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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 8. April 2003; 20:20
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Neoliberalismus/Kommunal:

> Was ist so falsch an Cross-Border-Leasing?

Immer mehr Staedte nutzen ein Finanzinstrument, um ihren maroden Haushalt
vor dem Bankrott zu bewahren: Das "Cross-Border-Leasing". Dabei werden
staedtische Anlagen an einen US-Investor verkauft und gleich wieder
zurueckgemietet. Der Investor nutzt dabei die Moeglichkeit der
Steuerabschreibung in den USA und gibt von dieser "Steuerersparnis" einen
kleinen Teil an die Stadt ab, den sogenannten "Barwertvorteil". Fuer diese
Art von Geschaeften eignen sich Heizwerke, Muellverbrennungsanlagen,
Klaeranlagen, Messehallen, Schienennetze, Strassenbahnwagen, ganze
Trinkwasser- und Kanalsysteme, u.s.w.

Der Vertrag laeuft meist auf hundert Jahre mit einer Kuendigungsmoeglichkeit
nach fruehestens fuenfundzwanzig bis dreissig Jahren und einem
Rueckkaufsrecht von Seite des Verkaeufers, der Kommune. Obwohl der
US-Investor nach amerikanischem Recht das wirtschaftliche Eigentum erwirbt,
wird den europaeischen Partnern gesagt, dass sie Eigentuemer mit allen
Rechten und Pflichten bleiben, was nach unserer Rechtsauffassung auch so
ist, da die Kommunen weiterhin die Verfuegungsgewalt haben und vertraglich
verpflichtet sind, das Objekt mindestens ueber fuenfundzwanzig bis dreissig
Jahre zu erhalten. Der Leasingvertrag ist gar keiner, sondern ein
Kaufvertrag, jedenfalls von US-Seite aus betrachtet.

Der Investor bringt das Objekt in seine Bilanz ein und spart durch diese
Auslandsinvestition Steuern. Auch der hiesige Eigentuemer, das heisst die
Betreibergesellschaft, bringt das Objekt in die Bilanz ein, und verbucht
Ertraege aus der wirtschaftlichen Nutzung. Wir haben sozusagen zwei
Eigentuemer, die dasselbe Wirtschaftsgut bilanzieren. Diese hoechst
fragwuerdige Rechtskonstruktion ist ein Ergebnis der Deregulierung in den
USA in den neunziger Jahren. Auch die Monsterkonkurse bei Enron und Worldcom
stehen in Zusammenhang mit solchen und aehnlichen Finanztricks.

Beim Cross-Border-Leasing bleibt der Investor anonym und investiert keinen
Cent, er kassiert die "investierten" Millionen am ersten Tag wieder ein,
abzueglich der paar Millionen "Barwertvorteil", die der Stadt verbleiben.
Der Investor uebernimmt keinerlei Risiko und keine Verantwortung fuer die
Anlagen. Der Oeffentlichkeit hier wird vorgespielt, dass die Laufzeit nur
dreissig Jahre betraegt, es sich um einen Leasingvertrag ohne
Eigentumsuebertragung handelt und das Eigentum bei der Stadt bleibt. Fuer
das amerikanische Finanzamt laeuft der Vertrag aber ueber hundert Jahre, es
ist ein Kaufvertrag und das Eigentum geht an den Investor ueber.

Die Vertraege werden nicht uebersetzt, Vertraulichkeit wird vereinbart. Die
Vertragswerke, an denen Anwaelte schoen verdienen, sind in der Regel
zwischen achthundert und dreitausend Seiten dick und in englischer Sprache
verfasst, die StadtpolitikerInnen bekommen eine Zusammenfassung von
fuenfzehn bis fuenfundzwanzig Seiten. Name und Adresse des vom Investor
eigens fuer jedes Cross-Border-Leasing gegruendeten Trust, der der
eigentliche Vertragspartner ist, sind meist unbekannt.

Was ist so falsch an solchen Geschaeften? Abgesehen von der moralischen
Komponente, sich als Kommune am Steuerbetrug an den amerikanischen Buergern
und Buergerinnen zu beteiligen, gibt es am "Cross-Border-Leasing" doch sonst
noch so Manches, wodurch auch grosser Schaden fuer die oesterreichische
Bevoelkerung zu befuerchten ist.

