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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 20. Mai 2003; 14:33
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Israel/Palaestina/Debatte:

> Suicide Nazi-Bombing ins Paradies

Zu einem Artikel in ContextXXI

Gerhard Scheit bemueht in ContextXXI 1/2003 ausgedehnte
nationalsozialistische Vergleiche, um historisch den islamischen
Antisemitismus zu verdeutlichen. Diesem ginge es um die Ausloeschung der
Juden und die Vernichtung des israelischen Staates. Die
Nationalsozialistische Volksgemeinschaft sei mit der islamischen auf weiten
Strecken durchaus vergleichbar, meint Scheit.

Auf insgesamt 9 Seiten werden diese und adaequate Bilder von verschiedensten
Aspekten, allerdings mit hoher Informationsdichte immer wieder aufgerollt.
Durch die Zuordnung zu Israel eruebrige sich jede weitere Definition des
Judentums - Rassenkunde werde eingespart, und des oefteren wuerde Juden als
Affen und Schweine bezeichnet. Und vor allem immer wieder: die Ausrichtung
islamistischer Ideologie auf die physische Vernichtung der Juden, die an den
Nationalsozialismus unmittelbar anschliesse. Vom Islam zum Islamismus
scheint es nicht so weit zu sein, und so tauchen beide Begriffe abwechselnd
als gleich antisemitisch in Scheits Artikel auf.

Gut - ob diese Sicht der Dinge ein etwaiges friedlicheres Zusammenleben in
Israel auch unter geaenderten politischen Vorzeichen jemals wahrscheinlich
werden lassen, sei dahingestellt. Es scheint nicht so weit hergeholt, die
Quintessenz von Scheits Argumentation darin gipfeln zu sehen, dass es Israel
nicht zugemutet werden kann, mit einer islamistischen und dadurch quasi
nationalsozialistischen Volksgemeinschaft im gleichen Land zu leben. Diese
wuerden sich vorwiegend mit der aeusserst effizienten Produktion von
Selbstmordattentaetern beschaeftigen, was auf den NS-Staat umgelegt, nur als
eine Privatisierung staatlicher Vernichtungsaktionen betrachtet werden
koennne. Und so scheint auch die Denkweise am Artikelschluss relativ
logisch, dass Sharon nichts anderes tut, als das Schlimmste zu verhindern.
Erst dieses verhindert zu haben, sei die unbedingte Voraussetzung fuer die
wirkliche Versoehnung. Aber die Bedrohung stelle sich massiv auch fern von
Israel, denn es habe sich insgesamt eine Blut- und Oel-Ideologie des
Islamismus einschliesslich der Sharia mit konkreter Beteiligung an den
Finanzmaerkten herausgebildet.

Es gibt also den bedingungslosen, historisch gewachsenen, zweckmaessig zur
Judenvernichtung ausgerichteten Ist-Zustand des Islam, der binnen kurzem
selbstredend zum radikalen Islamismus mutiere. Radikal und eindeutig,
gewiss! Vielleicht liegt es jedoch an den bereits erwaehnten 9 Seiten, dass
einige nicht so unwesentliche Sichtweisen aus Platzgruenden nicht mehr
beachtet werden konnten. Vor allem bleiben dadurch auch die Konsequenzen
unberuecksichtigt, die sich zwangslaeufig ergeben muessten. Was hat mit
Menschen zu geschehen, die mehrheitlich mit der NS-Toetungs-Maschinierie
gleichzusetzen sind? Waren Nazis "verbesserungsfaehig"? Nuernberger Prozesse
und Entnazifizierungen greifen hier nicht mehr. Das Umlegen saemtlicher
Aussagen auf den internationalen Islamismus und so auf den Islam laesst so
nur den Schluss zu, dass die schon aus Selbstschutzgruenden bekaempft werden
muessen. Um jeden Preis. Abknallen, bombardieren und vor allem international
aechten erscheint dadurch eigentlich legitim, vertreiben natuerlich
ebenfalls. Es gibt absolut keine Gespraechsbasis mehr, internationale
Politik definiert sich ausschliesslich als Schaedlingsbekaempfungsmittel.
Denn eigentlich sind alle Selbstmordattentaeter - die, die sich keinen
Sprengstoffguertel um den Bauch schnallen, sind nur Verhinderte.

Dass es natuerlich entsetzlich ist, dass Kinder, Alte, Kids in Discos oder
vor den Schulen, Maerkte, Cafes, Busse und einfach alle, die zufaellig
gerade da sind, in die Luft gesprengt werden, muss nicht extra erwaehnt
werden. Mich fasziniert nur die eklatante Einseitigkeit von Scheit - hier
die akribisch bemuehte historische Aufarbeitung eines antisemitisch fast
orgienhaft gewachsenen Islam, auf der anderen Seite nichts. Keinerlei
oekonomischen Zusammenhaenge, es gibt und gab keinen Imperialismus, keine
Ausbeutung durch die Industriestaaten. Es existieren weder Rezession noch
gewachsene Strukturen zerstoerender Neo-Liberalismus. IWF, Weltbank und die
verhaengnisvoll korrupten Verbindungen politischer Eliten teil-despotischer
islamischer Staaten mit westlichen Ruestungskonzernen kommen nicht vor. Dass
die Metropolen, solange sie ihr Oel bekommen, diese Staaten unvorstellbar
aufgeruestet haben und dies nach wie vor massiv betreiben, gibts auch nicht
zu lesen. Und so weiter: die Schieflage der Handelsachsen und die daraus
resultierenden massiven Profitungleichgewichte, die wachsende Verelendung
und Perspektivlosigkeit vor allem der Jugend.

Der Kriegs-Imperialismus der USA dient meiner Meinung nach nicht der Hebung
des Weltfriedens, faellt auch nicht unter: Schlimmeres verhindern. Es stellt
vielmehr eine automatische Aufforderung zu islamistischen Terrorismus in
jeder, leider auch in dieser entsetzlichen Form dar. Ebenso wie nur ziemlich
Naive glauben koennen, dass Sharons weitere Siedlungsbauten in den besetzten
Gebieten dem Frieden und der Versoehnung in Israel dienen duerften. Sharon
ist zu weit gegangen, die USA sind es, die Islamisten sind es. Und
natuerlich auch die Suicid- Bomber. Bilanzen aufzustellen, wer womit zuerst
begonnen hat, duerfte in der momentanen Lage nicht sehr hilfreich sein. Die
Rechnungen sind auf allen Seiten mehr als offen. Natuerlich kann die
Eskalationsspirale weiter nach oben getrieben werden, was zu blutigen
Machtproben und zu ausgedehnten kriegerischen Handlungen zwischen sich
vermehrenden "Gottesstaaten" und weitgehend saekularisiertem und noch immer
hochindustrialisiertem Westen unter militaerischer Fuehrung der USA fuehren
wird. Oder es gibt tatsaechlich Dialoge, Akzeptanz und Kompromisse. Die
streng diametral ausgerichteten Fix-Meinungen ueber die jeweils Anderen wie
die von Scheit sind mittlerweile mehr als bekannt, zu einer friedlichen
Loesung duerften sie keinesfalls beitragen. *Fritz Pletzl*



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