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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 11. Maerz 2003; 21:19
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Schwarzblau/Glosse:

> Hoffen auf die Knittelfelder

Journalisten lieben Kategorisierungen. Spannend ist nur, wen sie
kategorisieren. Vor kurzem haben wir das Wort "Knittelfelder" gelernt. In
Analogie dazu wurde auch recht bald das Wort "Spittelberger" gebildet. Beide
Ausdruecke waren auf die jeweilige Gruppe innerhalb einer Partei gemuenzt,
die man -- sprich die veroeffentlichte Meinung -- nicht mag. So weit, so
bildhaft.

Dabei faellt aber doch auf, dass gerade diese beiden Gruppen auch jene sind,
die mit der OeVP ihre Schwierigkeiten haben. Und es faellt auf, dass die
Gruppen innerhalb von Blaun und Gruen, die mit der OeVP nicht so schlecht
stehen, keinerlei Spitznamen erhielten.

Jetzt stellt sich die Frage: Warum? Vielleicht weil diese voellig
ideologielos sind, oder besser: weil sie der Ideologie der OeVP nahe sind,
dieser Mischung aus Kapitalismus-Apologetik, Bigotterie und Opportunismus,
diesem Radikalismus der Mitte. Diese OeVP-Klone sind uninteressant, zu
vernuenftig, einfach keinen abfaelligen Kommentar wert, denn sie wollen ja
nur das tun, was getan werden muss. Denen braucht man keine Spitznamen
umhaengen, denn das sind ja verantwortungsbewusste Politiker.

Damit wir aber reden koennen, will ich sie "die Technokraten" nennen. Die
gruenen Technokraten koennen wir jetzt erstmal getrost beiseite lassen,
schliesslich ist der Ballhausplatz doch dunkelschwarzblau geworden. Und
daran wird -- bis tief hinein in linke Kreise -- geruegt, dass in der
Parlamentsfraktion noch immer so viele Knittelfelder sind. Ich hingegen sehe
die einzige Hoffnung in den Knittelfeldern. Erstens deswegen, weil sie auf
kurze Sicht die einzige echte Chance darstellen, durch ein nochmaliges
Scheitern der Regierung die groessenwahnsinnige OeVP an der totalen
Machtuebernahme im Land zu hindern. Ein zweites Mal wird Herr Schuessel
sicher nicht von einem Regierungscrash profitieren.

Zweitens aber -- und das mag vielleicht verwundern -- koennten die
Knittelfelder die Technokraten daran hindern, die oesterreichische
Gesetzlichkeit noch weiter nach rechts wandern zu lassen; Verwundern
deswegen, weil die Knittelfelder mit ihrer Gallionsfigur Haider taxfrei als
die rechtsextreme Seite angesehen werden, ja, Knittelfelder ist quasi ein
Synonym fuer rabiaten, rechtsextremen FPOeler geworden. Aber auffaellig
bleibt, dass die Knittelfelder nicht wegen der Asylpolitik des
OeVP-Ministers auf die Barrikaden gestiegen sind, sondern der Tatsache
wegen, dass die OeVP gemeinsam mit Grasser und Riess-Passer die lang
versprochenen steuerlichen Entlastungen immer weiter hinausschob, dafuer
aber immer neuere Belastungen erfand, gleichzeitig aber Geld fuer
Abfangjaeger ausgeben wollte, noch dazu mit einer alles andere als
transparenten Kaufentscheidung fuer das teuerste Modell.

