**********************************************************
akin-Pressedienst.
Elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'.
Texte im akin-pd muessen aber nicht wortidentisch
mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein.
Nachdruck von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten.
Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen.
Ein Nachdruck von Texten mit anderem Copyright
als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus.
**********************************************************
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 16. Dezember 2003; 18:51
**********************************************************

KPOe/Prinzipielles:

> Der steirische Gegenuebersteller muss etwas klarstellen

Zur Diskussion in der KPOe

Die Wiener Landeskonferenz der KPOe hat vieles beschlossen. Ich moechte das
eigentlich nicht kommentieren. In einem Papier kommt jedoch auch die
KPOe-Steiermark - zwar indirekt, aber nicht gut weg. Ich zitiere: "Seit
Jahren zielt die Politik einiger FunktionaerInnen - unter dem Schlagwort des
Foederalismus - darauf, die gesamtoesterreichischen Strukturen der Partei zu
schwaechen. Es werden interessens- und kommunalpolitische Aufgabenstellungen
den gesellschafts- und allgemeinpolitischen Positionierungen der KPOe
gegenuebergestellt."

Der Bundesparteivorsitzende der KPOe, Walter Baier, liefert fuer diese
Meinung in einem Interview fuer die BRD-Zeitschrift soz (12/03) den
ideologischen Ueberbau. Er nimmt naemlich eine Einteilung der Fluegel in der
KPOe vor und sieht uns als dritte Stroemung, naemlich als "eine
interessenspolitisch und regionalistisch um kommunalpolitische und
gewerkschaftspolitische Fragestellungen zentrierte Position, die in
vielerlei ideologischer Hinsicht politisch neutral ist. Das ist auch ihre
Schwaeche. Ueber Jahrzehnte, kann man sagen, wurde die politische Methodik
der KPOe definiert durch ein Buendnis von Oekonomismus in der Praxis und
Stalinismus in programmatischen Fragen. Diese Stroemung ordnet sich den
ideologischen Positionen durchaus verschieden zu, das ist in Bewegung und
hat m.E. auch seine historische Berechtigung. Trotzdem kann man dieser
Stroemung auch die Fragen nach den neuen Problemen bspw. im Felde der
Migrationspolitik nicht ersparen. Wenn wir gerade hier zu keiner radikalen
migrationspolitischen Position finden, kann man wohl hier und da Stimmen
halten und maximieren, aber nicht zur notwendigen Formierung einer
revolutionaeren und linken Tendenz beitragen."

Zusammengefasst stellen wir in den Augen der KPOe-Bundesparteifuehrung im
Interesse der Stimmenmaximierung unsere engstirnigen interessens- und
kommunalpolitischen Aufgabenstellungen den gesellschafts- und
allgemeinpolitischen Aufgabenstellungen der KPOe gegenueber, sind in
ideologischer Hinsicht politisch neutral (was immer das bedeuten mag),
stehen fuer das Buendnis zwischen Oekonomismus und Stalinismus und haben
keine radikale migrationspolitische Position.

Die oeffentliche Abgrenzung vom Grazer KPOe-Stadtrat Ernst Kaltenegger kann
demnach nur mehr eine Frage der Zeit sein. Zumindestens muesste es der
Anstand gebieten, in Zeitungsinterviews nicht mehr positiv auf den
Wahlerfolg der KPOe-Graz hinzuweisen, weil dieser ja - wie Stiefsohn und
Baier dokumentiert haben - mit einer anderen, zum Teil gegensaetzlichen
Politik errungen wurde, als jener, die sie propagieren.

Ein paar Zitate gefaellig?

