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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 11. Februar 2003; 17:41
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Gefaehrliche Liebschaften/Glosse(II):

> Altersstarrsinn

Nett war es zu meiner Studentenzeit, mit Kommunisten zu diskutieren. Gern
hab ich das getan, aber irgendwann kam immer der Zeitpunkt, an dem mir der
Dogmatismus und dieser Starrsinn auf die Nerven gegangen sind, mit der eine
Heilslehre verteidigt wird, die ganze Realitaet an die Theorie anzupassen
oder hineinzupressen, was im schlimmsten Fall dazu fuehrt (Stalin), dass das
Reale, das nicht in diese Theorie passt, bekaempft oder ermordet wird.
Irgendwann war mir die Zeit zu schade, zu diskutieren. Ich wusste immer, das
war nicht meins und wuerde es nie sein. Mein Ideal ist die Selbstbestimmung
des Menschen und dass man ihm hilft, wenn er Hilfe braucht.

Ich glaub(t)e, dass die Gruenen so eine Politik am ehesten vertreten. Ich
war auch mal dabei und moechte nicht unerwaehnt lassen, dass mir diese
ewigen Gerangel um Listenplaetze und endlos langatmigen Dauerdiskussionen um
irgendwelche Statuten so genervt haben (die waren bei der ALW uebrigens viel
aerger als bei den Gruenen), dass mir irgendwann meine Zeit viel zu schade
war, dass ich mir sowas gebe. Auch diese unnuetzen Diskussionen wurden mit
einem ganz schoen beharrlichen Starrsinn gefuehrt.

Jetzt geht mir dieser Starrsinn der Wiener Gruenen auf die Nerven, mit der
sie gegen eine moegliche schwarz-gruene Koalition herziehen.
Selbstverstaendlich sollte man die OeVP kritisieren, die Fehler der
schwarzblaunen Koalition und die Widersprueche zwischen Gruen und Schwarz
ansprechen. Aber erst gar nicht anfangen duerfen, weil man nicht daran
glaubt, dass jemals was herauskommen koennte, das ist....

Nun. Die Gruenen sind in die Jahre gekommen und ich nenne das
"Altersstarrsinn". In meinen Augen sind "Starrsinn", "Dogmatismus" oder
"Ignoranz" ganz sicher keine "linken" Werte, vielmehr das Gegenteil.
Natuerlich kann es sein, dass das Verhandeln mit der OeVP schwierig, dass es
die falsche Entscheidung ist, damit anzufangen, weil nichts Gescheites dabei
herauskommt, weil sich die OeVP nicht bewegt. Aber im Moment sieht es viel
eher danach aus, dass es die Wiener Gruenen sind, bei denen sich nichts
bewegt: die waren schon immer dagegen, sind und werden es fuer immer und
ewig sein, weil man einfach nicht "mit denen da kann". Das klingt
buerokratisch.

Ich kenne diese Mentalitaet: da passiert nichts, bewegt sich nichts, bleibt
alles starr, weil man erst gar nicht anfaengt, an nichts glaubt. So eine
Mentalitaet, so eine Politik kann ich nicht als "links" bezeichnen, denn wie
soll sich da jemals was aendern?

Ich scheine der Einzige in der ganzen Wiener linksgruenen Szene zu sein, der
glaubt, dass Gruene mit der OeVP viel eher gruene Politik durchsetzen
koennten als mit der in mancherlei Hinsicht ziemlich reaktionaeren SPOe.
Wahrscheinlich bin ich auch der einzige AKIN-Leser. Ich glaube aber nicht,
dass die gruenen WaehlerInnen ebenfalls so denken. In meinem Bekanntenkreis
gibt es fast nur Gruenwaehler: LehrerInnen, Angestellte, Privatangestellte,
Kuenstler, Musiker, Filmemacher, usw...und viele Selbststaendige. Also, die
meisten sind fuer die schwarz-gruene Koalition und haben eigentlich kein
Verstaendnis fuer diese Ignoranz der sogenannten "Links"-Gruenen.

Ausserdem: diese sogenannten "Linken" sollen sich nur ja nicht aus der
Verantwortung stehlen. Denn, wenn sie schwarz-gruen ablehnen, muessen sie ja
eine Alternative anbieten: tja, rot-gruen geht sich halt "leider" (ich sag:
gott sei Dank, weil ein aehnliches Desaster wie in Deutschland herauskommen
wuerde) nicht aus, also bleibt nur schwarz-blau oder schwarz-rot oder
rot-blau-gruen uebrig.

Ich denke es waere moeglich, die Abfangjaeger zu verhindern, einen
ordentlichen Startschuss fuer eine Oekologisierung des Steuersystems und der
Energiewirtschaft zu machen und mehr Geld in den oeffentlichen Verkehr zu
stecken. Vielleicht koennten phantasievoll begabte Gruene die OeVP sogar
davon ueberzeugen, dass eine gut verdienende und sozial abgesicherte
Arbeiterschaft viel eher zu einer florierenden Wirtschaft beitraegt als die
Kuerzung des Arbeitslosengeldes und die Aufweichung des Kuendigungsschutzes.
Viele konservative Regierungen in der Welt machen leider diesen Fehler
worauf die Wirtschaftslage immer schlechter wird und dann eine linke
Regierung gewaehlt wird, die das wieder gutmachen muss.

Wenn es aber so sein wird, dass es keine schwarz-gruene Koalition gibt, weil
sich die altersschwachen Wiener Gruenen so sehr dagegen gesperrt haben, dann
werden sie dafuer verantwortlich sein, dass diese voellig unnuetzen
Abfangjaeger gekauft wurden, obwohl das Geld, wenn es in eine lebendige
Kunstszene gesteckt worden waere, der oesterreichische Volkswirtschaft viel
mehr eingebracht haette. *Thomas Herzel / gek.*



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