Es stimmt schon, es ist unglaubwuerdig, dass eine Fraktion der FPOe
ploetzlich etwas gegen die Anschaffung von teurem Kriegsgeraet hat -- die
Zivildiener innerhalb der FPOe lassen sich wahrscheinlich an einer Hand
abzaehlen. Und es ist natuerlich auch unglaubwuerdig, wenn ein steinreicher
Porschefahrer wie Herr Haider sich fuer die armen Leute stark macht. Nur:
Das war es immer. Aber nur so hat er fuer die FPOe Wahlen gewonnen, mehr
noch: So hat er die FPOe 1986 vor dem sicher scheinenden Untergang bewahrt.
Wenn die FPOe also nicht doch noch voellig in der Versenkung verschwinden
will, muss Herr Haider, oder vielleicht auch ein anderer, wieder den
Sozialrebellen spielen. Ein bisserl auslaenderfeindlich und autoritaer muss
das natuerlich schon noch sein, aber da ist bei der OeVP (und auch leider
bei der SPOe) kaum mehr zu punkten, das koennen die fast genauso gut.

Jetzt haben wir aber eine Regierung, wo die FPOe drinnen ist und wo die
Technokraten das Sagen haben -- eine Regierung, die, wenn sie nicht gestoppt
wird, die unter Rotschwarz angefangene Austeritaetspolitik soweit bringt,
dass sogar einem Tony Blair uebel werden koennte. Wenn da nicht innerhalb
der Regierungsparteien jemand bremst, wer sollte es sonst tun? Unsere
Oppositionsparteien haben zum einen nicht die parlamentarischen Mittel dazu,
zum anderen aber auch nicht das politische Zeug, es ausserparlamentarisch zu
probieren.

Die Knittelfelder sind jetzt noch ein bisserl geschockt ueber das
Wahlergebnis und geben deswegen klein bei. Immerhin durfte man aber trotzdem
schon einen kleinen Haider-Sager hoeren, dass man die Steuerreform nicht mit
neuen Belastungen finanzieren kann. Und irgendwo ist allen in der FPOe --
sogar der jetzigen Spitze -- klar, dass sie nicht einfach nur
Mehrheitsbeschaffer und Abnicker der OeVP sein duerfen, wollen sie wieder
Wahlen gewinnen. Und das wird schwer genug mit nur drei Ministern, darunter
das undankbare Sozialministerium, das lediglich Mangelwirtschaft betreiben
darf, und der Schleudersitz Infrastrukturministerium.

Die FPOe ist nicht wegen Knittelfeld derart abgesackt, sondern weil
Knittelfeld gescheitert ist. Es kam nicht zu einer Wiederuebernahme der
Partei durch Haider, es kam zur Spaltung. Die Knittelfelder wollten 2002
etwas aehnliches machen wie Vranitzky 1995: Erklaeren, dass mit der OeVP
kein Staat mehr zu machen sei, weil die den vielzitierten kleinen Leuten das
Geld wegnaehme. Bei Vranitzky hat es geklappt, der siegte bei den
darauffolgenden Wahlen haushoch -- allerdings ohne nachher irgendwas fuer
diese kleinen Leute zu tun. Was wiederum der FPOe 1999 ihren historischen
Hoechststand einbrachte. Haetten die Knittelfelder 2002 die Partei
uebernommen und die Haider-Geschoepfe Riess-Passer und Grasser waeren auf
diese Linie eingeschwenkt und statt zurueckzutreten mit einem Bruch der
Koalition von ihrer Seite Schuessel zuvorgekommen, haette das vielleicht
wieder geklappt.

Dass es nicht geklappt hat, ist wahrscheinlich trotz allem ein Segen, denn
einen wiedererstarkten Haider, der diesmal vielleicht sogar Kanzler geworden
waere, haette man wohl nicht ernsthaft wollen koennen.

Jetzt aber gehts bei der FPOe ums Ueberleben, eine echte Gefahr wird der
grosse Beelzebub der oesterreichischen Innenpolitik wohl nicht mehr.
Daher -- und wenn mir auch graust bei dem Gedanken --: Er und die
Knittelfelder sind derzeit die groesste Hoffnung, hierzulande Sand ins
Getriebe des totalen Kapitalismus zu streuen.

Es sei denn, es taucht ploetzlich von irgendwoher eine starke und mutige
linke Opposition auf -- von wo die allerdings herkommen soll, ist mir ein
Raetsel.

*Bernhard Redl*


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