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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 15. Oktober 2002; 13:22
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EU/Nizza/Irland/Demokratie/Kommentar:

> NO means NO!

Am 19.November darf der irische Poebel ueber den Nizza-Vertrag abstimmen.
Schon wieder. Weil sie es beim ersten Mal nicht begriffen haben, muss man
sie noch mal fragen, ob sie das wirklich so gemeint haben.

In unseren Mainstream-Medien hoeren wir immer noch, dass das ja alles nur
daran gelegen hat, dass die Iren ja gar nicht gewusst haetten, worueber sie
da abstimmen und man haette es ihnen eben erklaeren muessen und ausserdem
sei die Wahlbeteiligung ja so gering gewesen, das haette man nicht ernst
nehmen koennen.

Dabei haetten die Iren tatsaechlich eine Menge Gruende, gegen den
Nizza-Vertrag zu sein. Und nicht nur den sicher nicht unwichtigen, dass sie
um ihre EU-Foerderungen umfielen, wenn die mittel- und osteuropaeischen
Laender zur Union kaemen. Schliesslich schreibt der Nizza-Vertrag erstmals
auch dezidiert fest, wie eine militaerische Union aussehen wuerde, und dass
Irland sich -- wie Oesterreich -- seine Neutralitaet an den Hut stecken
koennte. Und der Vertrag macht erstmals ernst mit dem zumindest teilweisen
Abschied vom Einstimmigkeitsprinzip im Rat. Nachdem bei den zu erwartenden
Mehrheitsentscheidungen noch dazu die Bevoelkerungsstaerken zur Gewichtung
der Stimmen herangezogen werden, koennen sich kleine Staaten wie Irland --
oder Oesterreich -- ausrechnen, wieviel die Stimme ihres Vertreters im Rat
dann noch wert waere.

Auch die Osterweiterung ist alles andere als koscher: Bevor noch
einigermassen sowas aehnliches wie eine rechtsstaatliche Verfassung in
greifbarer Naehe ist, will man den Staatsmoloch noch mal ordentlich
vergroessern. Ein Superstaat ist da im Entstehen, im Eiltempo wird ein
Machtblock gezimmert, dessen demokratische Legitimitaet nicht einmal den eh
recht laeppischen Prinzipien der Teilstaaten entspricht, und der schon
allein aufgrund seiner Groesse eine auch nur ansatzweise Partizipation der
Untertanen so gut wie unmoeglich macht.

Und wenn Kommentatoren eine "allgemeine Skepsis gegenueber der EU" ins
Treffen fuehren, die nichts mit dem Nizza-Vertrag zu tun haette, so haben
sie damit sicher nicht ganz unrecht -- was aber nichts an der Legitimitaet
eines so begruendeten Abstimmungsverhaltens aendert. Schliesslich ahnen die
Iren, dass das wohl so ziemlich das letzte Mal sein wird, dass die Hohen
Herren fragen lassen, ob das eh alles okay ist, was sie so treiben.

Ja, ich wuensche mir ein "No" der Iren. Als oesterreichischer
Staatsbuerger -- wo auch alle vier Parlamentsparteien den Vertrag brav
ratifizierten -- wird man ja sicherheitshalber nicht mehr gefragt.

Und ich wuensche mir -- unabhaengig vom Anliegen -- schon allein wegen der
Praepotenz der EU-Oberen ein "Nein". Denn das Ganze als Problem der irische
Regierung darzustellen und ganz einfach weiterzumachen, als waere nichts
gewesen, als haette es kein eindeutiges Ergebnis gegeben, ist ein Verhalten,
das honoriert werden muss. 1992, als die daenische Bevoelkerung "Nej" zu
Maastricht sagte, brachte man wenigstens noch ein paar kosmetische
Reparaturen im Vertrag unter, bevor man noch mal abstimmen liess. Die Iren
bekamen nicht einmal diese Wuerdigung einer plebiszitaeren Willensaeusserung
zugedacht. Die bekamen nur mehr Propaganda.

Die irische Bevoelkerung weiss, was die Herrschaft einer zentralistischen
Grossmacht bedeutet. Gerade eben haben die Briten wieder die
Direktverwaltung ueber Nordirland uebernommen -- taktisch unklug, denn das
koennte den sturen Inselbewohnern wieder das Verhalten von Imperialisten in
Erinnerung rufen. Und sie koennten dementsprechend handeln.

Es bleibt aber zu befuerchten, dass die Propaganda die Opposition trotzdem
plattwalzen wird. *Bernhard Redl*


Weitere Infos im WWW:
Friedenswerkstatt Linz zum Vertrag: http://www.friwe.at/EuroMil/Nizza.htm
Adalbert Krims Kommentar in "Kritisches Christentum" kurz nach der ersten
Abstimmung:
http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/regionen/Irland/referendum.html
Der Nizza-Vertrag im Wortlaut:
http://www.parlinkom.gv.at/pd/pm/XXI/I/his/006/I00600_.html
Zur EU-Propaganda in Daenemark:
http://www.wsws.org/de/2000/sep2000/daen-s23.shtml


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