Zuerst einmal wird in den USA laufend ueber eine Aenderung des Steuerrechts
verhandelt und sollten die USA die Einhebung einer Quellensteuer auf solche
Vertraege beschliessen, dann muesste diese von den europaeischen
VertragsparterInnen bezahlt werden. Ausserdem muessten im Falle einer
Abschaffung der Steuerbeguenstigung in den USA die Kommune den bisherigen
Steuervorteil ersetzen. Zur Absicherung werden mit der Kommune dingliche
Sicherheiten vereinbart. Diese werden aber nicht wie sonst ueblich im
Grundbuch eingetragen, sondern im Panzerschrank eines amerikanischen
Treuhaenders verwahrt. Der Investor kann im Konfliktfall schnell darauf
zugreifen. Und Konfliktfaelle gibt es viele: So zum Beispiel sind alle Teile
einer Anlage im Vertrag genau verzeichnet. Wird irgend etwas kaputt und gibt
es eine laengere Betriebsunterbrechung, so kann das rechtlich schon zu einer
Vertragskuendigung fuehren, ebenso wie eine partielle Stilllegung von
Anlagen, die von der Kommune nicht mehr benoetigt werden. So koennen auch
umweltpolitische Steuerungen weitgehend unmoeglich gemacht werden, wenn man
zum Beispiel eine zu gross geratene Muellverbrennungsanlage zusperren
moechte oder aehnliches. Nach amerikanischem Recht koennen vom Investor
enorme Schadenssummen herausgeholt werden, die in der Folge von den
kommunalen Partnern bezahlt werden muessten und zu Lasten der Bevoelkerung
gehen, in Form von Steuergeldvergeudung, Tariferhoehungen,
Arbeitsplatzverlust, u.s.w.

Treibende Kraefte fuer diese Art von Geschaeften sind Banken, Industrie- und
Versicherungsunternehmen, die weltweit steuermindernde Finanzanlagen sichern
wollen. Arrangiert wird das Ganze von grossen Banken oder Finanzagenturen,
die bei der Vermittlung zwischen Stadt, Investoren und Banken den groessten
Teil vom Kuchen bekommen. In Deutschland gibt es schon einige erfolgreiche
Initiativen, die Cross-Border-Leasing-Geschaefte von Kommunen verhindert
haben. Auch die bayrische Staatsregierung will kuenftig
Cross-Border-Geschaefte fuer Kommunen untersagen und: "Einen Ausverkauf der
Staedte und Gemeinden wegen kurzfristig lukrativer Steuertricksereien und
riskanter Finanzierungsmodelle verhindern", so der bayrische Finanzminister
Faltlhauser.

In Oesterreich haben die bisher durchgefuehrten
Cross-Border-Leasing-Transaktionen nach Schaetzung der Kommunalkredit
bereits ein Volumen von fuenfzehn bis zwanzig Milliarden Euro, weitere
Vertraege fuer 3,5 Milliarden Euro werden verhandelt. Beispiele dafuer sind
Strassenbahn und U-Bahn in Wien, "rollendes Material" und Verschubbahnhoefe
bei den OeBB. Die Briefzentren Wien-Inzersdorf, Graz, Salzburg und Innsbruck
sind Inhalt eines Leasingvertrages ueber hundertneunzehn Millionen Euro.
Mindestens fuenf Abfallverbaende sollen heuer in solche Geschaefte
einsteigen. Wurden in Oesterreich die bisherigen Cross-Border-Geschaefte
fast ausschliesslich von Grossunternehmen und ausgegliederten Gesellschaften
getaetigt, so will jetzt auch die Gemeinde Wien das jenseits der Donau
liegenden Kanalnetz und das Pumpwerk an US-Investoren verleasen/verkaufen
und die Stadt Salzburg ist mitten in den Verhandlungen mit einem
US-Investor, der am Kanalnetz interessiert ist.
*Susanne Haydvogel in: Alternative 4/03 (gek.)*



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