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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 15. April 2003; 12:34
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Kriegsfolgen:

> Der schwarze Rauch im Kopf des Sergeants

Soldaten kommen heil aus dem Krieg zurueck, werden nachher krank, flippen
aus oder sterben an Krebs. Und es ist nicht nur abgereichertes Uran, das sie
vergiftet.


Dienstagmorgen, 18. Maerz, 7.08 Uhr. Louis Jones stirbt im US-amerikanischen
Gefaengnis Terre Haute in Indiana an einer toedlichen Injektion. Zwei Tage
spaeter beginnen die USA und Britannien den Irak zu bombardieren.

Die beiden Ereignisse haben nichts miteinander zu tun - und sind trotzdem
auf makabre Weise miteinander verknuepft. Sergeant Louis Jones hat 22 Jahre
lang bei der Armee gedient, als Unteroffizier eines Infanteriezuges und als
Ausbilder bei den Fallschirmjaegern. 1991 schickt ihn die Armee in den
Golfkrieg. Er kommt mit einer Auszeichnung zurueck, doch sei er nicht mehr
derselbe, sagt seine damalige Frau. Durchgedreht, panisch und unberechenbar.
Sein Humor ist weg, und er klagt staendig ueber Kopfschmerzen. Die Ehe geht
auseinander. Jones verlaesst die Armee, will studieren, schmeisst das
Studium wieder hin, jobbt und kriegt sein Leben nicht mehr auf die Reihe.

An einem Abend im Februar 1995 entfuehrt er von der nahe gelegenen
Militaerbasis die 19-jaehrige Rekrutin Tracie McBride, vergewaltigt sie,
erschlaegt sie. Er wird die Tat nicht bestreiten, aber er sagt auch, er sei
ein Opfer des Golfkriegsyndroms.

1991 schickte die USA knapp 700 000 Mann in den Golfkrieg. Nach ihrer
Rueckkehr beginnen viele der Veteranen unter den unterschiedlichsten
Symptomen zu leiden. Die meisten klagen ueber Muskel- und Gelenkschmerzen,
chronische Muedigkeit, Gedaechtnisverlust, Verdauungs- und Atembeschwerden,
Depressionen und Hautkrankheiten. Das Leiden bekommt einen Namen:
Golfkriegssyndrom.

Bis heute hat das US-amerikanische Department of Veterans Affairs (VA) ueber
ein Drittel der Golfkriegsveteranen als invalid oder teilinvalid anerkannt.
Ueber 10 000 der Veteranen sind inzwischen gestorben; im Feld sind 1991 nur
96 US-Soldaten umgekommen. Mit einer gewissen Verzoegerung treten auch bei
Golfkriegsveteranen in Britannien, Frankreich und Kanada aehnliche
Krankheitssymptome auf. 2000/2001 erkrankten zudem in verschiedenen
europaeischen Laendern rund zwei Dutzend Soldaten an Leukaemie, die in
Bosnien oder im Kosovo gedient hatten. Endlich beginnt man auch in breiten
Kreisen ueber eine moegliche Ursache dieser Kriegserkrankungen zu reden:
Depleted Uranium (DU) - abgereichertes Uran.

Die USA haben 1991 den Irak mit 324 Tonnen uranhaltiger Munition
bombardiert. In Bosnien wurden davon 3 Tonnen abgefeuert, im Kosovo 8,4
Tonnen.


"Elegante" Art der Atommuell-Entsorgung

Abgereichertes Uran ist ein Abfallprodukt der Nuklearindustrie. Um
Brennstaebe fuer Atomreaktoren herzustellen, muss man im natuerlich
vorhandenen Uran den U235-Anteil erhoehen. Zurueck bleibt das nicht
spaltbare U238. Dieses Schwermetall ist ausserordentlich dicht - wie etwa
Wolfram. Der Unterschied: Wolfram ist relativ teuer - abgereichertes Uran
nahezu gratis. Denn wenn man eine Tonne Brennmaterial fuer ein AKW
produziert, hinterlaesst man 5 bis 7 Tonnen abgereichertes Uran, das
irgendwo in Stahlkanistern herumsteht, weil niemand weiss, wo man es
endlagern soll. Allein in den USA warten 700 000 Tonnen abgereichertes Uran
auf eine sichere Entsorgung. Dank der hohen Dichte dieses Urans kam man nun
auf die Idee, spezielle DU-Pfeilmunition herzustellen, die locker die Huelle
eines Panzers durchschlaegt. «Nach dem Durchdringen der Panzerung, sobald
der DU-Pfeil wieder mit Luft in Beruehrung kommt, verbrennt das, was vom DU
nun in fluessiger Form oder als Pulver vorhanden ist, und vergroessert so
die Zerstoerungswirkung. Oft wird dadurch auch der Treibstofftank in Brand
gesetzt und/oder die im Panzer vorhandene Munition zur Detonation gebracht»,
schreibt das AC-Labor Spiez (d.i. die schweizerische Fachstelle fuer
ABC-Schutz). Im Golfkrieg hat die US-Armee zusammen mit der britischen 850
000 derartige Geschosse abgefeuert und einen maechtigen Friedhof
ausgebrannter Panzer hinterlassen. Sergeant Jones hat sie brennen sehen.

Zwoelf Tage nach der Tat wird Louis Jones gefasst. Den
Untersuchungsbehoerden wird er erzaehlen, dass er sich waehrend der
Entfuehrung und des Mordes wie fremdgesteuert gefuehlt habe. Er habe
schwarzen Rauch aufsteigen sehen, wie damals in Kuweit.

