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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 11. Maerz 2003; 21:16
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Verfassungsrecht/Kommentar:

> Bitte, das zu korrigieren!

Da gibt es ein Gesetz. Das wird ordnungsgemaess von der bundesgesetzgebenden
Versammlung beschlossen, von der Laenderkammer nicht beeinsprucht und vom
dafuer zustaendigen Amtsinhaber als ordnungsgemaess zustandegekommen
beurkundet. Und schliesslich wird es noch Korrektur gelesen.

Moment, wie war das?

Richtig, nach diesem ganzen verfassungsgemaess und notwendig umstaendlichen
Procedere, und manchmal sogar auch noch nach einer ersten Drucklegung, wird
korrigiert. Und zwar hat der Regierungschef das Recht, eine
Druckfehlerberichtigung vorzunehmen.

Das Land ist nicht der Irak. Dort werden auch keine Havannas gerollt. Und es
hat sogar einen mit Stimmenmehrheit gewaehlten Praesidenten. Das Land heisst
Oesterreich.

Irgendwie waere diese Bestimmung im Bundesgesetzblattgesetz ja sogar recht
sinnvoll, wimmelt es doch in Bundesgesetzblaettern auch trotz Korrektur
immer noch so sehr von Druckfehlern, dass man glauben koennte, es waere die
akin. Aber da das Bundesgesetzblattgesetz, obwohl verfassungsrechtlich
materiell wirksam, nicht im Verfassungsrang steht, konnte diese Bestimmung
2001 von den Koalitionsparteien ohne viele Aufhebens zu machen insofern
erweitert werden, dass der Bundeskanzler durch seine Berichtigung auch den
Sinn eines Gesetzes aendern kann. Und das ist dann keine Lappalie mehr, denn
es gilt in Oesterreich nicht das, was die dafuer zustaendige Legislative
beschlossen hat und der Bundespraesident unterzeichnet, sondern der
veroeffentlichte Text eines Gesetzes. Hat da irgendwer:
"Kriegswirtschaftliches Ermaechtigungsgesetz von 1917" gesagt?

Ende letzten Jahres ist die Sache aber dann doch aufgeflogen. Im konkreten
Fall bei den skurrilen ASVG-Novellen zur Einhebung der Ambulanzgebuehr. Da
passierte das sogar zweimal, naemlich 2000 (als das Bundesgesetzblatt noch
gar nicht "angepasst" war) und 2001. Beim ersten Mal strich Schuessel einige
Halbsaetze, in Folge dessen mehr Leute zur Zahlung der Ambulanzgebuehren
verdonnert wurden, beim zweiten Mal -- als das Gebuehrenspektakel schon
nicht mehr schoen fuer die Regierung war -- strich er einen anderen
Halbsatz, was wiederum sich so auswirkte, dass mehr Menschen von der Gebuehr
zu befreien waren. Jetzt hat der Verfassungsgerichtshof, der bekanntermassen
nicht ganz so stuermisch arbeitet wie Parlament und Regierung, einmal
ausgesetzt, dieses Gesetz weiter pruefen zu wollen, weil er ueberhaupt erst
einmal pruefen muss, welches Gesetz er eigentlich zu pruefen hat, d.h. ob er
nicht zuerst das Bundesgesetzblattgesetz als verfassungswidrig zu beurteilen
hat, um in diesem Falle danach die Aenderungen Schuessels im ASVG als
verfassungswidrig zustandegekommen aufzuheben, um dann jene Fassung auf ihre
Verfassungskonformitaet pruefen zu koennen, die seiner Ansicht nach
ordnungsgemaess Gesetz wurde oder haette werden muessen. Alles klar?

Nur wegen des heissen Eisens Ambulanzgebuehren wurde diese Praxis einer
inhaltlichen "Druckfehlerberichtigung" in Massenmedien endlich einmal zu
einem Thema gemacht -- nicht sehr gross, aber immerhin berichteten zumindest
Presse, Kurier und APA darueber. Das ist schon viel, denn aufgrund der
Vertracktheit und Trockenheit dieser Materie redet man lieber ueber
Abfangjaeger und Saddam-Besuche, das sind handfestere Themen und welcher
Starkolumnist beschaeftigt sich schon mit Verfassungsrecht, wenn es nicht
gerade darum geht, im Match Haider-Adamovich den Schiedsrichter zu spielen.
Und wenn ein Regierungsvertreter der APA gegenueber erklaert, das waere
alles kein Problem, weil dieses Nachbessern von Gesetzen "durchaus
Tradition" habe (sprich: es waere auch schon vor 2001 so gemacht worden und
niemand haette sich aufgeregt), dann ist das wirklich fuer kaum jemanden ein
Problem.

Natuerlich, letztendlich haette das Parlament sowieso gemacht, was die
Regierung will, in diesem Land ist das ja bekanntlich so ueblich und das
Prinzip der Trennung der Gewalten ist eh nur was fuer Verfassungstheoretiker
und nicht fuer gelernte Oesterreicher. In Wirklichkeit machen die Beamte die
Gesetze, die der Industriellenvereinigung zur Approbation vorgelegt und von
der Regierung mit einigen kleinen Retuschen beschlossen werden. Aber
manchmal wird das sogar ein bisserl vom Volk beeinflusst. Dieser kleine
Beitrag macht dann das aus, was man Demokratie nennt, und manchmal ist er
sogar von gewissem Belang. Und dieses Bisserl ist es schon noch wert,
geschuetzt zu werden. Zumindest sollte jene daran Interesse haben, die auch
sonst immer massenwirksam den buergerlichen Rechtsstaat predigen.
Komplizierte Materien dem Verfassungsgerichtshof allein zu ueberlassen, ist
da einfach zuwenig.
*Bernhard Redl*

http://www.diepresse.com/default.asp?channel=p&ressort=i&id=324770

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