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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 17. Dezember 2002; 16:57
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Das Letzte:

> Islaendische Idyllen

Von Max Watts, Australien

Thor Magnusson ist Pazifist. Er war Praesidentschaftskandidat der
islaendischen Partei "Frieden 2000". Er erzaehlte mir eine Geschichte:
Island - das ungluecklicherweise keine richtige Armee hat - war auch bei der
NATO-Tagung in Prag vertreten und wollte dort seine Hilfe anbieten beim
Kampf um Freiheit im Irak. Gegen Saddam Hussein, der, wie wir alle wissen,
boese ist.

Premierminister David Oddsson muss schon sehr scharf nachgedacht haben, wie
er George Bush denn helfen koennte. Heraus kam, dass Island zwar keine
Luftwaffe habe, aber nicht nur eine, sondern sogar zwei Fluglinien. Und er
meinte ICELANDAIR und ATLANTA koennten doch helfen, Truppen und Waffen zu
transportieren.

Thor, der Pazifist in Reykjavik, erfuhr dies und war baff. Veraergert.
Wuetend. Und er nahm seine Feder (okay, schaltete seinen Computer ein) und
schrieb an die Fluglinien und andere, welche Schnapsidee das doch waere.
Zivile Fluglinien duerften doch keine Waffen transportieren.

Also. Ein schreibender Pazifist. Aber auch ein essender. In einem
Restaurant. Am Freitag abend, 22.November. Mit Freunden. Ein Mann kommt
herein und bittet ihn vor die Tuer. Er geht mit und wird prompt verhaftet.
Von Maenner, die sagen, sie seien von der Islaendischen Staatspolizei.
Niemand im Restaurant bekommt davon etwas mit. Thor verschwindet einfach,
wird ins Gefaengnis geworfen, in eine Zelle ohne Toilette. In dieser Nacht
habe er "seine Angelegenheiten auf dem Boden zu verrichten".

Es braucht bis zum Donnerstag darauf, bis der Oberste Gerichtshof (sowas
haben die dort auch) intervenierte und der Polizei befahl, Thor
freizulassen. (Natuerlich: In der Zwischenzeit hatte die Polizei die Bueros
von "Frieden 2000" durchsucht und alle Computer, Aufzeichnungen und
Mitgliederlisten beschlagnahmt.)

Thor erzaehlte mir, die Partei habe 2300 Mitglieder, was nicht schlecht ist
fuer ein Land mit 300.000 Einwohnern.

Was die Polizei mit den Mitgliederlisten macht, was weiss man? Heute
(11.Dezember) sind die Computer und alles andere immer noch beschlagnahmt.

Als ich die Geschichte hoerte, konnte ich es nicht fassen. Es passte so gar
nicht in mein (zugegebenermassen nicht sehr umfassendes) Wissen ueber
Island. Okay, in Bangla Desh, von mir aus auch hier bei uns. Aber in
Reykjavik? Islaender sollen angeblich nicht so nett zu Walen sein. Aber zu
Menschen? Buergern? Pazifisten? Sie einsperren, Isolationshaft, in Zellen
ohne Toiletten?

Ich habs recherchiert. Es ist wahr. Und auch das "Warum": Thor Magnusson hat
sich -- mit seinen Briefen -- anscheinden schuldig gemacht des Deliktes
"Veraengstigung der Oeffentlichkeit".

Das ist kein Witz!

Er kann dafuer auf bis zu drei Jahren Haft verurteilt werden.

Und ich frage mich jetzt, wer vielleicht morgen, und nicht nur in Island,
eingesperrt wird wegen: "Veraengstigung der Oeffentlichkeit"... ###

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Anmerkung der Redaktion: Eine vergleichbare Bestimmung heisst in Oesterreich
"Landzwang", §275 StGB. Sie wurde 2001 im Zusammenhang mit den
"Anthrax-Brief"-Imitaten verschaerft. Seither kann eine "Drohung" gegen die
Bevoelkerung "oder einen grossen Personenkreis" mit bis zu fuenf Jahren Haft
bestraft werden -- unter anderem auch dann, wenn die Tat "eine schwere oder
laengere Zeit anhaltende Stoerung des oeffentlichen Lebens" oder "eine
schwere Schaedigung des Wirtschaftslebens" verursacht. Allerdings ist uns
unbekannt, dass eine dem obigen Fall entsprechende Auslegung in Oesterreich
jemals stattgefunden haette. Der Begriff der "Drohung" waere auf einen
solchen Fall auch wohl nur schwer anwendbar. Hoffen wir zumindest.


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