**********************************************************
akin-Pressedienst.
Elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'.
Texte im akin-pd muessen aber nicht wortidentisch
mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein.
Nachdruck von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten.
Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen.
Ein Nachdruck von Texten mit anderem Copyright
als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus.
**********************************************************
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 10. September 2002; 14:53
**********************************************************

Wien-Mariahilf/Bewaehrungshilfe:

> Neustart - und alte Ziele

"Ham S' scho g'heat, Frau Navratil? Im oid'n Postamt auf da
Gumpendorferstross'n woin s' a Unterkunft moch'n fia entlossane
Haef'nbriada!"

"Um Gott's Wuen, Herr Pospischil - des deaf do net woah sei! Mia haum eh
scho glei daneb'n de Giftla vom Ganslwirt und geg'niwa de goschat'n Tschu-,
i maan, de jungan auslaendisch'n Mitbiaga vo den komisch'n "Echo" - und
jetzat des aa no!"

"Und net zum Vagess'n de woaman Briada vo dera Lila Villa unt auf da
Wienzeun, Frau Navratil - und des vaseichte Aids-Haus vuan am Giat'l! A
Schaund is des!"

"Des vadaunk ma nua der rotgreanan Bruat, de wos jetzat im Bezirk am Ruada
is! I sog's Eana, Herr Pospischil: Mia in Mariahuef san jo scho da Mistkiwoe
vo gaunz Wien - vo iwaroi schick'n s' uns in aergst'n Ruass daher!"

"Meinarsoeoe, Frau Navratil - untam Pint haettat's des net geb'n!"

So summt und brummt es zur Zeit angeblich an den Bassenas und Strassenecken
des sechsten Wiener Gemeindebezirks - zumindest haette es die schwarzblaue
Opposition gerne so. Die Konservativen, gewappnet mit wehrhafter
christlicher Grundeinstellung, machen wieder einmal gegen eine soziale
Einrichtung mobil. Worum geht es denn diesmal?

Im leer stehenden ehemaligen Postgebaeude in der Gumpendorferstrasse 70 wird
der Verein "Neustart" (vormals "Bewaehrungshilfe") ein
Tagesbetreuungszentrum fuer Haftentlassene und eine Fahrradwerkstaette
einrichten. Kaum wurde dieser die innere Sicherheit des Bezirks so
abgrundtief gefaehrdende Plan ruchbar, warfen sich auch schon die sattsam
bekannten Scharfmacher der FPOe als schneidige Speerspitze des noch
schlummernden Volkszornes in die Schlacht - dicht gefolgt von den begeistert
hechelnden Vertretern der nach ihrer Wahlschlappe noch immer schwer danieder
liegenden ehemals "christlich-sozialen" Partei.

Das Strickmuster derartiger Kampagnen ist immer das Gleiche und laengst
schon bis zum Ueberdruss ausgereizt: Populistische Lokalpolitiker versuchen
sich erst auf Kosten sozial schwacher Mitbuerger zu profilieren und die von
ihnen geschuerte kuenstliche Erregung sodann in politisches Kleingeld
umzumuenzen. Ist der Sturm im Wasserglas einmal entfesselt, so leitet man
das aufgewuehlte Schmutzwasser Haende reibend auf die aufgeregt klappernden
Muehlen der Medien.

Da ist keine Methode zu mies, keine Unterstellung zu untergriffig:
Herumlungernde Schwerverbrecher werden womoeglich alten Muaterln mit
kehligem "Har, har!" die Handtascherln entreissen, schnurrbaertige
Mannweiber brave Familienvaeter in dunklen Ecken zu schauderhaften
Perversitaeten missbrauchen und redliche Geschaeftsleute muessen traenenden
Auges ihre verwaisten Gewoelbe fuer immer schliessen. Die fuerchterliche
Folge: Eine Art Mini-Bronx in Mariahilf, in der marodierende Gangs von
Fahrradkettenstraeflingen im Solde der Gruenen johlend Jagd auf die letzten
spaerlichen Autofahrer machen. Fuerwahr, ein kommunaler Alptraum!

Witzig an dieser miesen Inszenierung ist hoechstens, dass genau dieselbe
Schmierenkomoedie bereits vor Jahren nur zwei Haeuser weiter vom damaligen
VP-Bezirksvorsteher Pint aufgefuehrt wurde. Dieser, ein begnadeter Populist
vor dem Herrn, hetzte damals gegen die im Entstehen begriffene
sozialmedizinische Drogenberatungsstelle "Ganslwirt". Peinlich fuer ihn war
allerdings, dass die Schueler des Gymnasiums in der Amerlingstrasse, die er
vorgeblich vor gefaehrlichen Drogendealern schuetzen wollte, sich mit dem
Zentrum solidarisierten und eine Gegendemonstration gegen die von Herrn Pint
angefuehrte "Buergerfront" organisierten ...

Stets an vorderster Front gegen kriminelle Umtriebe und Teufelsdrogen
kaempfte bis zum unruehmlichen Ende seiner kurzen Politkarriere auch der
Nachfolger dieses frueh verstorbenen Bezirkskaisers. Schulklassen wurden zu
Anti-Drogensongs animiert und schaurige Visionen eine den Bezirk in seiner
gesamten Laenge vom Karlsplatz bis zur U-Bahnstation Gumpendorfer Strasse
durchziehenden Dealerszene an die Wand gemalt.

Doppelt peinlich, dass dieser unerschrockene Kaempfer fuer Recht und
Ordnung, der fuer seine ueberschaeumende Trinkfreudigkeit und seinen
gemeingefaehrlichen Fahrstil bezirksweit bekannt war, einem Alkoholtest nach
einer Verkehrskontrolle dadurch zu entgehen trachtete, indem er schwankenden
Schrittes vor der Polizei fluechtete und sich in seinem Wohnhaus einsperrte.
Tja, das Boese ist eben immer und ueberall!

Einer der Protagonisten dieses buergerlichen Trauerspiels, der Klubobmann
der Mariahilfer FP, hat sich in der letzten Sitzung der Bezirksvertretung
auch mutig zum Floriani-Prinzip bekannt. Nach dem informativen und serioesen
Vortrag einer Vertreterin des Vereins "Neustart" ueber das geplante Projekt
unversehens in Argumentationsnotstand geraten und obendrein von einem
gruenen Bezirksrat diskursiv in die Zange genommen, konnte er nicht umhin,
sich fuer ein derartiges Zentrum auszusprechen - aber, bitte schoen, doch
gefaelligst in einem anderen Bezirk!

Und wie wird dieses Mikrodrama enden? Nun, so wie noch jedes Mal: Das
Betreuungszentrum wird seinen Betrieb aufnehmen, die Wogen der
aufgewiegelten Erregung werden sich glaetten und in einigen Jahren wird die
Einrichtung allgemein anerkannt und geschaetzt werden. Jene Politdesperados
aber, deren Asozialpolitik direkt dafuer verantwortlich ist, dass immer mehr
Menschen an den Rand der Gesellschaft gedraengt werden, halten derweil schon
mit geierscharfem Auge Ausschau nach neuen Opfern, von denen nicht allzu
viel Gegenwehr zu erwarten ist.

*Richard Weihs, GA-Bezirksrat in Wien-Mariahilf*



*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43 (0222) 535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
eMail redaktion und termine: akin.buero@gmx.at
eMail abo: akin.abo@gmx.at
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin