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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 30. September 2003; 17:20
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Moderne Zeiten/Ueberwachung:

> eBay is watching you!

Wie sich ein Vertreter von eBay ueber die Weitergabepraxis von Userdaten an
"law enforcement" ausgesprochen hat, beschreibt folgender Artikel aus der
englischen Ausgabe der israelischen Tageszeitung Haaretz zu entnehmen. Ohne
Dursuchungsbefehl, ohne Rueckfrage, eine Mail genuegt und es gibt die
komplette User History.

*

Kuerzlich fand in Connecticur eine Konferenz zum Thema "Cyber Crime 2003"
statt. Sullivan, Direktor der Abteilung fuer Durchfuehrung und Erfuellung
der Gesetze bei eBay.com, dem weltgroessten Wiederverkaeufer im Internet,
hielt eine Rede vor ausgesuchtem Publikum, zu der aus gutem Grund Reporter
nicht zugelassen waren.

Haaretz hat einen Mitschnitt der Rede erhalten, in der Sullivan dem
Auditorium mitteilt, dass eBay bereit ist, alle relevanten Informationen,
die die Firma ueber Besucher ihrer Website gesammelt hat, den staatlichen
Ermittlern zur Verfuegung zu stellen. Eine Anfrage per Fax oder E-mail
genuegt. Es ist keine richterliche Anordnung mehr noetig. eBay selbst hat
ein halbes Dutzend Ermittler unter Vertrag, die "verdaechtige User" und
"verdaechtiges Verhalten" genau pruefen. Der Patriotismus nach dem 11.
September habe diesen Geist der Firma hervorgebracht.

eBay ist die weltgroesste Auktions-website. Ungefaehr 62 registrierte User
kaufen und verkaufen vielfaeltige Waren auf dieser Site. Nach eigenen
Angaben der Firma bestreiten 150.000 Internetuser mittels der Website als
Kaeufer und Verkaeufer sogar ihren Lebensunterhalt.

Jeder User muss sich registrieren lassen, seine persoenlichen Daten angeben
und die Vertragsbedingungen sowie die Bedingungen fuer den Umgang mit den
Daten akzeptieren. Bei jedem Kauf fuellt der Kaeufer ein Evaluationsformular
aus, in dem seine Zufriedenheit als Kunde registriert wird. Nach Sullivans
Aussage hat eBay seit seiner Gruendung 1995 alle Daten dokumentiert, die
jemals ueber die Website gegangen sind.

Man solte glauben, dass der Schutz der privaten Daten ihrer Kunden, die so
peinlich genau festgehalten wurden, von eBay streng beobachtet wird, um den
guten Namen in der Community zu erhalten. Aber im Amerika nach 9/11 und vor
dem Golfkrieg II wurde die Unterstuetzung der "Sicherheitskraefte" als
hoechste Tugend des Patriotismus angesehen.

Ein Fax zu eBay von einem Gesetzeshueter - sei es polizeilichen Ermittler,
NSA-, FBI- oder CIA-Angehoerigen oder Nationalpark-Aufseher - und eBay
sendet den vollen Namen des users, seine email-Adresse, Hausadresse,
Telefonnummer, den Namen der Firma, wo der Kaeufer beschaeftigt ist und den
User-Namen. Darueber hinaus schickt eBay die Liste der Geschaeftsverlaeufe,
der Preise, die er gezahlt hat und sogar die Beitraege, die er in den
verschiedenen Diskussionsgruppen der Website geliefert hat.

Rechtsanwalt Nimrod Kozlovski, Autor des Buches "The Computer and the Legal
Process" kommentiert diese Ausfuehrungen Sullivans fassungslos: "Die
Zustimmung, die der User geben muss, muss als "erzwungene Zustimmung"
betrachtet werden, da jede Moeglichkeit einer freien Wahl ausgeschlossen
wird. Das ist keineswegs eine bewusste Zustimmung."

