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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 23. Maerz 2004; 12:40
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Gruene/Alternative/Jugend:

> Wie gruen ist die Partei ihrer Jugend?

Mit der Argumentation, die Bundesorganisation der Gruenalternativen Jugend
waere zu chaotisch und nicht repraesentativ fuer die Landesorganisation,
verweigert die GA der wiedergegruendeten GAJ die Anerkennung -- und damit
eine Menge Geld.

Seit kurzem gibt es eine Bestimmung, dass die Jugendorganisationen
politischer Parteien eigenes Geld vom Staat bekommen koennen, sofern ihre
Mutterparteien bereit sind, jene anzuerkennen. Ueblicherweise ist das ein
Formalakt, bei der Gruenen Alternative jedoch nicht: Diese weigerte sich per
Beschluss des Bundesvorstandes am 17.3. und des Erweiterten Bundesvorstandes
am Wochenende, einen Antrag auf Foerderung fuer die Gruenalternative Jugend
zu stellen.

Darauf reagierte Renate Sassmann mit einem Brief an einen groesseren gruenen
Verteiler:

*

Wenn die SJ - oder die Junge OeVP gegen ihre Mutterparteien rebellieren,
freuen wir uns nicht nur klammheimlich darueber. Wir geben den Jugendlichen
recht, wenn sie gegen verknoecherte Strukturen kaempfen - wenn sie
hinterfragen und noch nicht so "schrecklich erwachsen" sind. Wir gestehen
ihnen das Recht zu - wie unseren eigenen Kindern auch - ihre eigenen
Erfahrungen zu machen, und ihre eigenen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.

Bei der Gruenen Partei ist das nicht so. Da sind naemlich WIR die Jungen,
die Rebellischen - wir lassen die anderen Parteien alt auschaun...und die
Gruene Jugend brauchen wir nicht wirklich - noch dazu, wenn sie uns beim
Groesserwerden stoert - ihre Aktionen koennten uns WaehlerInnenstimmen
kosten. Muessen sie wirklich unsere gruenen Forderungen wie "Haschisch
legal" und "Gleiche Rechte fuer Lesben und Schwule" gleich an die Grosse
Glocke haengen? Und noch dazu in Kaernten! Muessen sie wirklich gegen
schwarz-gruen in Oberoesterreich protestieren - und gleich ein gruenes Buero
besetzen??

Damals, 1968 - nach dem Einmarsch in die Tschechoslowakei - hat die KPOe
u.a. ihre damalige Jugendorganisation einfach ausgeschlossen. Wir haben
ihren politischen Kurs damals nicht mitgetragen. Viele von damals wurden die
Gruendungsvaeter- und muetter der Alternativen Liste - und danach der
Gruenen Alternative - wisst Ihr noch???

Wie war das doch damals, als WIR jung waren?? Haetten wir uns vorschreiben
lassen, wie unsere Aktionen auszuschaun haben? Haetten wir uns erpressen
lassen mit: "Wenn ihr in Kaernten demonstriert, bekommt ihr kein Geld mehr??
Haetten wir uns sagen lassen, wie unsere Strukturen auszuschaun haben? Nein,
haetten wir nicht. Und das ist gut so.

Wer sind die Naechsten, von denen wir behaupten, dass sie nicht mehr
dazugehoeren? Die SeniorInnen vielleicht? Oder die StudentInnen? Oder die
Frauen? Vielleicht auch eine der aufmuepfigen Bezirksgruppen? Und wer ist
ueberhaupt WIR????

Mit heutigem Tag trete ich aus der Gruenen Alternative aus!

Ich bin Mitglied bei der Gruenen Alternative seit Anbeginn. Seit 12 Jahren
bin ich Bezirksraetin im 15ten Bezirk. Falls meine Bezirksgruppe damit
einverstanden ist, bin ich bereit, mein Mandat bis zum Ende der
Funktionsperiode auszuueben.

Mittlerweile glaub ich, dass viele von Euch froh sind, dass laestige
KritikerInnen wie ich sich von Euch verabschieden. Laengst schon seid Ihr
dabei, Euch eine andere Basis zu suchen, die alten - und jungen - Linken
sind Euch dabei maechtig im Weg.

Lang hab ich geglaubt, dass es richtig und notwendig ist, dass ich mich
inhaltlich einbringe - um das Aergste zu verhindern. Ich hab es nicht
wahrhaben wollen, jede Anstrengung ist sinnlos geworden: Ihr seid schon
lange zur ganz "normalen Partei" geworden.

Schad um unser schoenes Projekt, bei Euch ist es nicht in guten Haenden.

Renate Sassmann

*

Auf Renates Alarmschrei hin fragte wir bei Karl Oellinger an, der in den
Gremien ebenfalls den Nichtunterstuetzungbeschluss getragen hatte. Er
antwortete prompt:

*

es ist leider alles ein bisschen komplizierter. also:

1) hatten wir bis 1999 (?) eine gruenalternative jugend, die nicht nur
"anerkannt", sondern auch mit sitz und stimme in fast allen bundesgremien
vertreten war, bis sie sich dann - leider - selbst als bundesorganisation
aufgeloest hat.

2) seither haben wir in einzelnen laendern gruenalternative jugend(en), in
der steiermark gibt es eine von der landesorganisation akzeptierte gruene
jugend. die anerkennung oder zusammenarbeit wird auf laenderebene geregelt.

3) zwischen der gruenen jugend stmk und der gaj gibt bzw. gab es erhebliche
differenzen, wobei ich in allen (mir) bekannten punkten die position der gaj
teile.

4) dennoch: fuer die bildung einer gemeinsamen bundesjugendorganisation der
gruenen ist es nicht unerheblich, ob und wie die differenzen beigelegt
werden. das ist allerdings nicht nur das problem der jugend, sondern auch
ein solches der bundespartei (schliesslich wird die gj stmk ja von den
gruenen stmk anerkannt).

