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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 16. September 2003; 06:26
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Gewerkschaft/Kommentar:

> Buerokratische Inszenierung

Zur OeBB-PersonalvertreterInnen-Versammlung am 25.8.2003

"Wenn dann nicht alle mitmachen beim Streik, dann blamieren wir uns ..."
(Norbert Bacher, FSG-Vorsitzender der GdE)

Demokratisch vorbildlich, koennte man sagen, dass die Gewerkschaftsspitze
der EisenbahnerInnen am 25.August 2003 ueber 2.000 PersonalvertreterInnen im
Vienna International Center versammelt. Es war schon faellig, dass die
VertreterInnen der OeBB-Belegschaften aus ganz Oesterreich zusammen kommen,
um die Situation und weitere Kampfschritte gegen den Abbau- und
Zerschlagungswahn der von Gorbach, Kukacka & vorm Walde zu beraten. Ich war
einer der Flugblattverteiler der ueberparteilichen "Plattform" von
BetriebsraetInnen und BetriebsaktivistInnen "fuer kaempferische &
demokratische Gewerkschaften", bin ebenfalls Personalvertreter, aber im
LehrerInnenbereich und nahm solidarisch an der gesamten Konferenz teil.

Kukacka & Gorbach waren am 25. August sichtlich erfreut darueber, dass
Haberzettl & GdE-VorstandskollegInnen keine Streiklosungen ausgegeben
hatten. Die Einstellung der Ueberstunden, der Hauptpunkt im Aktionsplan der
GdE-Gewerkschaftsspitze im VIC, ist erst fuer Mitte September geplant

Viele Jahre Dienststellen- und Sozialabbau auch bei den OeBB

Die Politik der FSG-Fuehrung der Eisenbahnergewerkschaft in den letzten
Jahrzehnten bestand ja darin, bei stetem Dienstposten- und Sozialabbau die
eine andere soziale Errungenschaft fuer die "restlichen" OeBBlerInnen zu
erhalten: In den 70ern wurden die Pensionsvorteile der Lokfuehrer gekippt
und ab 1996 gibt's fuer Neue ohnehin nur mehr das ASVG. Damals stellte die
OeBB-Belegschaft noch 58.000 KollegInnen, heute sind es rund 10.000
weniger. Ungeheure Mehrarbeit und Mehrstress heisst das fuer den "Rest" und
der wird weiter ruhig gehalten. Haberzettl & Co fuehren ganz allein Regie
ueber eine OeBB-Belegschaft, die mit dieser Regie bald nur mehr rund 36.000
KollegInnen stark sein koennte!?

Von dieser Entwicklung war auch am 25.August im VIC viel die Rede. Nach
Haberzettls & Verzetnitschs Eroeffnungsgejammere und Soliparolen referierten
Harald Guenter und Norbert Bacher vom GdE-Vorstand ueber die neuen
Gruselideen Kukackas & Gorbachs: Filetierung der OeBB samt Eingriffen in
bestehende Dienstvertraege. 7000 OeBBlerInnen, teils brutal gemobbt, kommen
in den Ruhestand; die anderen 5000 werden als "aelter" und "nicht mehr so
leistungsfaehig" erklaert und gekuendigt bzw. verleast. Schliesslich gibt es
5728 nicht pragmatisierte, also potenziell kuendbare OeBBlerInnen! Und im
Filetierungspaket von Regierung und OeBB-Vorstand gibt es auch eine
Personal-GmbH: dort sollen andere Kapitalisten billige, gut qualifizierte
OeBB-Arbeitskraefte ausborgen koennen! Regierung & Vorstand gehen somit den
englischen Weg mit Infrastruktur-, Personenverkehr-, Gueterverkehr- oder
Finanzierungs-AGs, in denen Profithaie entweder gross absahnen oder bankrott
gehen werden. Und wo wir OeBB-KundInnen am Zielbahnhof immer oefter
verspaetet (oder im Krankenhaus bzw. am Friedhof) ankommen!

Die neoliberalen Machtcliquen gehen es jetzt also stringent an, den grossen
Brocken der OeBB-Belegschaft pensions- und sozialmaessig ans untere
ASVG-Armutsniveau anzupassen. Der Kern-OeBBler soll nun ebenso bis 65 Jahre
hackeln bzw. querschnittsgelaehmt sein, um auf die volle Pension zu kommen.
Fuer die grosse -Mehrheit gibt es, so wie bei allen anderen Lohnabhaengigen,
die studieren, Kinder haben oder den kapitalistischen Stress nicht ein
halbes Jahrhundert aushalten, gehoerige Pensionsabschlaege. Die Yuppies in
Regierung und Managements unternehmen alles, damit wir nur mehr so wenig
Jahre wie moeglich nach der Lohnarbeit leben und kosten!

Das Wichtigste kam aus den PersonalvertreterInnenreihen

Was bei anderen BetriebsraetInnen-Versammlungen des OeGB keine klare Sache
ist, gestanden Haberzettl, Bacher & Freunde am 25.8. zu: Rund ein Drittel
der gesamten Konferenz gab es Redefreiheit fuer die Basis, wovon dann auch
ausgiebig Gebrauch gemacht wurde. Fuer mich als solidarischen Beobachter war
dies der interessanteste Teil der Konferenz. Das GdE-Fuehrungstrio
kaprizierte sich ja auf den Ueberstundenboykott ab Mitte September. Ein
einziges Mal, nach der Basisdiskussion, rutschte Haberzettl schliesslich
doch noch das Wort "Streik" heraus, dann, ja dann, wenn in die alten
Dienstvertraege eingegriffen wuerde ...

