**********************************************************
akin-Pressedienst.
Elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'.
Texte im akin-pd muessen aber nicht wortidentisch
mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein.
Nachdruck von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten.
Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen.
Ein Nachdruck von Texten mit anderem Copyright
als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus.
**********************************************************
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 9. Maerz 2004; 22:59
**********************************************************

Mexiko:

> Weil nicht sein kann, was nicht sein darf

Eine Mordserie an mehreren hundert Frauen in der mexikanischen Stadt Juárez
erweckt eher laues Interesse an den ermittelnden Behoerden -- die Gruende
dafuer liessen sich bislang nur erahnen.

*

In Ciudad Juárez, im Norden Mexikos an der Grenze zu den USA gelegen, ist
die Globalisierung zu einer apokalyptischen Vision geworden. In den
Weltmarktfabriken von Nike, Sony, Mitsubishi, Hewlett Packard & Co. schuften
ueber 200 000 Menschen Tag fuer Tag - und bei guter Auftragslage auch
nachts - in hermetisch abgeriegelten Gebaeuden, bei stickiger Luft im Licht
von Neonlampen, zu aermlichen Loehnen und unter prekaersten
Arbeitsbedingungen. Der hier geschaffene Reichtum geht in die
Herkunftslaender der Konzerne - vor allem USA, Japan, Taiwan und Suedkorea.
Der mexikanische Staat hebt nur minimale Steuern auf die Ausfuhren ein.

Mehr als die Haelfte der jungen Frauen, die etwa 65 Prozent der
Arbeitskraefte in Ciudad Juárez stellen, sind ledige Muetter. Viele gingen
alleine von Zuhause weg, um dann einen Teil ihres Einkommens an ihre
Familien zu ueberweisen. Sie arbeiten in den Billiglohnfabriken, in Bars und
Restaurants, als Prostituierte.

Und viele, die auf der Suche nach Arbeit hierherkamen, kehren nicht mehr
zurueck. Seit 1993 sind zwischen 320 und 370 Frauen in Ciudad Juárez
ermordet worden, zwischen 400 und 500 sind spurlos verschwunden. Amnesty
International spricht von der Maquila-Boomtown als der "Stadt der toten
Maedchen".

Die grauenhaften Umstaende, unter denen die Serienmorde begangen werden,
bieten den Naehrstoff fuer die verschiedensten Spekulationen. Die Opfer
werden haeufig vergewaltigt, misshandelt, erhaengt oder zu Tode gepruegelt.
Und es sind in der Regel junge, attraktive Frauen, die von den Moerdern
ausgesucht werden, manchmal sogar noch Kinder.

Die Tatsache, dass die jahrelangen Ermittlungen bisher noch kein Licht in
das Dunkel dieser bestialischen Mordserie gebracht haben, haben die
Vorstellung von toedlichen Sex-Orgien entstehen lassen, an denen hoechste
Vertreter aus Gesellschaft und Politik teilnehmen. Andere sprechen davon,
dass die Frauen zur Herstellung von Snuff-Videos entfuehrt werden und ihr
Leidensweg auf diesen gewaltverherrlichenden Pornos aufgenommen wird.

Die mexikanische Justiz hat es bis jetzt verabsaeumt, die mysterioese
Mordserie aufzuklaeren, und die Politik hat die Problematik lange Zeit
ignoriert. Jahrelange Bemuehungen, die Loesung des Falles einzufordern,
blieben ergebnislos. So hat z.B. Judith Galarza die Frauenmorde von Ciudad
Juárez zweimal vor die Menschenrechtskommission der UNO gebracht.

Grosse internationale Aufmerksamkeit verursachte nun eine
Untersuchungskommission von Amnesty International Anfang August des
Vorjahres in Ciudad Juárez. Die Menschenrechtsorganisation kommt zwar zu
keinen konkreten Ergebnissen hinsichtlich der Taeter, doch hat ihr Bericht,
der die straeflichen juridischen und politischen Versaeumnisse vieler Jahre
aufzeigt, in Mexiko viel Staub aufgewirbelt.

Ende Jaenner 2004 hat die mexikanische Justiz María López Urbina zur
Sonderstaatsanwaeltin fuer die Aufklaerung der Frauenmorde von Ciudad Juárez
eingesetzt. Die "Mexikanische Kommission zur Verteidigung und Foerderung der
Menschenrechte" glaubt jedoch nicht, dass damit ein Durchbruch bei der
Aufklaerung der Serienmorde erreicht wird. Zu gross ist das Misstrauen
gegenueber den staatlichen Ermittlungen in den letzten zehn Jahren, die zu
keinerlei Ergebnissen gefuehrt haben. Und es wurden schon mehrmals
staatliche Untersuchungskommissionen eingesetzt - die dann immer wieder
einschliefen In den letzten Monaten haben sich die unheimlichen Verbrechen
auch auf andere Staedte der Grenzregion ausgeweitet, und selbst in der weit
entfernten Hauptstadt Chihuahua hat die Zahl der ungeklaerten Frauenmorde
zugenommen.
*Clean Clothes-Kampagne*

Kontakt: cck@oneworld.at

*

Vortrag, Film und Diskussion:

Die Frauenmorde von Ciudad Juárez - Wer sind die Taeter?

12. Maerz 2004, 19.00 Uhr

Renner-Institut (Eingang Hotel Altmannsdorf), Hoffingergasse 26-28, 1120
Wien (erreichbar mit U6 Station Am Schoepfwerk).

Vortrag von und Diskussion mit Judith Galarza. Der preisgekroente
Dokumentarfilm "Señorita Extraviada" von Lourdes Portillo (USA/Mexiko, 75
min., engl. Fassung) versucht Licht in das Schicksal der ermordeten Frauen
von Ciudad Juárez und auf die Produktionsbedingungen in den
Weltmarktfabriken zu bringen.

Kontakt u. weitere Informationen: Tel. 01/317 40 20-0 (Christine Buder),
01/405 55 15-308 (Werner Hoertner), c.buder@frauensolidaritaet.org




*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero@gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin