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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 30. Maerz 2004; 17:00
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Moderne Zeiten:

> Microsoft - der Anfang vom Ende?

In vielen Medien war das Thema prominent vertreten: "EU-Rekordstrafe:
Microsoft soll halbe Milliarde zahlen" machte am Mittwoch der Kurier in
dicken Balken auf. Doch leider war dabei meist das Hauptthema die behauptete
Wettbewerbsverzerrung durch die Einbindung des Windows Mediaplayers, eines
Programms, das zum Beispiel zum Abspielen von Musikdateien dient. Leider ist
das nun wirklich das laecherlichste Argument gegen Microsoft -- denn die
meisten Konkurrenzprodukte sind gratis und spielen die selben Formate wie
das MS-Produkt.

Dadurch konnte Microsoft in der an sich fuer den Konzern unangenehmen
Debatte dennoch einen medialen Erfolg landen -- dem Konsumenten ist der
Vorwurf der EU-Kommission nur schwer klar zu machen. Auch deswegen, weil der
Mediaplayer kaum Kompatibilitaetszwaenge erzeugt -- anders als etwa der
Internet Explorer, der durch seinen hohen Verbreitungsgrad die Webdesigner
dazu brachte, ihre WWW-Seiten fuer den Explorer zu optimieren, womit dessen
Unentbehrlichkeit zementiert wurde. Was wiederum Windows unentbehrlich
macht, da der Internet Explorer -- im Gegensatz zu allen Kokurrenzprodukten
(Opera, Netscape, Mozilla, etc.) -- fix an das Betriebssystem gebunden ist.

Man erinnere sich: Die US-Regierung zwang Ende der 90er-Jahre Microsoft zu
einigen Zugestaendnissen in Bezug auf den Internet Explorer, wie zum
Beispiel die Knebelvertraege mit Hardware-Verkaeufern zu lockern, die man
davon abgehalten hatte, Produkte anderer Software-Hersteller auf ihren
Computern mit vorinstalliertem Windows anzubieten. Ausserdem -- auch das
duerfte die Klaeger milde gestimmt haben -- bot Microsoft Updates des
Explorers zum freien Download auch fuer aeltere Versionen seines
Betriebssystems an, so dass man nicht immer ein neues Windows kaufen musste,
wenn man sich hypermodern gestaltete Webseiten ansehen wollte.

Dann kam die Administration Bush und zumindest die Bundesklagen gegen MS
wurden eingestellt. Die Folge: MS teilte mit, dass es nach der jetzigen
Version des Internet Explorers keine Gratis-Upgrades mehr geben werde - die
naechste Version werde es nur mit der neuen Windows-Version (Codename:
Longhorn) geben. Um Kompatibilitaet sicherzustellen, muss man dann das neue
Betriebsystem erwerben -- und das wird wie ueblich sauteuer sein und
nebenbei auch gleich neue, weil staerkere Computer benoetigen. Was wiederum
die Hardware-Verkaeufer mit Microsoft versoehnen wird.

Der -- leider medial nur nebenbei bemerkte -- wichtigere Kritikpunkt des
EU-Kommissars Monti zielte aber schon ungefaehr in diese Richtung. Ihm ging
es zwar nicht um den Explorer, aber um die Herausgabe der Informationen
ueber die Softwareschnittstellen und Verbindungsprotokolle.

Microsoft gibt naemlich nur sehr ungern diese Informationen heraus, die
noetig sind, damit Konkurrenz-Produkte im Zusammenhang mit Windows klaglos
funktionieren; vorgeblich, um Sicherheitsrisiken zu minimieren -- eine
Behauptung, die das in seinem Programmcode voellig transparente und weitaus
schwerer angreifbare Linux problemlos wiederlegt.

Monti hatte vor allem jene Schnittstellen-Infos angemahnt, die fuer die
Kommunikation zwischen Servern und Internet-PCs relevant ist --
Informationen, die Microsofts sowieso schon angeknackste Position auf dem
Servermarkt gefaehrden koennten.

Wenn diese Idee aber weitergesponnen wuerde, koennte es noch viel schlimmer
fuer Microsoft kommen. Monti hat eine Tuer aufgestossen, die auch zur
Thematisierung der lokalen Programme auf Anwender-PCs fuehren koennten. Denn
MS ist auch nicht sehr freigiebig mit Informationen, die noetig sind, um
aufwendigere Programme fuer seine Heim-PC-Betriebssysteme zu schreiben.

Und auch hier geht es nicht um die Sicherheit der Computer, es geht um die
Sicherheit der Marktmacht von Microsoft. Viele dieser Informationen werden
nur an ausgewaehlte Software-Entwickler -- unter strengsten
Geheimhaltungsbedingungen -- gegeben. Und das auch nur dann, wenn diese
Software herstellen, die nicht in Konkurrenz zu einem ihrer eigenen Produkte
stehen. Mithilfe dieser Informationen haetten Entwickler, die nicht in
Microsofts Gnade stehen, ebenfalls die Chance, konkurrenzfaehige Produkte zu
produzieren, die in nichts der Funktionalitaet von MS-Programmen nachstehen.

Und noch viel schlimmer: Man koennte auch neue Betriebssysteme schreiben,
die mit fuer Windows geschriebenen Programmen voll kompatibel waeren. Wenn
man bedenkt, dass beispielsweise das "Wine"-Projekt (eine Moeglichkeit,
Windows-Programme unter Linux laufen zu lassen) auch ohne die
MS-Informationen schon sehr weit fortgeschritten ist, koennte eine voellige
Herausgabe der Schnittstellen-Infos dazu fuehren, dass Windows sich mit
echter Konkurrenz messen muesste -- das ueberteuerte Betriebssystem muesste,
um sich am Markt zu behaupten, deutlich besser sein als eben beispielsweise
Linux, das gratis zu bekommen ist.

Die Kritik am Mediaplayer und eine fuer MS laeppische Strafe werden Bill
Gates Macht nicht aushebeln -- sollte der Konzern jedoch zur Herausgabe
zumindest betraechtlicher Teile der Schnittstellen-Informationen gezwungen
werden koennen, waere die Marktdominanz schwer gefaehrdet.

Und die Chancen, dass das auch passiert, stehen gar nicht mal so schlecht.
Zwar ist die Lobby der grossen Computerkonzerne alles andere als schwach --
man sehe sich die Bestrebungen im Patentrecht an --, aber diese Konzerne
sind eben nicht alle MS-freundlich. Microsoft sieht sich da nicht nur den
Hungerleidern der Linux-Distributoren gegenueber, sondern auch solchen
Schwergewichten wie Sun Microsystems, mit denen man nicht so einfach
Schlitten fahren kann.

Auf dem PC-Sektor ist der Monopolkapitalismus, wie ihn nicht nur Marx
vorausgesehen, sondern vor dem auch der Marktwirtschaftsapologet Adam Smith
gewarnt hatte, Realitaet geworden. Jetzt muessen die kapitalistischen
Regierungen beweisen, dass sie in der Lage sind, ihr wirtschaftliches System
vor sich selbst zu schuetzen -- ob sie tatsaechlich dazu bereit sein werden,
bleibt abzuwarten.
*Bernhard Redl*



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