5) unabhaengig von diesem problem gibt es noch ein anderes: die verfassung
(statuten) der jugend. aus ihren eigenen erfahrungen heraus hat die gaj sich
intern strukturen gegeben, die auf maximalen konsens orientiert sind
(konsensualdemokratisches prinzip). dieses prinzip halte auch ich fuer einen
fehler. es ermoeglicht kaum veraenderung (alle muessen zustimmen). im
kontext mit einer aufnahme der gj stmk waere es ueberhaupt nicht praktikabel
gewesen.

6) bei der anerkennung der bundes-gaj geht es um den knoedel, den
parteijugendorganisationen erhalten. wofuer ich war und bin: dass es - auch
bei basisdemokratischen prinzipien - verantwortung gibt: egal, ob 1, 2, 3
... sprecherInnen der jugend, sie muessen auch etwas entscheiden duerfen,
auch wenn das ihre abwahl nach sich ziehen wuerde. das statut, das die gaj
(exkl. gj stmk) vorgeschlagen hat, bedeutet nach meiner ansicht allerdings,
dass die im halbjahresrhythmus alternierenden sprecherInnen nur in absprache
mit delegierten der laender entscheiden koennen und nur dann, wenn alle
laender den delegierten die zustimmung geben. theoretisch bedeutet das, ein
einziger mensch koennte alles blockieren.

7) die partei hat verantwortlichkeiten eingefordert: das ist der punkt,
hinter dem ich stehe. dass alle sprecherInnen der gaj sein koennten, dass
alle gleichermassen verantwortlich sein koennten, halte ich selbst unter
anderen sozialen verhaeltnissen kaum fuer denkbar oder wuenschenswert.

8) dass das alles unter dem aspekt knapper fristen (der antrag muss bis
1.4.04 gestellt werden) stattfindet, habe ich selbst erst relativ knapp
erfahren und hat die sache nicht einfacher gemacht. dazu kommt noch, dass
die partei ihre anforderungen oder wuensche offensichtlich nicht sehr klar
formuliert hat. das tut mir vor allem deshalb leid, weil die jugend mit viel
engagement ihre sache betrieben hat.

9) die kaernten-klagenfurt-aktion der gaj: die gaj hat in klagenfurt ca. 2
wochen vor der wahl ein treffen durchgefuehrt und dabei auch oeffentliche
aktionen gemacht. aktionen, die - aus heutiger sicht - die aufregung nicht
wert waren, zu der sie gefuehrt haben.die meisten aktionen waren total
super, aber: das motto "celovec darf nicht klagenfurt werden" war - naja -
zwar nicht gegenueber den gruenen provokant, aber doch etwas daneben. ein
problem war die flagge mit dem "tito"-stern,die dann zwar weggenommen wurde,
aber von der symbolik (auch fuer die kaerntner slowenen) viel ueberdeckt
hat. in klagenfurt hat es ueberreaktionen von beiden seiten gegeben, die -
so hoffe ich - die entscheidung wegen des knoedels nicht beeinflusst haben.
jedenfalls gab es beim bundesvorstand vorige woche auch klare bekenntnisse
zu einer eigen- (und widerstaendigen) jugend.

10) und letztens: die gaj, die ja in etlichen bundeslaendern von den gruenen
als ihre jugendorganisation anerkannt ist und sich -soweit ich weiss - in
den letzten monaten als oesterreichweite jugendorganisation konstituiert
hat, kann auch im heurigen jahr ueber projektantraege einen wesentlichen
teil des knoedels beanspruchen (auch bei anerkennung als
"parteijugendorganisation" muss ein teil ueber projekte abgerechnet
werden). seit 1997 oder 1998 hat die gaj auf diese moeglichkeit verzichtet,
aus welchen gruenden auch immer. ich hoffe nach wie vor, dass es - jenseits
des 1.4.04 - in den naechsten monaten zu einer fuer beide seiten akzeptablen
uebereinkunft kommt: wir brauchen eine kritische gaj!

Karl Oellinger

*

Soweit die offizielle Lesart. Allerdings sprechen die Buschtrommeln eine
andere Sprache: Viele aus der Parteibasis raunzen, dass die Probleme
unbestritten sind, dass diese aber wohl nicht der Grund fuer die
Nichtunterstuetzung sein koenne. Viel mehr waere der manifeste, oeffentliche
Widerstand gegen die autoritaere, entideologisierte Politik von Van der
Bellen, Glawischnig und Co. sowie deren Kuschelkurs mit der OeVP der
Hintergrund fuer den Liebes- und damit Geldesentzug. Wenn die Partei jetzt
sagt, sie koenne sich doch eine eigene Budgetierung vorstellen, so waere das
nur ein Zuckerbrot, um Wohlverhalten zu koedern; waehrend das
Staatsknoedel -- heuer immerhin EUR 110.000 -- in der Verantwortung der
Jugendorganisation selbst laege. Und, so die ganz boesen Stimmen aus der
Basis, man wolle nicht daran erinnern werden, dass die Partei selbst einmal
an Prinzipien wie Aemterrotation, Funktionentrennung und Basisdemokratie
orientiert war.

Bis zum 1.April sind noch ein paar Tage Zeit. Manche in der Basis hoffen,
dass die Parteifuehrung diese Zeit nicht ungenutzt verstreichen lassen
moechte. Die Wiener GAJ laedt alle an der Causa Interessierte inner- und
ausserhalb der Partei zu ihrem heutigen Plenum ein: Di, 23.3., 18h; Gruenes
Haus, Lindengasse 40, 1070 Wien. -br-



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