wiener Landesorganisation in einer Aussendung:
"Fast ein Jahr lang hat die Moeglichkeit bestanden, Alternativen
auszuarbeiten. Klar war, dass beide Seiten Zugestaendnisse machen muessen,
dass nur ein Kompromiss -- der sowohl die Autonomie des Projekts EKH
respektiert, als auch die finanzielle Notlage der KPOe zur Kenntnis nimmt --
den Weiterbestand des Projekts EKH garantieren kann." Die mangelnde
Verhandlungsbereitschaft einer nicht kleinen Gruppe von Menschen im EKH, so
Stiefsohn, verhinderte die Erarbeitung von produktiven Loesungen: "Wer
weltfremd sich auf den Standpunkt stellt, dass Verhandlungen mit der KPOe
nicht notwendig sind, da das Haus der KPOe nicht mehr gehoere, wer meint,
dass die KPOe fuer nichts zu gebrauchen ist, wer aber gleichzeitig davon
ausgeht, dass die KPOe bis zum St. Nimmerleinstag Geld fuer ein Projekt
aufwenden wird, welches nur periphaer mit der Politik der KPOe in Verbindung
steht, der sollte die Schuld nicht bei der KPOe suchen."

Wofuer man allerdings sehr wohl die Schuld bei der KPOe suchen koennte, ist
die Abwicklung dieses Notverkaufs. Denn vom Versprechen der KPOe, die EKHler
haetten noch ein halbes Jahr Zeit, bis sie wirklich raus muessten, halten
die neuen Eigentuemer nicht viel. Denn bereits am 28.Oktober kam Post von
der "Wielandgasse 2-4 VermietungsgesmbH", in der alle nicht gut
abgesicherten Mietvertraege aufgeloest wurden. Die Praekariatsvertraege vom
Flughafensozialdienst, der ATIGF, der Siebdruckwerkstatt und der Voice of
Vienna werden mit Silvester 2004 gekuendigt.

Verdaechtige Kaeufer

Und da ist noch etwas, was der KPOe noch bedenklich zu schaffen machen
duerfte -- angeblich soll der Geschaeftsfuehrer der VermietungsgesmbH ein
ehemaliger Kader der "Aktion Neue Rechte" (ANR), einer bekannt
neonazistischen Studentengruppe, gewesen sein. Die KPOe entgegnet, dass der
Geschaeftsfuehrer, ein Christian M., diese Vorwuerfe vehement bestreite und
mit Klage drohe, sollten diese weiterhin aufrechterhalten werden. Ausserdem
waere, so die KPOe, sein Name nicht im Handbuch des Rechtsextremismus zu
finden, "was bei einem ´Kader´ zu erwarten waere". Nur leider taucht sein
Name sehr wohl in einer Reihe mit spaeteren Groessen der oesterreichischen
Neonazi-Szene (wie etwa dem ehemaligen Fuehrer der Volkstreuen
Ausserparlamentarischen Opposition (VAPO), Gottfried Kuessel) auf, "wie eine
in Ventil (12/1977), Zeitschrift der SJ-Wien, veroeffentlichte Kaderliste
des Landesverbands Wien der ANR verdeutlicht", zitiert die Rosa Antifa in
einer Aussendung. Das koennte zwar eine Namensgleichheit sein, doch als
Geschaeftfuehrer der im Eigentum von M. befindlichen Security-Firma taucht
ein gewisser Walter J. auf -- auch er jemand, der einen Namen traegt, der
einschlaegig mit rechtsextremen Kreisen in Verbindung gebracht wird. Ein
bisschen zuviel Zufaelle, meinen Kritiker. Und laut diesen haette Baier auch
wissen muessen, mit wem er sich einlaesst: "Interessant ist in diesem
Zusammenhang, dass Walter Baier in den 70er Jahren als Mitglied des KSV des
oefteren mit der ANR konfrontiert war, d.h. der Name M. kann ihm nicht
unbekannt sein!" so die Leute aus dem EKH.

