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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 18. Maerz 2003; 19:22
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Irak/USA/Debatte:

Nachfolgend dokumentieren wir zwei Diskussionsbeitraege zum bevorstehenden
Krieg, die beide nicht unbedingt der Redaktionsmeinung nahekommen, aber
vielleicht zu einer tiefergehenden Diskussion beitragen koennten:

***

> Anarchie statt Bathismus!

Warum wir sowohl den Krieg als auch seine GegnerInnen ablehnen

Beitrag der Oekologische Linken

Wir haben hat bereits Ende 2002 in einer Erklaerung festgestellt, dass wir
den militaerischen Sturz eines faschistischen Regimes wie das Bath-Regime
Saddam Husseins fuer grundsaetzlich gerechtfertigt und legitim halten.
Allerdings haben wir auch Bedenken geaeussert, dass die einzige Legitimitaet
eines solchen Schrittes, der nicht ausschliesslich in der Vermutung von
nicht naeher definierten Massenvernichtungswaffen, sondern nur in einer
umfassenden Demokratisierung des Iraq liegen kann, aufgrund der
Nachkriegsplaene der USA nicht gegeben waere.

Auch wenn wir uns nie Illusionen ueber die Beweggruende fuer einen
Militaerschlag gegen Saddam Hussein gemacht haben, so hielten wir auch die
Hoffnung, die der Konkret-Herausgeber Hermann Gremliza bereits beim
Golfkrieg 1991 formuliert hatte, dass die Falschen aus falschen Gruenden
diesmal das Richtige tun koennten, fuer durchaus legitim. Schliesslich wurde
auch der 2. Weltkrieg von den Allierten nicht nur aus Gruenden des
Antifaschismus gefuehrt, sondern bestand auch in einem
innerimperialistischen Konkurrenzkampf. Trotzdem fuehrte er zur Niederlage
Deutschlands, Italiens, Japans und ihrer Marionettenstaaten und damit zum
Ende der deutschen Todesfabriken.

Auch wenn wir Saddam Hussein nicht als 2. Hitler sehen, so verbindet seine
Ideologie und sein Herrschaftsapparat sehr viel mit der voelkischen
Ideologie und Praxis des Nationalsozialismus, aber auch der anderen
europaeischen Faschismen. Ein totalitaer die Bevoelkerung kontrollierender
und integrierender Machtapparat, der sich einem voelkischen Nationalismus
verschrieben hat, der sich gegen Kurdinnen und Kurden, Iranerinnen und
Iraner wendet und nicht zuletzt ein moderner Antisemitismus, der sich gegen
Juedinnen und Juden im Iraq, aber auch gegen Israel und Juedinnen und Juden
weltweit richtet und die demokratische, linke und fortschrittliche
Opposition mit brachialer Gewalt und hunderttausenden Toten zerschlagen hat,
rechtfertigt den militaerischen Sturz dieses Regimes.

Allerdings ist ein solcher Krieg, der wiederum zu zehntausenden Toten auch
unter der Zivilbevoelkerung fuehren wird, nicht leichtfertig vom Zaun zu
brechen. Nichts anderes als ein Sturz des Bath-Regimes, der ueber das blosse
Auswechseln der Staatsfuehrung hinaus geht und eine umfassende
Demokratisierung einleiten muesste, wuerde einen solchen Krieg, mit all den
damit verbundenen Leiden der iraqischen Bevoelkerung rechtfertigen. Die in
den letzten Wochen bekannt gewordenen Plaene der US-Regierung sprechen aber
eine andere Sprache. Waehrend die iraqische Opposition einen Sturz des
gesamten Regimes anstrebt, erklaerte die US-Regierung, sie wolle die
bestehenden Verwaltungsstrukturen im Iraq vorerst erhalten und grosse Teile
der bathistischen Nomenklatura im Staatsapparat belassen. Diese Ankuendigung
und die Unterstuetzung die einige ex-bathistische Generaele, die erst vor
wenigen Jahren dem Regime den Ruecken gekehrt hatten und teilweise massiv in
die bathistischen Verbrechen gegen die eigene Bevoelkerung verwickelt waren,
seit einiger Zeit von Seiten der USA geniessen, sorgten in den Reihen der
iraqischen Opposition fuer massive Kritik. Wichtige Sprecher der
prowestlichen Opposition wie Ahmed Chalabi oder Kanan Makiya sprachen in
wichtigen US-amerikanischen und britischen Zeitungen vom Verrat der USA an
der iraqischen Opposition.