Fuer alle politisch Interessierten in Wien moechte ich aber festhalten, dass
hier ein Zerrbild der Politik von KPOe-Steiermark und KPOe-Graz entworfen
wird. Ich weiss zwar nicht, wie man in ideologischer Hinsicht politisch
neutral sein kann, weil der Autor hier unterschiedliche Ebenen in einem gut
klingen sollenden Satz vermischt, eines weiss ich aber: Wir haben unsere
strategische Entscheidung der Konzentration auf die Kommunalpolitik stets
ideologisch begruendet und auf den inneren Zusammenhang zwischen unserer
Basisarbeit und den allgemeinen Aufgaben der revolutionaeren
ArbeiterInnenbewegung hingewiesen. Die LeserInnen von akin haben das in
einem am 28.Oktober 2003 abgedruckten Beitrag nachlesen koennen. Ich habe
diesen Gedankengang in meinem Referat "Fortschrittliche Kommunalpolitik als
Beitrag zur Entwicklung gesellschaftspolitischer Alternativen" ausgefuehrt,
das ich auf einer Konferenz in Berlin halten durfte. Nur ein Auszug: "Wir
stellen uns deshalb die Aufgabe, durch praktische Basisarbeit moeglichst
viele Menschen davon zu ueberzeugen, dass wir uns veraendern und mit dem
medial vermittelten Zerrbild unserer Bewegung nichts zu tun haben. Es geht
uns darum, in Gemeinden und Betrieben Namen und Gesicht zu bekommen und
Teile jener Bevoelkerungsschichten zu erreichen, deren Interessensvertretung
von den technokratischen Modernisierungsparteien faktisch aufgegeben worden
ist. In diesem Zusammenhang hat die Kommunalarbeit eine besondere Bedeutung.
Die steirische KPOe betrachtet ihre kommunalpolitische Verankerung als
wichtige Grundlage einer Politik, die gemeinsam mit grossen Teilen der
Bevoelkerung entwickelt werden kann. Dabei erlangen KommunistInnen und
Kommunisten soziale Kompetenz. Diese Kompetenz wollen wir umfassend nutzen,
damit die Veraenderung der Politik von unten kommen kann, in der
Gesellschaft, in den Gemeinden und nicht zuletzt in der KPOe selbst.
(...)Fortschrittliche Kommunalpolitik kann auf vielfaeltige Weise zur
Entwicklung gesellschaftspolitischer Alternativen beitragen. Das reicht vom
Erproben neuartiger Initiativen und Einrichtungen, die eine soziale
Entwicklung in der Kommune befoerdern, bis zu Formen der direkten
Beteiligung der Bevoelkerung an der Verwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten
in der Gemeinde. Diese Erfahrungen verdienen es, untersucht und
verallgemeinert zu werden.
Dabei ist unser Ziel kein kommunaler Kommunismus. Es ist auch so, dass wir
in unserer praktischen Arbeit sehr rasch an die Grenzen stossen, die uns
durch die EU und durch die oesterreichische Bundespolitik gezogen werden.
Es geht um die klassische Aufgabe des Heranfuehrens einer Mehrheit der
werktaetigen Bevoelkerung an die Frage der Gesellschaftsveraenderung in
Richtung Sozialismus und auch an die Frage der Macht. Hier muss jede
kommunistische Partei, die wirklich die Lehren aus dem Scheitern des
Realsozialismus ziehen will, von Anfang an solche Formen der inneren
Organisation und des Zusammenarbeitens mit den Leuten finden, die
Machtmissbrauch und Entfernung von den Massen ausschliessen. Gerade hier
finden sich auf kommunaler Ebene viele gute Beispiele: Wie arbeiten Menschen
unterschiedlicher Weltanschauung in Buergerinitiativen zusammen, wie gelingt
es, die Konzentration auf ein gemeinsames Ziel mit innerer Demokratie und
mit Debatten zu verbinden?"

Wer hier von Oekonomismus spricht oder ein Zerreissen des inneren
Zusammenhanges zwischen Basisarbeit und den allgemeinen Aufgaben einer
kommunistischen Partei konstatiert, der will nicht lesen und nicht
verstehen, was unsere Konzeption wirklich ausmacht. Andere sehen es anders.
So stellt der ostdeutsche Autor Prof. Dr. sc. Heinz Karl in einem Bericht
ueber die oben erwaehnte Konferenz als wichtigen Gesichtspunkt folgendes
fest: "4.: Die Entwicklung, das Reifen des subjektiven Faktors als das
Kernproblem der sozialistischen Bewegung. Dabei wurde (zum Beispiel in den
Darlegungen von F. S. Parteder) deutlich, dass diese Entwicklung keine
Gegenueberstellung von traditionellen und neuen Elementen der Theorie,
Politik, Organisation und Aktion zulaesst, sondern deren Zusammenfuegen,
ihre Vereinigung bedingt."(Mitteilungen der Kommunistischen Plattform in der
PDS, November 2003).

Ein Buendnis zwischen Oekonomismus und Stalinismus schaut anders aus als
diese Konzeption. Wir versuchen, zu lernen und - nicht durch billige
Deklarationen, sondern durch unsere gesellschaftliche Praxis - zu zeigen,
dass wir eine andere Partei sind als die KPOe der Fuenfziger, der Siebziger
oder der Achtzigerjahre. Das ist muehsamer, aber ehrlicher als der von
Walter Baier seit ein paar Jahren demonstrativ vor sich hergetragene
Antistalinismus.