In den Diskussionen vorher war naemlich von etlichen PV-KollegInnen viel die
Rede davon gewesen, dass die OeBB-Belegschaft immerhin "der letzte
geschlossene Haufen in der linken Reichhaelfte" sei, der "vom Neusiedler-
bis zum Bodensee organisiert" ist! Und stuenden wir wirklich vor der "Mutter
der Schlachten", wurde Haberzettl von einem anderen PV gefragt. Der Boykott
wuerde zwar ein grosser Erfolg werden, meinte er, aber der OeBB-Vorstand sei
zu gut organisiert, dass er sich davon beeindrucken lassen wuerde. Ein
klarer Aktionszeitplan gehoere her. Ein anderer PV fragte, ob
Gewerkschaftsspitze und KollegInnen ueberhaupt noch wuessten, was "Kampf"
und eine Gewerkschaft als "Kampforganisation" bedeuten? Grossartige Ideen
kamen da aus den PV-Reihen, viel ermutigender als alles, was vom Podium
gekommen war. Wir brauchen, so ein weiterer Personalvertreter, einen langen
Atem und statt eines einzigen Streiktages sollte die Gewerkschaftsfuehrung
einen Plan fuer Teilstreiks entwerfen, einmal die Lokfuehrer, an einem
anderen Tag die Verschieber, dann die Schaffner, die Fahrdienstleiter u.s.w.

BetriebsraetInnen und PersonalvertreterInnen brauchen mehr Selbstvertrauen!

In einer Anfrage wurde schliesslich sogar die ganze Dimension des
Klassenkampfes gegen den neoliberalen Kapitalismus zur Debatte gestellt, als
ein Personalvertreter Haberzettl nach den Lehren aus der Niederlage der
britischen BergarbeiterInnen gegen Thatcher fragte. Darauf gab Haberzettl
natuerlich keine Antwort, obwohl auch ein AUA-Betriebsratsmitglied die
solidarischen Gruesse vom Kampf der AUA-PilotInnen ueberbracht hatte.
Eigentlich warf er damit den OeBB-PersonalvertreterInnen ein Hoelzerl hin,
dass ein erfolgreicher Kampf gegen die neoliberale Offensive letztlich nur
gemeinsam mit den AUA-KollegInnen, mit den KollegInnen von der Post, aus dem
Bildungsbereich, aus dem gesamten Oeffentlichen Dienst u.a. vorstellbar
ist - wenn eben Oesterreich wirklich einmal vom Neusiedler- bis zum Bodensee
lahmgelegt wird ...

Da stehen indes die Haberzettl, Palensky (Post), Neugebauer (GOeD) u.a.
dagegen. Ein anderes Problem besteht darin, dass die sich in den letzten
drei Jahren eindeutig radikalisierten PersonalvertreterInnen und
BetriebsraetInnen Oesterreichs nicht organisiert sind. Sie sind von den
einzelnen Belegschaften gewaehlt, werden Oesterreich-weit bislang aber nur
von den Gewerkschaften zusammen gerufen. Dieses OeGB-Werkel ging auch dieses
Mal gemaess der gewerkschaftsbuerokratischen Inszenierung ueber die Buehne.
Die OeBB-PersonalvertreterInnen kritisierten die OeGB-Politik, machten
kaempferische Vorschlaege und ... fuhren nach Hause.

Letztlich ist dies auch eine Schwaeche der PersonalvertreterInnen, die
Vorschlaegen fuer eine Oesterreich-weite Streikaktion und den Kritiken an
der lahmen OeGB-Politik laut zustimmten, dann aber ebenso bei einem
Personalvertreter fest applaudierten, der eine Kritik am OeGB als Sudelei
abtat. Norbert Bacher und Haberzettel schlugen in ihren Schlussworten
natuerlich noch fest in diese Kerbe, wie billig und populistisch es halt
sei, von "uns unten und denen da oben" zu reden (Bacher) und dass heute
nichts so wichtig sei, wie die gewerkschaftliche "Einheit"!

Das ist schon klar, dass wir den OeGB nicht spalten wollen, aber die
Gewerkschaftsdemokratie einzufordern, so wie es am 25. 8. sinnvoll gewesen
waere, hat nichts mit Spalterei zu tun. Wenn Haberzettl & Bacher abstimmen
haetten lassen, wer im Saale gleich fuer einen Streik sei, waere Bachers
Frage beantwortet, ob sich die Gewerkschaft bei einer Streikpolitik
blamieren wuerde oder nicht!

Ich fand in der Versammlung viele Aehnlichkeiten mit unserer Situation im
Bildungswesen. Unsere Gewerkschaftsfuehrung klebt ebenfalls an Regierung und
Sozialpartnerschaft, waehrend "unten" auf Dienststellenversammlungen immer
wieder Unmut hochkommt. Umso wichtiger waere es, dass kaempferische
OeBB-PersonalvertreterInnen bzw. BasisaktivistInnen mit unserer
ueberparteilichen Plattform Kontakt aufnehmen, damit wir gemeinsam beraten
koennen, wie der Gewerkschaftssache in Oesterreich geholfen werden kann!

*Karl Fischbacher*
Personalvertreter, APS-Wien und LabourNet-Austria, 29.8.03 (gek.)

Kontakt: labournetaustria@utanet.at
http://web.utanet.at/labournet.austria



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