Tatsaechlich kann sich die iraqische Opposition gut an die langjaehrige
Unterstuetzung der USA, aber auch Deutschlands und anderer westeuropaeischer
Staaten fuer das Regime Saddam Husseins erinnern. Daraus resultierte von
Anfang an eine gewisse Skepsis gegenueber den US-Plaenen, den faschistischen
Diktator diesmal auch wirklich zu stuerzen. Fuer die Iraqische
Kommunistische Partei war dies von Anfang an Grund genug, sich gegen den
Krieg zu stellen. Die wichtigsten kurdische Parteien, KDP und PUK zoegerten
mit ihrer Unterstuetzung fuer die US-Kriegsplaene, sahen aber letztlich in
einem Sturz Saddam Husseins durch die USA eine Chance, den Despotismus zu
besiegen und den Iraq in einen zumindest halbwegs demokratischen und
foederalistischen Staat zu transformieren. Umso bitterer ist es fuer diese
Opposition nun bereits vor Beginn der Militaerintervention von der
zukuenftigen Politik des Landes ausgeschlossen zu werden. Fuer die kurdische
Bevoelkerung im partiell befreiten Nordiraq koennte so ein US-Sieg zu einem
Pyrrhussieg verkommen. Ein prowestlicher bathistischer Iraq haette es
wesentlich leichter die Autonomie des Nordiraq militaerisch zu beseitigen,
als ein international geaechtetes Regime. Zudem stellt das Gruene Licht fuer
die tuerkische Armee, im Nordiraq militaerisch zu intervenieren, fuer die
kurdische Zivilbevoelkerung eine akute Bedrohung dar.

Zur Zeit scheint fuer die Regierung George W. Bushs lediglich eine
aussenpolitische Neuorientierung des Iraq zurueck zu einem prowestlichen
Bathismus Kriegsziel zu sein. Fuer uns ist ein solcher bathistischer Iraq
unter US-Besatzung, in dem nicht viel mehr als der Austausch einiger Eliten
geschehen wird, keine ausreichende Rechtfertigung fuer einen Krieg gegen den
Iraq.

Zugleich wollen wir aber auch nicht in den Chor der deutsch-europaeischen
Friedensbewegung einstimmen, der sich als (deutsche) Regierungspolitik und
in ihrem ausserparlamentarischen Fluegel auf der Strasse zuallererst als
antiamerikanische und antiisraelische Bewegung formiert hat. Auch in Wien
wurden, obwohl dies von iraqischen KommunistInnen scharf kritisiert wurde,
iraqische Fahnen mit dem von Saddam Hussein angebrachten Schriftzug "Allah
akbar" mitgetragen. Selbstverstaendlich durften palaestinensische Fahnen und
Transparente, die wahlweise den israelischen Ministerpraesidenten Sharon
oder den US-Praesidenten Bush mit Hitler gleichsetzten, nicht fehlen. Auch
in staatlichen oesterreichischen Medien wie dem ORF werden Leute, die
teilweise seit Jahren einen hasserfuellten Feldzug gegen Israel und die USA
fuehren und ein arabisches Palaestina vom Jordan bis zum Mittelmeer fordern,
als Friedensengel gefeiert, weil sie sich einige Tage als "menschliche
Schutzschilder" vor Kraftwerke und andere militaerstrategisch wichtige Ziele
im Iraq setzten. Kein Journalist fragte dabei nach, wer den Aufenthalt der
"Schutzschilder" vor Ort finanzierte und in wessen Interesse sie agierten.
Die naiveren Teile dieser Schutzschildbewegung, die erst als das Regime vor
Ort ihnen erklaerte, dass sie sich nicht in Spitaeler, sondern gefaelligst
vor militaerisch wichtigere Ziele zu begeben haetten bemerkten, dass es sich
beim Iraq um keine Demokratie handelt, sind mittlerweile wieder (medial
weitgehend unbemerkt) ins sichere Europa zurueckgekehrt.

