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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 8. Oktober 2002; 02:59
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Der Polizei ist fad...:

> Zufaelliger Tod eines Giftlers

Unter dem lapidaren Titel "Tod nach Festnahme" liess die Pressestelle der
Wiener Polizeidirektion folgendes verlautbaren: "Am 04.10.2002, gegen 14.15
Uhr, nahm die Besatzung einer Funkstreife den 24-jaehrigen Franz S. beim
Bankomat einer Bankfiliale in Wien 12., Rauchgasse Ecke Meidlinger
Hauptstrasse wahr. Dieser benahm sich auffaellig. Als S. den Funkwagen
bemerkte, verliess er seinen Standort und rannte in eine Seitengasse. Die
Beamten verfolgten S. mit dem Funkwagen. In der Vivenotgasse wurde S.
aufgefordert, anzuhalten. Er kam dieser Aufforderung nicht nach und wurde
von den Beamten weiter verfolgt. Einer der Beamten erzwang die Anhaltung,
indem er S. an seinen Kleidern zu Boden riss. S. wurde aufgeholfen. Er
versuchte jedoch, durch Umsichschlagen und Treten, der Amtshandlung zu
entgehen, daher wurden ihm in der Folge die Handfesseln angelegt. S.
beruhigte sich etwas und die Handfesseln wurden gelockert. S. begann jedoch
sofort wieder, um sich zu treten, weshalb eine neue Fixierung vorgenommen
werden musste. Waehrend dieser Sicherungsmassnahme endete ploetzlich sein
heftiger Widerstand. S. begann zu roecheln und war kurz darauf
unansprechbar. Seine Atmung setzte aus. Die Beamten verstaendigten die
Rettung, Reanimationsversuche durch die einschreitenden Beamten sowie durch
den spaeter eintreffenden Rettungsdienst blieben erfolglos. Laut Diagnose
der Notaerztin duerfte ein Herzversagen die Todesursache gewesen sein. Bei
S. wurden fuenf leere Spritzampullen und Suchtgift in derzeit unbekannter
Menge sowie eine gebrauchte Nadel vorgefunden. Die Leiche wurde in das
Institut fuer Gerichtsmedizin verbracht. Das Obduktionsergebnis steht noch
aus. Die Amtshandlung fuehrt das Sicherheitsbuero."

*

Also, ob die obigen Schilderungen der Wahrheit entsprechen oder nicht,
lassen wir mal dahingestellt. Anscheinend gab es keine unbeteiligten Zeugen
und ausser den Polizisten war nur das Opfer anwesend -- und das kann nicht
mehr reden. Wenn die Polizei unaufgefordert so eine Schilderung abgibt, dann
ist das zugegebenermassen schon ziemlich verdaechtig. Aber schoen: Sangma in
dubio pro reo und sangma die Schilderung stimmt.

Dann ist die Angelegenheit immer noch sehr bedenklich. Immerhin starb ein
Mensch, weil die Polizei ihn als beamtshandelnswert auserkor. Dass er
"verdaechtig" vor einem Geldautomaten stand und Gift bei sich hatte, was
nunmal in unserer Saubermanngesellschaft strafbar ist, und dass er
vielleicht nur deswegen davonrannte, war sein Todesurteil. Was hat der Typ
verbrochen? Anscheinend gar nix! Ausser vielleicht sich selber mit dem Gift
hat er offensichtlich niemanden was Boeses getan! Aber wahrscheinlich hat er
ins typische Feindbild der Polizei gepasst: Schaut aus wie ein Giftler oder
Sandler, den man seckieren kann und der sich eh nicht beschweren kann. Er
wird verfolgt und gefesselt -- und stirbt.

Nicht das es Absicht war. Nein. Es gibt zwar Polizisten, denen ich derlei
zutraue, aber der durchschnittliche Sicherheitwachebeamte hetzt niemanden
absichtlich in den Tod. Aber es ist diese Unbedachtsamkeit, mit denen
Menschen, gerade eben wenn sie in Panik sind, die Haende auf den Ruecken
geschnallt bekommen. Das Ergebnis der Autopsie steht zwar nach Auskunft der
Pressestelle der Polizei noch aus, doch nach obiger Schilderung handelte es
sich wohl um einen klassischen "Sudden Incustody Death" -- "Ploetzlicher
Gewahrsamstod", so heisst das im Fachjargon. Dabei bleibt einem Gefesselten
die Luft weg, weil er in einer Situation erhoehten Sauerstoffbedarfs infolge
des Zurueckbiegens der Arme und damit einer Einengung des Brustraums nicht
mehr ausreichend einatmen kann. Je panischer ein Mensch ist, je groesser
seine Angst, desto mehr schlaegt er um sich, desto mehr Luft braucht er aber
auch.

Gerade in solchen Situationen versuchen Polizisten den Beamtshandelten
moeglich effizient zu "fixieren". Dass man aber jemanden damit umbringen
kann -- vor allem dann, wenn derjenige vorher auch noch einen Sprint
hingelegt hat --, das sollten unsere Beamten ja schon gelernt haben. Sicher,
es ist schwierig, einen Tobenden zu baendigen ohne ihn am Ruecken zu
fesseln -- man muss sich halt ein bisserl mehr rumraufen oder aber auch
ueberlegen, ob man eigentlich einen Grund hat, da jemanden zu arretieren.
Wobei es dann aber nicht mehr einfach um Menschenrechte gebt; Es geht darum,
Arrestanten nicht in Lebensgefahr zu bringen.

Wenn es schon eine Polizei gibt und wenn diese schon de facto-Befugnisse
hat, die mit einer demokratischen Gesellschaft unvereinbar sind, dann muss
die Politik wenigstens dafuer sorgen, dass der Heh Grundprinzipien der
Physiologie beigebracht werden. Dass ist wohl das Minimum.

Aber von der Politik diesbezueglich Engagement zu verlangen, ist
wahrscheinlich noch illusionaerer als von der Polizei. Selbst bei akuten
Anlassfaellen wie diesem. War ja schliesslich nur ein Giftler. *Bernhard
Redl*


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