Weil er die Tat auf einer Militaerbasis begangen hat, wird er 1995 vor ein
Bundesgericht gestellt. Die Jury kommt zum Schluss, er habe berechnend
gehandelt, seine Tat lasse sich nicht mit dem Krieg in Verbindung bringen.
Die Geschworenen verurteilen ihn damit zum Tode. Eine Raritaet, da der
Bundesstaat von 1963 bis heute nur zwei andere Leute zum Tod verurteilt hat:
Timothy McVeigh, der am 19. April 1995 in Oklahoma City ein
Regierungsgebaeude in die Luft sprengte und 168 Menschen toetete, sowie den
Drogenhaendler Juan Garza. Pikantes Detail: Timothy McVeigh, der im Juni
2001 exekutiert wurde, war wie Louis Jones ein Golfkriegsveteran.


Gefaehrlicher Chemiecocktail

Aber nicht nur DU vergiftete die Armeeangehoerigen: 1996 informiert die
US-Armee erstmals darueber, dass Soldaten, die im irakischen Kamisiyah im
Einsatz waren, geringen Dosen von Sarin ausgesetzt waren. Zuerst spricht die
Armee von einigen hundert, spaeter von einigen tausend betroffenen Soldaten.
Das Pentagon schickt Jones 1997 und 2000 einen Brief, in dem es bestaetigt,
dass er waehrend seines Einsatzes dem Nervengas ausgesetzt war. Jones hat
die Briefe nie erhalten, weil er im Gefaengnis sass, schreibt «Newsweek».
Sie haetten ihm aber auch nicht viel genuetzt, da neue Beweise bei einem
Berufungsverfahren nicht zugelassen sind.

Sarin ist ein Nervengas, das 1995 beruehmt wurde. Die Aun-Sekte hat es in
der Tokioter U-Bahn freigesetzt, hunderte bis tausende wurden vergiftet,
viele starben. Waehrend des Kalten Krieges war Sarin einer der
gefaehrlichsten und einer der beliebtesten chemischen Kampfstoffe. Ost und
West produzierten tausende von Tonnen. Auch der Irak besass das gefaehrliche
Gift. Er hat es aber im Golfkrieg nicht eingesetzt. Die alliierten Truppen
bombardierten Kamisiyah, wo sie unterirdische Bunker vermuteten. Durch die
Bombardements trafen sie offenbar Tanks, die Sarin enthielten. Das
Nervengift verfluechtigte sich, und «100 000 Mann waren geringen Mengen
Chemikalien» ausgesetzt, wie das Pentagon 1996 einraeumen musste.

Moeglich, dass sich Jones dadurch das Golfkriegssyndrom zuzog. Genau laesst
sich das nicht mehr auseinander dividieren, da die Soldaten einem wilden
chemischen Cocktail ausgesetzt waren. Bevor sie an die Front gingen, hat man
ihnen zum Beispiel das Medikament Pyridostigmin verabreicht, das bei
Nervengasattacken die Ueberlebenschancen verbessern soll. Zudem hat man
Kleidung und Zelte exzessiv mit Pestiziden behandelt, weil man sich vor
Insekten fuerchtete, die verschiedene Krankheiten uebertragen wie Malaria
oder Leishmani (ein Einzeller, der sich unter der Haut oder in den
Eingeweiden festsetzt und gefaehrliche Entzuendungen verursacht).

Gleichzeitig hat man die Soldaten gegen diverse, in der Golfregion uebliche
Krankheiten geimpft, aber auch gegen moegliche biologische Kampfstoffe, die
die irakischen Truppen vielleicht haetten einsetzen koennen. «Angeblich
fuehrte dies bis zu dreissig Injektionen innert dreier Wochen. Tatsaechlich
stellt sich da die Frage, ob der Koerper noch in der Lage ist, gegen diese
grosse Zahl von Fremdeiweissen mit der Bildung entsprechender Antikoerper zu
reagieren», schreibt das AC-Labor Spiez.

Der renommierte Epidemiologe Robert Haley aus Texas, der sich seit mehreren
Jahren mit dem Golfkriegssyndrom auseinander setzt, ist heute ueberzeugt,
dass genau dieser undurchschaubare Chemikalienmix zu den diffusen
neurologischen Schaeden gefuehrt hat. Er hat mit
Magnetresonanzspektroskopien nachgewiesen, dass bei den untersuchten
Veteranen «5 bis 25 Prozent der Zellen in vitalen Bereichen des Gehirns»
geschaedigt sind - Gehirnbereiche, «welche als Relaisstation fuer alle
automatischen und unbewussten Funktionen agieren».

Der Golfkriegssyndrom-Experte Robert Haley setzt sich fuer Louis Jones ein
und sagt vor der Presse: «Meiner Meinung nach wurde Jones waehrend seines
Golfkriegseinsatzes Chemikalien ausgesetzt, die wichtige Gehirnzellen
zerstoerten. Diese Schaedigung war verantwortlich fuer die
Persoenlichkeitsveraenderung, die letztlich zu der tragischen Tat fuehrte.»
Die Regierung blockt umfassende neurologische Untersuchungen aus
Kostengruenden ab.

Der Oberste Gerichtshof lehnte 1999 Jones' Rekurs knapp ab. Im Februar 2003
weist Georg W. Bush sein Begnadigungsgesuch ab. Louis Jones wird
hingerichtet, Bush beginnt seinen neuen Krieg.
*Susan Boos, WoZ, 10.4.2003/gek.*

Quelle: http://www.woz.ch/wozhomepage/15j03/uranwaffen15j03.htm

Infos:
AerztInnen gegen Atomkrieg: http://www.ippnw.de
Infos ueber Uranmunition: http://www.antenna.nl/wise/uranium
Golfkriegsveteranen: http://www.gulfwarvets.com
AC-Labor Spiez http://www.vbs.admin.ch/ls/




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