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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 18. Februar 2003; 17:44
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So eine Wirtschaft/GATS:

> Fehlgeschlagene Liberalisierungen oeffentlicher Dienste

"Privatisierung" heisst das Zauberwort, mit dem alles besser wird. Boese
Zungen meinen aber, eher sollte man von "Beschaffungskriminalitaet"
sprechen. Das ist natuerlich gaenzlich uebertrieben, aber ein bisschen was
Wahres ist vielleicht doch dran, wie nachfolgende Liste, zusammengestellt
von der "Stopp-GATS- Kampagne", nahelegt:

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PENSIONEN

-- In Chile wurde das Pensionssystem komplett privatisiert und ist seither
das teuerste der Welt: Die Verwaltungskosten verschlingen 30 Prozent der
eingezahlten Beitraege. Zum Vergleich: Die Verwaltungskosten der
oesterreichischen Pensionsversicherung betragen 1,8%.

-- In Grossbritannien betragen die oeffentlichen Pensionen rund 350 Euro
(5000 Schilling), das reicht nicht zum Leben. In London leben 30% der
Pensionisten unter der Armutsgrenze. Die privaten Zusatzpensionen sind nicht
nur teurer, sondern auch unsicherer, denn:

-- Kaum lassen die Finanzmaerkte etwas aus, krachen weltweit die privaten
Pensionskassen und Lebensversicherer: In Japan gingen mit Kyoei Life,
Chiyoda Mutual Life und Tokio Mutual Life gleich drei grosse
Lebensversicherer Bankrott; in England "berichtigte" die renommierte
Lebensversicherung Equitable Life ueber Nacht die Werte aller Depots um
minus 16 Prozent; in der Schweiz wurde die Pleite von Vera/Pavos mit
oeffentlichen Geldern abgemildert. In den USA wurde der Enron-Bankrott zum
Pensions-Desaster. Und die oesterreichischen Pensionskassen kuerzen einen
Teil der Betriebspensionen - nach nur drei mageren Boersenjahren - 2002 um
durchschnittlich 3,5% und 2003 nochmals um durchschnittlich 8%.

GESUNDHEIT und KRANKENVERSICHERUNG

-- In den USA steigt die Zahl der nicht krankenversicherten Menschen trotz
Wirtschaftswachstum konstant an. 2001 standen bereits 41,2 Millionen
Personen oder 15% der Bevoelkerung ohne Krankenversicherung da. Eine
oeffentliche KV gib es nur fuer Beduerftige (Medicaid) und SeniorInnen
(Medicare).

-- Auf den Philippinen sind in Folge eines Kosteneinsparungs- und
Privatisierungsprogramms bereits 49% der Spitalbetten in privaten Haenden.
Die Kosten muessen zum grossen Teil die PatientInnen tragen. Nach Protesten
wurde zwar ein Versicherungssystem eingefuehrt, dieses deckt jedoch nur 38%
der Bevoelkerung ab. Die philippinische Regierung verwendet noch 2,6% des
Budgets fuer die Gesundheitsversorgung gegenueber 28,4% fuer den
Schuldendienst.

-- Auch in der Schweiz wird Leistung um Leistung aus dem staatlichen
Gesundheitssystem heraus genommen. Zahnarztleistungen muessten bereits
privat bezahlt oder versichert werden. Als naechstes sollen alle Leistungen
rund um die Schwangerschaft aus dem oeffentlichen Gesundheitssystem
gestrichen werden - eine besonders frauenfreundliche Privatisierung.

-- Der Chef des fuehrenden franzoesischen Versicherungskonzerns Axa
begruendete eine beabsichtigte Verdopplung der Praemien fuer
Behindertenrenten Anfang 2000 gegenueber Le Monde so: "Ich bin eine
Versicherungsgesellschaft, mir geht es um Gewinn, nicht um Solidaritaet."

WASSERVERSORGUNG

-- Die britischen Wasserversorger haben nach der Privatisierung die Tarife
um 50% erhoeht und 20.000 Haushalten voruebergehend den sprichwoertlichen
Wasserhahn abgedreht, weil sie die steigenden Rechnungen nicht bezahlen
konnten. Die Wasserqualitaet hat sich verschlechtert, die Hepatitis A-Faelle
haben sich um 200% erhoeht, die von Dysenterie um 600%. Die privaten
Versorger sind bereits ueber 100 Mal wegen Vernachlaessigung der
Wasserqualitaet rechtskraeftig verurteilt worden.

-- In der bolivianischen Stadt Cochabamba wurden die Wasserpreise nach der
Privatisierung verdoppelt. Es kam zum Generalstreik, woraufhin das Militaer
eingesetzt wurde, ein Siebzehnjaehriger wurde erschossen. Cochabamba
rekommunalisierte darauf hin die Wasserversorgung. Der in den USA
beheimatete Konzern Bechtel liess sich das nicht gefallen und verklagte
Bolivien vor einer Weltbank-Streitschlichtungsstelle auf 25 Millionen
US-Dollar Schadenersatz. Werbespruch des Konzerns auf seiner Homepage:
"Bechtel sorgt fuer Entwicklung, Finanzierung, Ingenieurwesen, Vermittlung,
Konstruktion, Projektmanagement, Inbetriebsetzung, Wartung und technische
Dienstleistungen ... fuer eine bessere Welt!"

-- Auch in der argentinischen Provinz Tucumán stiegen die Wasserpreise nach
der Privatisierung um 104 Prozent, und Keime tauchten im Wasser auf.
Proteste und Zahlungsboykotte fuehrten zum Rueckzug von Vivendi - Générale
des Eaux.