Folgen

Erste praktische Folgen wegen der zumindest als "ungeschickt" zu
bezeichnende Verkaufsaktion zeigen sich schon: "Unser Mikrokino findet nicht
mehr im 7*STERN statt", so die Gruppe "kinoki", bekannt durch die
Verbreitung subversiven Filmguts und bisher ein Umsatzbringer im 7*Stern:
"Die KPOe, welche das 7*STERN betreibt, hat das Ernst Kirchweger-Haus (EKH)
in Favoriten verkauft. Das EKH ist seit fast 15 Jahren eines der
lebendigsten politischen Projekte in der Stadt: linke kurdische Gruppen,
Fluechtlinge, ein Infoladen, eine Volxbibliothek, Werkstaetten, Proberaeume
und viele andere Projekte leben in diesem Haus. Neben- und miteinander,
autonom und ohne Subventionen. Das Volxtheater Favoriten, die
Volxtheaterkarawane und auch unsere Filmgruppe kinoki sind hier entstanden.
Wir haben bereits letztes Jahr angekuendigt, dass wir unsere Reihe nicht
mehr im 7*STERN veranstalten wuerden, sollte die KPOe das Ernst
Kirchweger-Haus verkaufen. ... Wir halten den Verkauf des EKH fuer eine
Sauerei und eine politische Bankrotterklaerung. Was ist von einer Partei zu
halten, die um einer fiktiven revolutionaeren Perspektive willen ein Projekt
zerstoert, welches seit Jahren Antikapitalismus, Antifaschismus und
kreativen Widerstand lebt und vervielfaeltigt?" Man danke der KPOe Wien fuer
die kostenlose Zurverfuegungstellung des Saales, aber in Hinkunft moechte
man anderswo die Filme praesentieren -- unter anderem im EKH.

Auch Folgen fuer den offiziellen Parteitag koennte es geben. Zwar nahm Baier
vielen seiner innerparteilichen Kritiker, denen das EKH immer schon ein Dorn
im Auge gewesen war, mit dem Verkauf den Wind aus den Segeln, doch drohen
ihm jetzt von Menschen, die bislang auf seiner Seite gewesen sind, mehr als
nur kritische Bemerkungen. Kurt Wendt, Mitglied der Wiener Stadtleitung:
"Auch wenn die EKH-BesetzerInnen immer mehr Hausbesitzerallueren annahmen,
nicht einmal die Betriebskosten zahlten und alle Strafen der Baupolizei
wegen nichtgenehmigter baulicher Veraenderungen durch die KPOe zu zahlen
waren, rechtfertigt das nicht den klammheimlichen Verkauf des Hauses an
einen Investor, der das Haus frueher oder spaeter abreissen wird. ... Diese
Entscheidung ist auch eine nie diskutierte programmatische Ausgrenzung der
radikalen Linken aus der KPOe, dies wird auch am Parteitag im Dezember in
Linz personelle Konsequenzen haben."

Und die EKHler selbst mobilisieren unter dem Motto "Wir sind haaaas und wir
bleiben!" zu einer Demo am 12.11. um 16 Uhr, abgehend von
Suedbahnhof-Busbahnhof.

Das Ende vom Lied

Was bleibt, ist ein Truemmerhaufen: Eine jetzt noch mehr zerstrittene
Partei, ratlose EKHler (darunter etliche Fluechtlinge), das Ende einer
muehevoll aufrechterhaltenen Gespraechsbasis, das Ende vieler durchaus
sinnvoller Aktionsgemeinschaften und wohl auch das Ende so mancher
persoenlichen Freundschaft. Da scheint nicht einmal mehr Schadensbegrenzung
moeglich. Scheisse!
*Bernhard Redl*

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Weitere Infos und Links laufend unter: http://www.ekhbleibt.info
http://www.med-user.net/ekh/
http://www.kpoe.at/bund/aktuell/ekh-start.htm


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