Kozlovski ist Teilnehmer der Projektgruppe "Information Society" an der Yale
Law School, in dem die Auswirkungen der neuen Medien auf die Struktur der
Gesellschaft untersucht werden. Er weist darauf hin, dass das amerikanische
Gesetz Nachforschungen nach Daten ueber Privatpersonen nicht zulaesst,
ausser in besonderen Faellen, wenn ein Gericht eine Untersuchung
rechtfertigt oder der einzelne seine Zustimung zu einer solchen Untersuchung
gibt. Im vorliegenden Fall unterschreibt der User ein Dokument, das besagt,
dass mit seiner Information beliebig umgegangen werden kann.

Ein kurzer Blick auf die Webseite der Gesellschaft zeigt, dass der Vertrag,
dem der User zustimmen muss, 4.023 Woerter umfasst. Ein weiteres Dokument
ueber den Umgang der Site mit Personendaten umfasst weitere 3.750 Woerter.
Erst nach weiteren 2.390 Woertern hat der User Kenntnis von dem, was die
Weitergabe der Daten an staatliche Autoritaeten betrifft. Die Privatsphaere
des Users ist eBay voellig ausgeliefert

Vorauseilender Gehorsam

eBay begnuegt sich nicht damit, einfach seine Daten mit den staatlichen
Behoerden zu teilen. Sullivan sagt, dass die Gesellschaft sechs eigene
Ermittler beschaeftigt, die in Polizeiarbeit erfahren sind. Sie verfolgen
die Spuren verdaechtiger Personen und verdaechtiger Vorgaenge, indem sie
nach untypischen Verhaltensmustern suchen. Niemand hat eBay damit
beauftragt, es ist eine freiwillige Leistung.

eBay geht noch weiter. Sullivan berichtete, wie seine Ermittler einen User
ausfindig zu machen versuchten, der im Verdacht stand, ueber die Site
gestohlene Autos zu verkaufen. Der User war jedoch auf ein Kaufangebot der
Ermittler nicht hereingefallen. Die Pseudokaeufer der Gesellschaft werden
seitdem mit einem umfassenden simulierten Kaeuferhintergrund ausgestattet,
ein betraechtlicher Aufwand, der dazu dienen soll, des Diebstahls
Verdaechtigte aufzuspueren.

Ein Vertreter der Gesellschaft versichert, dass diese Verfahrensweise nur
bei Personen angewendet wird, die illegaler Taetigkeit verdaechtigt werden.
Kozlovski beanstandet, dass dieses Vortaeuschen von Geschaeftsbeziehungen
regelmaessig stattfindet und dass kein wohlbegruendeter Verdacht auf ein
begangenes Verbrechen vorliegen muss.

Im Juli 2002 kaufte eBay PayPal, eine Internetfirma, die alle finanziellen
Transaktionen zwischen Kunden und eBay durchfuehrt. "Durch den Kauf von
PayPal vermischt eBay die Information ueber den Warenweg mit dem Finanzweg."
erklaert Kozlovski. Auf diese Weise gelingt es eBay, die Regeln der
Nicht-Offenlegung von Einzelheiten von Finanztransaktionen und der
Vertraulichkeit zwischen Bank und Kunden zu umgehen.

Kozlovski sieht die Geschaeftspraktiken von eBay als Teil eines
beaengstigenden Trends zur Beschneidung von Persoenlichkeitsrechten."In
kommunistischen Regimes", meint er, "setzte der Staat Spitzel auf jeden
Buerger an, die belastende Informationen an die Behoerden weitergaben. Jetzt
braucht der Staat nichts mehr zu tun. Die Leute kommen aus eigenem freiem
Entschluss. eBay nutzt seine marktbeherrschende Position, um den Usern
Vertraege unterzujubeln, die den Schutz ihrer Privatsphaere zerstoeren.
Vielleicht ist das Regime unterschiedlich, aber das Ergebnis ist sicher
dasselbe."

(Yuval Dror in Haaretz, Ue: akin, gek.)


Originaltext:
http://www.haaretz.com/hasen/pages/ShArt.jhtml?itemNo=264863&contrassID=2&su
bContrassID=5&sbSubContrassID=
0&listSrc=Y&itemNo=264863



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