POST

Dank Liberalisierung wurden in Oesterreich 638 der 2300 Postaemter
geschlossen. In fast 400 Gemeinden ersatzlos. Auch in Deutschland werden
demnaechst 800 "Post-Agenturen" geschlossen.

STROM

-- In Kalifornien ist der Strommarkt nach der Liberalisierung mehrfach
zusammengebrochen.

-- Auch in Schweden waren im Winter 2001 waren Zehntausende Haushalte
tagelang ohne Strom (Wasser und Waerme), weil die Reparaturtrupps fuer von
Stuermen geknickte Leitungen eingespart wurden. Die Preise sanken nur
voruebergehend. Seit der Markt bereinigt ist und drei Konzerne 90% der
schwedischen Stromproduktion kontrollieren, gehts bergauf. Allein im letzen
Winter (2001) stiegen die Strompreise um 40%. Dazu droht in einigen Jahren
eine massive Versorgungskrise, weil die ueberwiegend im Ausland taetigen
Konzerne nicht mehr in Schweden investieren. Auch um die Umwelt kuemmert
sich der freie Markt nicht. Die einst fuehrende Wasserkraft ist auf Platz
drei hinter Kohle und Atomstrom zurueckgefallen.

-- In Norwegen haben sich die Strompreise infolge der Liberalisierung
vervierfacht. Anstatt Reserven zu bilden, haben die privaten
Energieversorger den Sommerstrom 2002 auf lukrative Auslandsmaerkte
exportiert, wodurch es im kalten Winter zu Engpaessen und somit zur
Preisexplosion kam.

-- In Grossbritannien wurde der privatisierte Stromversorger British Energy
mit einer oeffentlichen Finanzspritze in der Hoehe von 1,36 Milliarden Euro
vor dem Konkurs gerettet.

GAS

-- Auch die Gasmarkt-Liberalisierung wird in Oesterreich zu hoeheren Preisen
und zu sinkender Versorgungsqualitaet fuehren, prophezeit Werner Steinecker,
Ex-Vorstandsmitglied der Oberoesterreichischen Ferngas. Der Grund: Aufgrund
des Trends zu Erdgas-Boersen mit Tages- und Stundenpreisen fliesse kein Geld
mehr in notwendige Infrastruktur.

OeFFENTLICHER VERKEHR

-- In Grossbritannien bauen die privatisierten Eisenbahnen einen Unfall nach
dem anderen, weil ebenfalls nicht in die Infrastruktur investiert, sondern
an die Aktionaere ausgeschuettet wird. Heute kommen in England, das fuer
seine Puenktlichkeit beruehmt ist, 80 Prozent aller Zuege zu spaet. Und wer
zur falschen Tageszeit von Birmingham nach London faehrt, muss statt 15
Pfund stolze 76 Pfund bezahlen - fuer dieselbe Leistung! Railtrack, die in
eine Aktiengesellschaft umgewandelte Infrastrukturgesellschaft, wurde
rueckverstaatlicht.

-- Im Grossraum London wurde der Busverkehr 1986 vollstaendig dereguliert.
Bis 1992 ist die Zahl der Fahrgaeste um 22% zurueckgegangen, die realen
Fahrpreise bis 1996 um 25% gestiegen.

-- Im Wien des spaeten 19. Jahrhunderts wurden die Strassenbahnen noch von
Privaten betrieben. Ihre Performance in puncto Qualitaet, Service und
Arbeitsbedingungen war jedoch so miserabel, dass die "Bim" kommunalisiert
wurde.

-- Egal, wo der oeffentliche Verkehr eingestellt wird, sind die Menschen
gezwungen, auf das vielfach teurere, unoekologischere und risikoreichere
Privatauto umzusteigen. In Oesterreich sperren die Nebenbahnen im Vorfeld
der Bahnliberalisierung zu.

BILDUNG

-- Durch die freie Schulwahl und den hohen Anteil privater Schulen ist in
Grossbritannien eine soziale und ethische Polarisierung zu beobachten. In
sozial schwachen Vierteln dominieren "Restschulen" mit einem hohen Anteil
von MigrantInnen, Armen und schwierigen Kindern, waehrend die Reichen und
Schoenen in den Villenvierteln unter sich bleiben. Durch die finanzielle
Aushungerung der oeffentlichen Schulen muessen sich die Schulen zunehmend
nach privaten Sponsoren umsehen. So finden sich in Schulbuechern Inserate
der "Qualitaetszeitung" The Sun, Schulsportvereine werden vom
"Vorbildkonzern" Nike ausgestattet und grosse Banken investieren in CD-Roms
und Computerspiele fuer wirtschaftliche Faecher.

-- In den USA uebernahm die Firma Edison 133 oeffentliche Schulen mit dem
Versprechen, diese effizienter zu managen, die Kosten zu senken und die
Leistungen zu verbessern. Eingetreten ist das Gegenteil. Die Kosten stiegen
an, waehrend die Leistungen der SchuelerInnen abnahmen. Eine von Edison
gemanagte Volksschule in San Francisco rutschte auf den letzten Platz (75)
"in town" ab. LehrerInnen und Personal wurden gekuendigt, um Kosten zu
sparen. Bilanzmanipulationen und angehaeufte Schuldenberge liessen den
Boersenkurs von Edison Schools Inc. von 38 auf 1 Dollar abstuerzen. Seit
Mitte 2002 kaempft das ehemalige "Wunderkind" der profitorientierten Bildung
mit dem Konkurs. (bearb.)

Eine ausfuehrlichere Beispielsammlung mit Quellenangaben ist beim
Stopp-GATS-Buero erhaeltlich: 1050 Wien, Margaretenstrasse 166,
infos@stoppgats.at, Tel.: 01 / 546 41 - 431.


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