Migrationspolitische Positionen

Wie halten wir es aber mit den migrationspolitischen Positionen? Hier gibt
es in Wien grosse Zweifel an unserer Haltung. Der Auszug aus dem Interview
von Walter Baier zeigt mir, dass auch er uns in dieser Frage nicht fuer voll
nimmt.

Die KPOe ist in Graz die erste Anlaufadresse fuer Menschen mit
Wohnungsproblemen. Unter ihnen sind sehr viele auslaendische
MitbuergerInnen. Wir haben mit dem Mieternotruf und dem Rechtshilfefonds
fuer Spekulantenopfer und unserem Sozialnotruf seit Jahren zahlreichen
AuslaenderInnen wirksame Hilfe bei der Durchsetzung ihrer Rechte als
MieterInnen geleistet. Dabei konnten zum Beispiel Mietzinssenkungen bzw.
Rueckzahlungen von ueberhoehten Mieten erreicht werden.

Diese Hilfestellung erfolgt selbstverstaendlich kostenlos fuer die
Ratsuchenden. Stadtrat Ernst Kaltenegger: "Solidaritaet ist fuer uns nicht
etwas, was nur in Reden vorkommt und fuer den Alltag keine Bedeutung hat,
sondern eine praktische Haltung, die gelebt werden muss". Wir treten auch
fuer die Oeffnung der Gemeindewohnungen ein. Als KommunistInnen sind wir
dafuer, dass Rechte nicht nur proklamiert, sondern auch real umgesetzt und
verwirklicht werden.

Die KPOe-Graz hat deshalb ein Forderungspaket erstellt, das in seiner
Gesamtheit zu einer Verbesserung der zugespitzten Situation fuehren kann. Es
umfasst folgende Punkte:
1.: Oeffnung der Gemeindewohnungen fuer MigrantInnen.
2.: Forcierung des Baus neuer Gemeindewohnungen. In den letzten fuenf Jahren
ist die Zahl der Neubauwohnungen um 90 Prozent zurueckgegangen. Dabei
sollten auch in jenen Stadtbezirken Wohnungen gebaut werden, wo es bisher
kaum Gemeindewohnungen gibt. Derzeit befinden sich zwei Drittel aller
Gemeindewohnungen in den Bezirken Lend, Gries und Jakomini, Stadtbezirken
mit einem ueberdurchschnittlich hohen Auslaenderanteil.
3.: Stopp des Verkaufs von Gemeindewohnungen! Man kann nicht weniger
Wohnungen auf mehr Menschen verteilen.
4.: Einsetzen von GebietsbetreuerInnen, welche die Integration erleichtern
sollen.

Unsere Staerken

Zum Abschluss: Die KPOe ist derzeit in keiner leichten Situation. Alle
Mitglieder, FreundInnen und Beobachter sollten dabei aber bedenken, dass
Wien nicht die Welt ist und dass die KPOe politisch in unserem Land am
ehesten in Graz und in der Steiermark oeffentlich in Erscheinung tritt. Noch
etwas: Es geht bei unseren Auseinandersetzungen nicht ausschliesslich um
einen Streit ueber die Reste des Parteivermoegens.

Die Entscheidung ueber unsere Weiterarbeit ist eine eminent politische
Frage. Die KPOe hat als marxistische Partei der Vielfalt, als
selbstaendige und buendnisfaehige kommunistische Partei oesterreichweit
Zukunft, wenn sie sich auf ihre Staerken besinnt. Jetzt ist keine
Zentralisierung der Mittel sinnvoll, sondern eine weitere Dezentralisierung.
Wir muessen von unten nach oben eine Partei aufbauen, die gemeinsam mit den
arbeitenden Menschen Positionen in der Gesellschaft erreicht.

Die KPOe-Steiermark ist bereit, sich im Rahmen des foederalistischen Aufbaus
der Partei dieses Ziel zu stellen. Wir grenzen niemanden aus. Wir lassen uns
aber auch nicht ausgrenzen.

Franz Stephan Parteder

F.St.P. ist Vorsitzender der steirischen KP



*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43 (0222) 535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
eMail redaktion und termine: akin.buero@gmx.at
eMail abo: akin.abo@gmx.at
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin