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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 23. Maerz 2004; 13:09
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Frauen/Behinderung/Abtreibung/Debatte:

> Herumdrehen an der Fristenloesung

Zu: Oekoli, "Vom 'Selbstbestimmungsrecht der Frau' zur ..." (akin 8/04,
akin-pd 16.3.2004). Der Text der Oekoli erschien auch im widerst@ndsmund.
Dort erschien darauf nachfolgende Reaktion:

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mit dieser aussendung beweist die oekologische linke wien wieder einmal eine
ihrer bekannten staerken: die kombination eines hoechstmasses an
selbstgerechter empoerung mit einer ganz beachtlichen ahnungslosigkeit ueber
weite teile dessen, wovon sie spricht.

denn natuerlich gab und gibt es innerhalb der frauenbewegungen eine
intensive auseinandersetzung mit der "eugenischen indikation", und
selbstverstaendlich haben etliche feministinnen darin auch genau die
positionen vertreten, von denen die oekologische linke zu meinen scheint,
sie seien ihr alleiniges geistiges eigentum, das sie nun in wohlmeinender
geste unter das dumme volk streut.

allerdings kennen diese feministinnen, im gegensatz zur oekologischen
linken, auch folgende fakten, die die diskussion in ein etwas anderes licht
ruecken: die eugenische indikation ist einer aerztlichen entscheidung
unterworfen. die krankenhaeuser entscheiden, ob sie eine abtreibung aus
diesem grund vornehmen oder nicht. wesentlich hierfuer ist der grad der zu
befuerchtenden behinderung. das heisst in der praxis: abtreibungen aus
eugenischer indikation werden in oesterreich fast ausschliesslich dann
vorgenommen, wenn der foetus sich zwar im mutterleib entwickeln kann, nach
der geburt aber nicht oder nur kurz lebensfaehig waere. das erspart der
frau, etwa bei einem gehirnlosen foetus, monate einer schwangerschaft, die
mit einer totgeburt oder einem schwerstbehinderten saeugling mit einer
lebenserwartung unter einem jahr enden wuerden. im augenblick fahren wegen
dieser sehr restriktiven auslegung der eugenischen indikation etwa 100
frauen pro jahr nach holland, um dort abtreiben zu lassen, da
oesterreichische krankenhaeuser den eingriff wegen "zu geringer" behinderung
abgelehnt haben. auch diese frauen - die vielleicht gruende fuer ihre
entscheidung haben koennen, die nicht unbedingt mit dem
nationalsozialistischen erbe oder einem wunsch nach designerkids zu tun
haben, sondern z.b. mit schlichter ueberforderung - waeren durch einen
wegfall der eugenischen indikation zwar nicht an ihrer entscheidung
gehindert, aber danach kriminalisiert.

sowohl die feministischen auseinandersetzungen als auch diese fakten sind
durchaus oeffentlich zugaenglich, wer lesen kann, haette sie kennen koennen.
eine etwas andere politische frage ist, was die oevp mit ihrer initiative
wohl bezweckt; und da darf die oekologische linke getrost glauben, da geht
es ganz genau um das selbstbestimmungsrecht der frau, denn fuer weite teile
der oesterreichischen volkspartei steht die fristenloesung ganz und gar
nicht ausser frage. und solange das verbot der abtreibung noch im strafrecht
steht - was gemeinhin unter "fristenloesung" verstanden wird, ist eine
straffreiheitsbestimmung - kann daran auch herumgedreht werden, was der
kanzler, in einem bekannt gewordenen schreiben an seine christlichen
mitstreiter, auch als seine feste absicht bekundet hat.

pech nur fuer die oevp, dass 75 % der oesterreicherInnen mit der
augenblicklichen loesung voellig einverstanden sind und keine
verschaerfungen befuerworten.

in einer solchen situation muessen natuerlich, um rechte zu beschneiden,
emotionalisierbare themen gefunden werden, die diese 75 % nachdenklich
machen koennten. dazu eignet sich die eugenische indikation wunderbar,
einige der dadurch heraufbeschworenen bilder, die das blut jedes
anstaendigen menschen in wallung bringen muessen, hat die oekologische linke
ja sehr brav nachgebetet.

sollte das ausreichen, um die eugenische indikation zu kippen, dann ist der
naechste, bereits angedeutete schritt, die fristen zu senken - drei monate,
erklaeren der oevp verbundene aerzte, seien eindeutig zuviel.

wenn die oekologische linke in dieser initiative nun also schulter an
schulter mit der aktion leben kaempft, dann ist die freundlichste
interpretation dessen, was zu solcher politischen idiotie gefuehrt haben
kann, wohl die, dass das bewusstlose reflexbeissen in dem moment, in dem ein
reizwort faellt, eben haeufig solche resultate zeitigt.
*claudia volgger*



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