Diese Friedensbewegung "uebersieht" teils aus Naivitaet, teils aus
antiamerikanischem und antiisraelischem bis antisemitischem Hass, dass auch
die deutsch-europaeische "Friedensposition" nichts anderes als
Interessenspolitik ist. Waehrend die USA ihre oekonomischen und
machtpolitischen Interessen in der Region durch einen militaerischen Sturz
Saddam Husseins besser gewahrt sehen, sieht der konkurrierende
deutsch-europaeische Imperialismus seine Interessen durch eine Beibehaltung
der bestehenden Machtverhaeltnisse besser gewahrt. Fuer deutsche und
oesterreichische Firmen, die teilweise noch Ende 2002 militaerisch nutzbares
Material in den Iraq lieferten, wird sich die wirtschaftliche Belohnung, so
die Kalkulation der deutsch-europaeischen Eliten, durch eine bessere
wirtschaftliche Ausgangspositionen im Iraq und darueber hinaus in vielen
anderen arabischen Staaten, noch einstellen. Im Pariser Protokoll von 1954
musste sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichten, auf den Besitz und
die Entwicklung chemischer Kampfmittel zu verzichten - und wieder war es die
deutsche Ruestungsindustrie, die allerlei Tricks und Wege fand, dieses
Verbot zu umgehen, als es darum ging, den Iraq mit
"Ungeziefervernichtungsmittel" und dem Know How zu seiner Herstellung und
Benutzung zu versorgen. Seit dem Maerz 1988 ist bekannt, dass auf die
kurdische Stadt Halabja der groesste Giftgasangriff seit dem Ersten
Weltkrieg geflogen wurde: von irakischen Flugzeugen, beladen mit chemischen
Kampfstoffen, an deren Herstellung deutsche Firmen beteiligt waren. Auch
oesterreichische Firmen sind teilweise wirtschaftlich mit dem Irak
verbunden, gerade vor wenigen Wochen wurde bekannt dass eine Kaerntner Firma
noch bis Ende 2002 unter Umgehung des UN-Embargos Exporte in den Irak
getaetigt hat. Nicht umsonst hatte Oesterreich vor wenigen Jahren in Bagdad
einen Aussenstelle der Bundeswirtschaftskammer errichtet.

Linke, die hier nicht mehr den Feind im eigenen Land sehen, sondern in einem
Buendnis mit den deutsch-europaeischen Eliten den Hass auf Israel und die
USA schueren, haben sich laengst zu Knechten des "eigenen" Imperialismus
gemacht und verfolgen keine anderen Interessen mehr als jene des
deutsch-europaeischen gegen den US-amerikanischen Kapitalismus.

Einer radikalen Linken bleibt hier die Position der radikalen Kritik, die
sich weder fuer die Interessen des deutsch-europaeischen Kapitalismus und
seiner Verbuendeten, noch fuer die Interessen der US-amerikanischen
Kapitalfraktion missbrauchen laesst.

Quellenangaben zu oesterreichischen und deutschen Wirtschaftsverbindungen in
den Irak:

http://www.nadir.org/nadir/periodika/kurdistan_report/9890/10.htm

http://www.aufbauonline.com/2002/issue22/6.html

http://www.wadinet.de/news/iraq/nw1238_veto.htm

http://www.wadinet.de/analyse/iraq/bagdad-connection.htm


***

> Verdammt zum Krieg

Mail eines "Schutzschilds"

Wie viele von uns werden sterben?

Warum ist das Volk des Irak verdammt zu einem so schrecklichen Krieg? Wenn
die geplante amerikanische Invasion stattfindet, wird sie nicht nur
unzaehligen Irakis, Maennern, Frauen und Kindern den Tod bringen, sie wird
der Tod der Demokratie im Westen sein.

In den letzten dreissig Jahren gab es einen unerbittlichen Vorstoss der
grossen multinationalen Konzerne, um die politische und oekonomische
Dominanz ueber ihre Gastregierungen einschliesslich der US-Regierung zu
behaupten.

Die Demokratie ist auf eine leere Huelse reduziert. Alle paar Jahre wird
gewaehlt, wobei die Auswahl der nationalen Fuehrer von einem Konsortium der
grossen Konzerne und ihrer Hintermaenner vorher bestimmt wird.

Die Stimmabgabe ist ein Feigenblatt, das verhuellt, wo die wahre Macht
liegt.

Wenn einmal eine Regierung an die Macht kommt mit einem politischen und
oekonomischen Programm, das die nationalen Ressourcen mehr fuer das
oeffentliche als fuer das private Wohl nutzen will, dann wird eine "Krise"
konstruiert und ein "Regimewechsel" durchgefuehrt. Zum Beispiel Chile 1973,
Australien 1975, Pakistan 1977, Fidschi 1987, Irak 2003?

Wilde Geruechte kursieren, waehrend wir uns auf das Schlimmste vorbereiten.
Die von uns, die es sich leisten koennen, hamstern Wasser und andere
wichtige Vorraete. Es scheint, als ob die Kriegsherren des Weissen Hauses
internationales Recht in den Wind schlagen und sich einbilden, dass ihre
militaerische Macht nicht gestoppt werden kann.

*Rosemarie Gillespie Waratah, derzeit im Irak (Ue./gek.)*

***

Weitere Berichte von "Schutzschildern" finden sich unter:
http://www.antiimperialista.com/


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